Energieforschung auf dem Campus

Mit dem Projekt „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“ demonstriert der Wissenschaftsstandort Zukunftstechnologien für energieeffizientes Wohnen und Arbeiten in städtischen Entwicklungsgebieten.

Das Forum Adlershof ist immer ein guter Ausgangspunkt für einen Rundgang im Adlershofer Wissenschafts- und Technologiepark, im „Silicon Valley Berlins“, um dann, den Blicken der beiden Skulpturenköpfe folgend, auf Entdeckungstour zu gehen. Denn mit ihnen verbinden sich vor allem Ideen, die hier in den Laboren und Institutsgebäuden in Pilotprojekte umgesetzt und vor Ort tatsächlich zu besichtigen sind. So ist Berlin Adlershof auch ein idealer Vorzeigestandort für weitreichende Zukunftstechnologien, wie jetzt auch wieder für das von der Bundesregierung geförderte Projekt „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“. „Wir wollen in Berlin Adlershof zeigen, dass ein modernes Wissenschafts- und Technologiequartier energieeffizient betrieben werden kann!“, so Hardy Rudolf Schmitz, der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft WISTA-Management GmbH. Das Projekt sieht vor, den Energiebedarf im gesamten Adlershofer Entwicklungsgebiet bis 2020 um 30 Prozent zu senken. Dass der Wissenschaftsstandort bereits auf einen guten Weg dahin ist, beweist seine herausragende Stellung im Rahmen der Initiative „Forschung für die energieeffiziente Stadt“ (EnEff:Stadt) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die Kommunen anregen will, eigene Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz in Angriff zu nehmen. 

Know-how für die Stadt der Zukunft

Das Projekt „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“ ist eines der Leuchtturmprojekte der EnEff:Stadt-Initiative und Teilprojekt mit einer Laufzeit bis 2016 in einem Gesamtkonzept zur energieefizienten Weiterentwicklung des Wissenschaftsquartiers bis 2020.

In Adlershof forschen bereits rund 50 Firmen auf dem Gebiet moderner Energietechnologien. Und die Ansiedlung am Standort geht weiter. Erst Ende vergangenen Jahres ist das neugebaute Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien (ZPV) in der Johann-Hittorf-Str. 8 eröffnet worden. Darin haben sich bereits fünf innovative Firmen angesiedelt. Die Firma Graforce Hydro beispielsweise hat ein neues Verfahren zur Wasserstofferzeugung und -speicherung entwickelt, das im Vergleich zur herkömmlichen Wasserstofferzeugung aus Überschussstrom um ein Vielfaches effizienter ist als die marktübliche Elektrolyse. Die Forschungsthemen der Adlershofer „Energiefirmen“ erstrecken sich über alle derzeit energierelevanten Bereiche und betreffen neue Speichersysteme und erneuerbare Energien genauso, wie die zukünftige Energieversorgung in der Stadt oder die Gebäudeeffizienz. Das Institut für Physik, nicht weit vom Forum entfernt in der Newtonstraße 15, forscht auf den Gebieten dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, Fassadenbegrünung und passive Gebäudekühlung. Eine neue Art der Gebäudeklimatisierung benutzt Regenwasser zur Kühlung des Gebäudes in den Sommermonaten und ist so effektiv, dass noch bei Außentemperaturen von bis zu 30°C die Zuluft auf 21 bis 22°C vorgekühlt werden kann, ohne auf technisch erzeugte Kälte zurückgreifen zu müssen.

In der Albert-Einstein-Straße 15 hat sich das renommierte Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) angesiedelt. Mit 30 Gigawattstunden pro Jahr benötigt es ein Drittel des Gesamtstrombedarfs des Projektgebietes und ist somit der größte Energieverbraucher in Adlershof. Für dessen zukünftige Energieversorgung soll ein Blockheizkraftwerk installiert werden, als Beispiel für effektive Erzeugung von Strom und Wärme im eigenen Gebäude. Ein ganzes zukünftiges Wohngebiet energetisch zu versorgen, hat sich die Blockheizkraftwerks-Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin (BTB) mit Sitz in der Albert-Einstein-Straße 22 vorgenommen. So soll das angrenzende 16 Hektar große Areal ein neuartiges einspeiseoffenes, flexibles und „demokratisches“ Wärmeverbundsystem erhalten. Damit wird es Vorzeigeprojekt für eine heterogene Wohnanlage mit kleinteiligen Baukörpern. Mit völlig CO2-freier und zudem erneuerbarer Energieerzeugung beschäftigt sich derzeit die Firma Younicos, mit Sitz Am Studio 16. Für die Integration von Wind- und Sonnenenergie in bestehende Energieanlagen entwickelt die Firma erneuerbare Energiesysteme. Das bislang bekannteste Projekt von Younicos ist der Aufbau des weltweit ersten erneuerbaren Energiesystems mit 100 Prozent Wind- und Sonnenstrom auf Graciosa, der zweitkleinsten Azoren-Insel. Am gleichen Standort residierte bis April dieses Jahres in Adlershof die Firma Solon, die vom indisch-arabischen Unternehmen Microsol übernommen wurde. Sie produziert hochwertige Solarmodule und ist Anbieter von solarer Systemtechnik, bis hin zu schlüsselfertigen Solarkraftwerken weltweit. Mit ihrem ehemaligen Hauptsitz in Adlershof hatte sich die Firma selbst ein Gebäude mit modernster Energietechnik geschaffen, vom Blockheizkraftwerk im „Keller“ bis zur Photovoltaikanlage auf dem Dach. Es verbraucht nur ein Viertel der Energie eines vergleichbaren Gebäudes und kann als Prototyp für energieeffiziente Gewerbebauten gelten.

