Giacometti für die Ewigkeit

Eine der spekta­ku­lären ­Sonderschauen im Rahmen­ der Ausstellungs­reihe­­ „Der Kult des Künstlers“­ führt ins Ägyptische Museum.

Den Künstler als Genie, mythische ­Figur, Star oder eben als Kultfigur zu sehen, fällt nicht schwer, angesichts der Berühmtheiten, deren Werke in zehn Ausstellungen der Staatlichen Museen zu Berlin derzeit präsentiert werden. Dabei zeigen sich die „Künstlerstars“ in sehr unterschiedlicher Weise. Während die meisten durch Öffentlichkeit und Kunstbetrieb Kultcharakter erlangten, spielte bei Künstlern wie Andy Warhol deren Selbst­­inszenierung eine große Rolle. Im Falle Alberto Giacometti allerdings ist es eher der Künstler selbst, der mit seinen eigenen Vorbildern Kult betreibt. Ihm ist die Ausstellung „Giacometti, der Ägypter“ im Ägyptischen Museum gewidmet.

Giacometti war ein Sonderling und Einzelgänger. Dem entsprach auch sei­­ne Lebens- und Arbeitsweise: Abends gegen 18 Uhr frühstückte er, ging an­schließend in die Nachtlokale oder zu den Prostituierten und kehrte dann in sein Atelier am Montparnasse ­zurück, um bis zum Morgengrauen zu arbeiten. Er verließ das Atelier nur, um Nahrung zu besorgen. Nachts entstanden seine Bilder, Zeichnungen und Plastiken mit dem charakteristischen starren Blick. Keine Menschen mit Körpern aus Fleisch und Blut, sondern schreitende, dürre Männer oder leblos wirkende Frauen. Das sind allerdings die Figuren, mit denen Giacometti nach dem Zweiten Weltkrieg berühmt wurde. Kritiker schrieben über ihn, sein größter Antrieb sei seine Überzeugung des ständigen Scheiterns gewesen. Scheitern, um es immer wieder zu versuchen. Wer ihn in seinem Atelier sah, wie er den Ton zu ausgemergelten, teils fadendünnen Figuren trieb, sah einen Mann, der seinen Skulpturen in geradezu gespenstischer Weise ähnelte. Im Jahre 1966 geht er mit 64 Jahren daran zugrunde.
Noch auf dem Sterbebett hielt er ein Buch über altägyptische Malerei in den Händen. Letztes Indiz dafür, dass sich Alberto Giacometti sein Leben lang mit der Kunst Altägyptens beschäftigt hat. Sie sogar für sich über die abendländische Kultur stellte.

Nun die Analogien zu seinem Werk in einer Ausstellung aufzuzeigen, hat sich das Ägyptische Museum in Ko­operation mit der Giacometti-Stiftung Zürich im Rahmen des Ausstellungszyklus „Der Kult des Künstlers“ zum Ziel gestellt. So stehen 12 Plastiken Giacomettis in der ägyptischen Sammlung genau an den Stellen, wo die ­Bezüge zu den Originalen in be­ein­druckender Weise sichtbar sind: ­beispielsweise Giacomettis „Lotar I“ neben dem Gesichtsfragment „Echnaton“ oder „Annette VIII“ neben der Büste der Nofretete. So wie die ­Stand-Schreitfigur der Pyramidenzeit im Schaffen Alberto Giacomettis ­wiederzufinden ist, beispielsweise mit der Bronzefigur „Homme qui marche“, ist auch die suggestive Kraft ägypti­scher Statuen in seinen Porträts spürbar, wie eben in den Porträt­büsten seiner Frau und seines ­Bruders. Der Betrachter sieht sich darin nicht nur beobachtet, sondern fühlt sich ob ­ihrer Eindringlichkeit elementar berührt. Gleiches gilt für Giacomettis Zeichnung „Berliner Grüner Kopf“, der dem Original des ­Berliner Ägyptischen Museums gegenübersteht.

So gelingt der Ausstellung Erstaun­li­ches: Nicht nur der Ewigkeitsanspruch altägyptischer Kunst findet sich in den Werken Giacomettis wieder. Sie unter die alten ägyptischen Originale zu stellen, so Dietrich Wil­dung, Direktor des Ägyptischen Mu­seums und der Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, ­bedeute auch, die ägyptische Kunst ins 20. Jahrhundert zu holen. Für den Betrachter also ein doppeltes Ver­gnügen.

Reinhard Wahren

 

Ausstellung

Kult des Künstlers:
Giacometti, der Ägypter 

Noch bis 1. März 2009

Altes Museum, Ägyptisches Museum
und Papyrussammlung
Museumsinsel, Lustgarten
10178 Berlin

37 - Winter 2008