Interview Leander Haußmann

An der Berliner Hochschule für Filmkunst Ernst Busch ausgebildet, begann Leander Haußmann mit 30 Jahren auch zu inszenieren. Als Theaterregisseur gelangen ihm sensationelle Aufführungen in Weimar, München, Salzburg und Berlin. Mit dem Film „Sonnenallee“ landete er seinen ersten Kino-Hit, dem „Herr Lehmann“, „NVA“, „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ sowie „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ folgten. Soeben hat er einen neuen Film abgedreht: „Dinosaurier“. Berlin vis-à-vis sprach mit ihm am Müggelsee in Berlin-Köpenick, wo er aufgewachsen ist.

Herr Haußmann, bei dem Titel Ihres neuen Films „Dinosaurier“ denkt man automatisch an Naturkunde, aber die ist sicher nicht das Thema...
Richtig. Der Stoff basiert auf der Filmkomödie „Lina Braake“ von 1975. Aber ich habe die Geschichte aktualisiert und neu gefasst. Der Film spielt im Alten- und Pflegeheim „Haus Sonnenruh“, dessen Insassen jedoch noch immer klug und vital genug sind, um es mit betrügerischen Banken aufzunehmen, die diese auf Grund ihres Alters unterschätzen. Bei Banken gibt es ja, wie wir jüngst erfahren mussten, ein zynisches Kürzel. Da steht der Kundenname und dahinter „AD“. Alt und doof. In meinem Film beweisen die Alten das Gegenteil. Übri-gens, die Musik für meinen Film macht auch ein „Dinosaurier“: James Last.

Und wer verkörpert die Dinosaurier?
Ich freue mich, dass es mir gelungen ist, ein hochkarätiges Ensemble erfahrener Theater- und Filmschauspieler vor die Kamera zu holen. Die weibliche Hauptrolle spielt Eva-Maria Ha-gen, die männliche mein Vater Ezard Haußmann. Er hat ein großes Opfer für diesen Film gebracht, ließ sich eine Glatze rasieren, damit ihm die unterschiedlichsten Perücken aufgesetzt werden konnten. Zur alten Garde zählen außerdem Nadja Tiller, Walter Giller, Ingrid van Bergen, Ralf Wolter und Hans Teuscher, während Daniel Brühl und Benno Fürmann die Jugend vertreten. Das Bindeglied dazwischen bin ich, denn ich spiele ebenfalls mit: als Sohn meines Vaters, wie auch im wirklichen Leben.

Sie stellten sich mit diesem Film auf die Seite betagter Menschen. Hat das auch damit zu tun, dass Sie selbst gerade 50 geworden sind?
Nicht wirklich. Aber ich halte nichts vom Jugendwahn. Der wird sich bald von selbst erledigen. Mein Jahrgang zählt zu den letzten geburtenstarken. Zukünftig wird es 70 Prozent Alte und 30 Prozent Junge geben.
Aber wenn ich mir Günter Rohrbach anschaue, den Produzenten meines nächsten Kinofilms „Hotel Lux“, erkenne ich, dass wir nicht unbedingt vergreisen müssen. Rohrbach ist gerade 80 geworden. Aber er sieht nicht nur sehr viel jünger aus, sondern ist auch aktiv und denkt wie ein junger Mann.

Sie haben eine sehr eigene Handschrift bei Drehbüchern und Inszenierungen: gerne heiter, märchenhaft und verspielt.
Ich habe immer mit Erzählformen experimentiert. Stets in der Absicht, das Publikum gut zu unterhalten und zum Staunen zu bringen. Das Unterhaltende bedeutet ja nicht, dass es ober-flächlich ist. Das Kino bietet mir fast die perfekte Möglichkeit des Erzählens. Deshalb konzentriere ich mich jetzt aufs Kino. Ich habe gerade mit der Bavaria einen Vertrag über drei große Filme abgeschlossen.

Wie haben Sie vor 20 Jahren den Mauerfall erlebt?
Als Glücksfall. Für mich war das Timing perfekt. In der DDR hätte ich nie Karriere machen können. Erstens war ich nicht der Typ, den man gerne sah, und zweitens auch viel zu unange-passt. Mit meiner Art von Humor wollte man nicht umgehen. Humorlosigkeit ist ja ein Merkmal von Diktaturen.

Dennoch galten Sie auch damals schon als Geheimtipp. Sowohl als Schauspieler wie auch als Regisseur.
Im Underground vielleicht. Ich hatte mit diesem Land nicht sehr viel zu tun. Wobei ich aber ein schönes Leben dort hatte. Einfach auf Grund des Kreises, in dem ich mich bewegte, nicht zuletzt auch meiner Familie. Da hat man oft gar nicht gemerkt, dass wir in der DDR lebten, weil wir das praktisch ausgeblendet hatten.

Sie befinden sich in der Planung für Ihren Film „Hotel Lux“. Das Hotel war in den 30er Jahren die Moskauer Anlaufstelle für deutsche Emigranten, von denen nicht wenige Stalins Terror zum Opfer fielen.  Auch das Stoff für eine  Komödie?
Ein packendes Drama ist immer ein Stück aus dem Leben, und das Leben  ist niemals einseitig fröhlich oder traurig, sondern hat immer beide Seiten. So sahen das Ernst Lubitsch und Billy Wilder, die beiden Schöpfer legendärer Filmkomödien mit Tiefgang. So sehe ich das auch.

Gudrun Gloth

40 - Herbst 2009