Born in Berlin

Der Maler, Grafiker und Fotograf Wols gilt als ein Wegbereiter der informellen Kunst. Sein in Paris entstandenes, immer wieder in Vergessenheit geratenes fotografisches Werk zeigt der Martin-Gropius-Bau jetzt in einer umfassenden Ausstellung.

Dass Wols’ fotografisches Werk nun auch in Berlin gezeigt wird, ist dem Martin-Gropius-Bau zu danken, der sich in besonderer Weise den Berliner Künstlern der 1920er- und 1930erjahre verpflichtet fühlt. Nun ist Wols, mit bürgerlichem Namen Wolfgang Schulze, zwar in Dresden aufgewachsen und zum angehenden Künstler gereift, doch geboren ist er 1913 in Berlin, und auch von Berlin aus ging er 1932 nach Paris, wo in wenigen Jahren sein außergewöhnliches fotografisches Werk entstand. Bereits im vergangenen Jahr würdigte das Dresdener Kupferstich-Kabinett aus Anlass seines 100. Geburtstages diesen wichtigen Künstler. Der Martin-Gropius-Bau feiert ihn nun als „Brückenkünstler“ zwischen Berlin und Paris. 

Bereits während seines kurzen Zwischenaufenthalts in Berlin treibt es ihn zur künstlerischen Avantgarde, er sucht Kontakt zum Bauhaus, doch das befindet sich gerade in Auflösung. Er richtet sich in einer Charlottenburger Wohnung ein, streicht Wände und Bett schwarz an – der Beginn seines künstlerisch ambitionierten, unangepassten Lebens: „Wols ist ein Mythos mit vielen dunklen Punkten“, so der Kurator der Ausstellung, Michael Hering. Doch Wols ahnt das Ende der Moderne in Deutschland und geht nach Paris, damals Metropole und Sehnsuchtsort für junge Lebenskünstler und Zugereiste aus aller Welt. Dort will er sich als Porträtfotograf etablieren, was ihm zeitweise gelingt. Aber er entdeckt auf seinen Streifzügen auch Paris auf seine Weise: Es entstehen detailbestimmte Stadtbilder, die sich total von den üblichen, bildfüllenden Stadtmotiven unterscheiden. Er fotografiert für einen Modeschöpfer auf der Weltausstellung und konzentriert sich schließlich in den beiden Vorkriegsjahren auf Stillleben und Fotogramme. „Wols, Fotografie hat immer einen ‚abseitigen‘ Blick, ihn hat Dramaturgie interessiert, weniger Mode oder Prominente“, so Hering. In wenigen Jahren entsteht in Paris sein fotografisches Werk. Als unerwünschter Ausländer führt er allerdings ein weitestgehend entbehrungsreiches Leben, zwischen Polizeimeldestelle und Internierungslager, weshalb er sich das Pseudonym „Wols“ zulegt und worauf letztlich seine Alkoholsucht zurückgeführt wird. 

Ab 1945 betätigt sich Wols ausschließlich nur noch als Maler. Nach einer Entziehungskur 1951 stirbt er mit 38 Jahren. Seine Fotografien und Negative haben aber in einem Pariser Keller überdauert. Nach seinem Tod werden sie auf den ersten drei documenta-Ausstellungen und 1958 auf der Biennale in Venedig gezeigt.

Immer wieder vergessen, erlebte sein fotografisches Werk im letzten Jahr besonders mit der Dresdener Jubiläumsschau eine Auferstehung. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verwahren das fotografische Werk Wols, von über eintausend Arbeiten aus dem Nachlass seiner Schwester. Siebenhundert davon sind im Martin-Gropius-Bau zu sehen, auch für Kenner der Fotografie eine Entdeckung. Darunter Fotogramme, die bereits hin zur Gegenstandslosigkeit in der Fotografie führen. Das macht Wols zu einem Wegbereiter der sogenannten informellen Kunst, was allerdings erst nach 1945 in seiner Malerei Bedeutung erlangt.

Reinhard Wahren 

 

Ausstellung

Wols Photograph. Der gerettete Blick
Bis 22. Juni 2014
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7, 
10963 Berlin

 

58 - Frühjahr 2014
Kultur