Auch scheitern kann gut sein

An der „School of Life“ in Berlin kann man ein besseres Leben lernen: Wenn man bereit ist, sich mit den großen Fragen der Philosophie zu beschäftigen – und mit sich selbst.

Von außen sieht es aus wie eine dieser typischen Prenzlauer-Berg-Boutiquen. Ein schmales Schaufenster, ein paar hip bedruckte Beutel, minimal bestückte Bücherregale und schicker Beton. Doch hier geht es nicht um stylische Staubfänger. Hier werden Handwerkszeuge der besonderen Art angeboten. „The School of Life“ steht an der Tür. Schule des Lebens. Hier kann man in Vorträgen, Workshops und Tagesseminaren lernen, nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst ein bisschen besser zu verstehen.

Ein wenig befangen, aber auch offener als im normalen Alltag steht an den meisten Abenden eine immer andere Gruppe von Menschen um den großen Tisch im Ladenlokal. Dieses dient auch als Foyer. Gleich geht es in den bestuhlten Seminarbereich im dahinterliegenden Raum – und ans Eingemachte. „Schlussmachen oder bleiben“ heißt ein Kurs. Auch Workshops zur „Kunst des guten Gesprächs“, zum Finden der richtigen Arbeit oder zum Erlernen eines besseren Umgangs mit Mitmenschen werden angeboten. Insgesamt vier Themenbereiche stehen im Zentrum: Arbeit, Liebe, Selbsterkenntnis und Kultur. „Wie man scheitert“ heißt ein Kurs aus dem ersten Bereich. „Die Erfahrung des Scheiterns ist in Deutschland vorwiegend negativ belegt“, sagt Martin Ebeling. Der 35-jährige promovierte Philosoph leitet die Programmplanung an der Berliner School of Life. „Anderswo ist Scheitern kein Stigma, sondern es wird einfach als Lernerfahrung betrachtet. Als Möglichkeit, zu erkennen, wie eine Sache nicht funktioniert.“

Gegründet wurde die Schule 2011 in London vom Schweizer Philosophen und Wahlbriten Alain de Botton. Einige von de Bottons populärphilosophischen Abhandlungen über die Liebe und die Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft sind Bestseller geworden. Den Gedanken hinter der School of Life formulierte er so: Das zu lehren, was einem keine andere Schule beibringt – nämlich ein gutes Leben. Zwölf Ableger gibt es inzwischen weltweit. Sie nutzen Namen und Design des Londoner Mutterhauses und übernehmen einige Kursthemen. Die anderen Inhalte werden an jedem Standort individuell angeboten. Die Berliner School of Life wurde im Mai 2016 eröffnet – unter anderem vom Fernsehproduzenten Thomas Biller, der zuvor fürs Privatfernsehen Comedyformate mit dem Moderator Tommy Wosch produziert hatte. In einem Interview nannte Biller als Lebensphilosophie „Möglichst wenig Schaden anrichten“.

In Berlin seien Kurse mit Bezug zur klassischen Philosophie stärker vertreten als zum Beispiel in London, sagt Martin Ebeling. Dabei dürfte die aus der Antike stammende Lehre des abstrakten Denkens als Mittel zu Lebenshilfe eher ein traditionell bildungsbürgerliches Publikum ansprechen. Und dieses ist in Berlin spärlicher vertreten als anderswo. Wie passt das zusammen? „Vieles von dem, um das es den antiken Philosophen ging, ist auch heute ein Thema“, sagt Ebeling. Sein Schwerpunkt ist die politische Philosophie, als Dozent leitet er Kurse zu Achtsamkeit, Mitgefühl, Selbsterkenntnis und emotionaler Intelligenz. Dabei spannt er den Bogen von der Antike bis in die Gegenwart. Ein Kurs trägt den Titel „Wie man die innere Ruhe bewahrt“. Und zwar mithilfe der Lehre unter anderem der Stoiker. Diese, 300 vor Christus entwickelt, ist für Ebeling eine aktuelle Quelle für konkretes Handeln. Und auch Modebegriffe wie Achtsamkeit, Empathie und Emotionale Intelligenz sind für ihn nicht nur Floskeln, mit denen der Zwang zur neoliberalen Selbstoptimierung im Einzelnen verankert wird. „Die Vorstellung, dass ein Mensch an sich selbst arbeiten und sich selbst zu einem besseren Wesen erziehen soll, hat eine jahrtausendealte Tradition.“ Mitgefühl mit anderen, wie es die Stoiker lehrten, kommen jeder Gruppe zugute, sagt Ebeling. In einem Beziehungskonflikt ebenso wie in den Arbeitsteams eines Unternehmen. „Die meis­ten Leute kommen nicht zu uns, weil sie sich besonders für Philosophie interessieren“, sagt er. Gefragt sind konkrete Anleitungen für den Alltag. Theoretisches Vorwissen ist darum auch nicht notwendig. Beim Aufbau der Kurse wird großer Wert darauf gelegt, dass die Ideen aus Kultur- und Geistesgeschichte an die konkreten Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer anknüpfen.

Ein Elfenbeinturm ist die School of Life nicht – und das liegt nicht an der konsequent minimalistischen Gestaltung der Räume mit viel Beton. Vielleicht eine moderne Art der Volkshochschule? In der Hinsicht, dass ein vielfältiges Angebot für viele zugänglich ist, könne man das so sehen, sagt Ebeling. Doch das eher biedere Image dieser Institutionen ist im Kurslokal in Prenzlauer Berg überwunden. Das ausgeprägte Design von Seminarräumen bis Lernmaterialien trägt dabei selbst schon eine Botschaft. „Denken und Lernen kann etwas Lustvolles sein, etwas, in dem man unmittelbare Schönheit erlebt“, sagt Ebeling. Jeder Mensch geht durch die Schule des Lebens. Der Versuch, die dabei gewonnenen Erfahrungen zu ordnen und die Bereitschaft, das Gelernte zugunsten eines glückenderen Lebens anzuwenden, macht aus dem Allgemeinplatz die School of Life.

Susann Sitzler

 

Information
The School of Life,
Lychener Straße 7, 10437 Berlin. www.theschooloflife.com/berlin

 

 

73 - Winter 2018