Die Schöne und das Licht

Aus Anlass des Fundes der Büste der Nofretete und mit bisher nie gezeigten Schätzen aus der Amarna-Zeit feiert das ägyptische Museum in einer Sonderausstellung eine Kunst, die nur von kurzer Dauer war, doch vollendete Schönheit hervorbrachte.

Ihr Name hat sich in unser Bewusstsein eingebrannt und zieht fast jeden Berlinbesucher wenigstens einmal ins Ägyptische Museum, um ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen: die Nofretete. Die Büste der altägyptischen Königin ist zum Kultobjekt avanciert, vom archäologischen Fund zum Schönheitsideal schlechthin. Doch die wenigsten verbinden mit ihr die kurze Kunstepoche, unter den Namen Amarna bekannt, ohne die „die schönste Frau der Welt“ nicht denkbar wäre. So nahm das Ägyptische Museum den hundertjährigen Fund der Nofretete zum Anlass, nicht nur sie zu feiern, sondern den Besuchern auch jenes Königreich nahezubringen, das eine neue Religion propagierte, einem einzigen Gott huldigend, dessen Botschaft nur Licht ist. Anstelle der alten Gottheiten in Tiergestalt trat allein Aton, der Gott des Lichtes. Erfinder dieses neuen Gottes war der Pharao Echnaton, der gemeinsam mit seiner Frau, der Königin Nofretete, die Stadt Achet-Aton am östlichen Ufer des Nils gründete. Damit schufen sie abseits von Theben nicht nur eine neue Stadt, sondern inspirierten ihre Künstler zu einzigartigen Meisterwerken. Dass zu diesem neuen Licht als Entsprechung Schönheit gehörte, ist an der gesamten Amarna-Kunst abzulesen. Unter Echnaton erlangte die altägyptische Kunst eine absolute Blütezeit. Abzulesen nicht nur an der Büste der Nofretete, sondern ebenso an allen anderen Kunstschätzen, die vor hundert Jahren vom Ägyptologen Ludwig Borchardt am Fundort in Tell el-Amarna, dem damaligen Achet-Aton, zusammen mit der Büste der Nofretete ausgegraben worden sind. Das gesamte Fundmaterial der Deutschen Orientgesellschaft wurde damals aufgeteilt. Die Hälfte davon stand vereinbarungsgemäß Ägypten zu. Die Büste der Nofretete fand man im Haus von Thutmosis, dem Bildhauer, der sie erschuf. Dass die Büste schließlich nach Deutschland kam, darüber gibt es bis zum heutigen Tag Streit. Kein Grund aber für die Staatlichen Museen, das hundertjährige Jubiläum ihres Fundes nicht zu feiern. Zudem gibt es keinen besseren Platz, sie im Umfeld der Amarna-Kunst zu präsentieren, als im lichtdurchfluteten Neuen Museum. So ist die Sonderausstellung zweigeteilt. Im Untergeschoss steht das Fundjubiläum mit allen Hintergrundinformationen über die Ausgrabung sowie die Kultur-, Inszenierungs- und Vermarktungsgeschichte der weltberühmten Büste im Vordergrund. Das Obergeschoss widmet sich den archäologischen Grabungen und der Kulturgeschichte Achet-Atons. Deren Existenz währte indes nicht lange. Mit nur einem Gott wollte man sich damals offenbar nicht zufriedengeben. So wie die Aton-Religion von den Traditionalisten ausgerottet oder nicht weiter verfolgt wurde, so zerstörte man auch die neu entstandene Kunst, die mithilfe des Lichts und fokussiert auf das zutiefst Menschliche entstanden war. Nicht umsonst wurde die Nofretete bereits zu Lebzeiten als „Königin der Anmut“ bezeichnet. Dabei war die Amarna-Kunst dem Ewigkeitsanspruch altägyptischer Kunst am nächsten gekommen. Die Sonderausstellung im Ägyptischen Museum bietet den besten Beweis dafür.

Reinhard Wahren

 

Information
Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete im Neuen Museum
7. Dezember 2012 bis 13. April 2013

 

53 - Winter 2012/13