In der Solartechnik spielen auch neue Speichertechnologien zukünftig eine bedeutende Rolle. So hat Younicos beispielsweise für andere Firmen sogenannte E-Shuttles entwickelt. Von diesen „mobilen Steckdosen“ können deren Mitarbeiter an ihren Schreibtisch-Arbeitsplätzen Solarstrom beziehen, auch wenn die Stromerzeugung durch Sonneneinstrahlung schon Stunden zurückliegt. Das bedeutet: Stromerzeugung und Stromnutzung sind entkoppelt. 

Von derartigen Kooperationen auf dem Forschungscampus zu profitieren, war und ist für viele Firmen ein wichtiger Grund, ihren Sitz auf das Adlershofer Forschungsgelände zu verlegen. Das gilt besonders auch für die Energiefirmen. Mit der „Energiestrategie Berlin Adlershof 2020“ entwickeln sie hier auf dem Campus übergreifende Pilotprojekte, die für den Aufbau moderner, energieeffizienter Energieanlagen in städtischen Siedlungsgebieten unverzichtbares Know-how demonstrieren.

Neuer Wohnraum entsteht – Das Projekt „Wohnen am Campus“ im Wissenschaftspark Adlershof vereint sehr unterschiedliche Bauprojekte 

Das Wohnungsneubau-Quartier zwischen dem Campus der Humboldt-Universität und dem Natur- und Landschaftspark Johannisthal weist durch das Nebeneinander von städtischen Reihenhäusern, Stadtvillen und Mehrfamilienhäusern, mit Miet- und Eigentumswohnungen sowie Baugruppenprojekten einen ganz eigenen Charakter auf. Das ist zwar so noch nicht in Gänze sichtbar, doch die einzelnen Projekte lassen keinen Zweifel daran. Der Baukonzern NCC beispielsweise will bis Ende 2015 an der Newtonstraße insgesamt 52 Townhouses errichtet haben, Stadthäuser mit vier Etagen, Garagen und Dachterrassen. Demnächst ist auch Baubeginn für die Bayerische Baywobau. Ihr Bauprojekt mit dem Namen „Isaac Newton Park“, südlich an der Wilhelm-Hoff-Straße sowie im Westen an der Newtonstraße gelegen, besteht aus vier Gebäuden, die sich um einen gemeinschaftlichen Innenhof gruppieren. Dieser soll eine Art kommunikativer Treffpunkt des Quartiers werden, selbstverständlich autofrei, parkähnlich mit Sitzplatz- und Spielplatzbereichen gestaltet. Die meisten der Wohnungen bekommen Balkone oder Terrassen. Nach der Erschließung des neuen Wohngebiets und dem Verkauf der landeseigenen Grundstücke an Investoren und Baugruppen stieg die Nachfrage schnell, sodass der größte Teil der 14 Hektar großen Fläche vermarktet ist. Inzwischen gehören auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, wie die Degewo, und Wohngenossenschaften zu den Investoren. Für die Studentendorf Adlershof GmbH war Anfang dieses Jahres Richtfest im zukünftigen Studentendorf. Zum Wintersemester 2014 sollen die Zimmer und Apartments bezugsfertig sein. 

Mit der Umsetzung des Projekts „Tetris“ ist der Integrator Berlin GmbH auf dem Gelände ein architektonisch besonders interessantes Wohngebäude gelungen. Die Entwurfsidee ist dem legendären Spiele-Klassiker entlehnt und verbindet sogenannte „Wohnungsbausteine“ zu dem sechsgeschossigen, 120 Meter langen Gebäude mit insgesamt 70 Wohneinheiten. Die im Erdgeschoss gelegenen Wohnungen haben über Eingangsterrassen einen direkten Zugang zum Garten. Ansonsten prägt ein Wohnungsmix das ungewöhnliche Wohnhaus: Ob Gartenwohnung, Maisonette- oder eingeschossige, barrierefreie Wohnung, jede hat entweder einen großen Garten, eine Loggia oder eine Dachterrasse. In den oberen Geschossen verbinden Laubengänge mit eingebauten Sitzmöbeln die beiden Treppenhäuser und sollen so „kommunikativen Bedürfnissen“ dienen. Eine energetische Besonderheit ist eine neuartige, innovative Lüftungsanlage mit verbesserter Wärmerückgewinnung im Winter und Regenwasserkühlung im Sommer, ein Modellprojekt zur Energieeffizienz im Rahmen des EnEff-Stadt-Programms. Insgesamt hat der Investor 20 Millionen Euro in „Tetris“ investiert. Die 60 Wohnungen sind ausschließlich als Mietwohnungen geplant. Baubeginn war bereits 2013.

Speziell für die Mitarbeiter auf dem Forschungscampus, die sehr flexibel arbeiten und deshalb „Wohnen auf Zeit“ bevorzugen, errichtet die Helm-Gruppe mit Adapt Apartments in zwei Bauabschnitten sechs viergeschossige Häuser mit komplett eingerichteten Apartments. Damit will der Investor dem „unkonventionellen Arbeitsleben“ auf dem Campus entgegenkommen, „einen Ort mit Privatsphäre direkt am Arbeitsplatz zur Verfügung stellen“. Das Prinzip: Es wird nur bezahlt, was in Anspruch genommen wird. Es wird erwartet, dass sich mit zunehmendem Baufortschritt noch weitere potenzielle Investoren und Bauträger am Projekt „Wohnen am Campus“ beteiligen. Für anhaltendes Bauinteresse werden vor allem die Mitarbeiter auf dem Forschungsgelände sorgen, für die Arbeiten und Wohnen in unmittelbarer Nähe erstrebenswert ist. 

R. W.

 
58 - Frühjahr 2014
Stadt