Berlins Problembaustellen

Die Bautätigkeit in Berlin hat anscheinend einen Tiefpunkt erreicht. Ursache sind vor allem wichtige Großprojekte des Senats, die durch Planungsfehler, Missmanagement, Kostenexplosion und politische Kontroversen in der öffentlichen Kritik stehen.

Großflughafen BER

Es sollte der modernste Flughafen Europas werden, ein Großflughafen für die Metropole Berlin. 1992 begannen die Planungen des BER mit einem Eröffnungstermin frühestens 2010 und Kosten von 2,4 Milliarden Euro. Seitdem stiegen die Kosten allein für das Terminal von 620 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden. Über die Höhe der Gesamtkosten gibt es noch keine sichere Aussage. Experten rechnen sogar mit rund fünf Milliarden Euro, die auf die Länder Berlin und Brandenburg sowie den Bund zukommen, denn die Nachtragsforderungen der vielen Baufirmen sind noch nicht berücksichtigt. Mehrere Male musste der Eröffnungstermin verschoben werden. Jetzt ist der 17. März 2013 anvisiert, aber noch nicht sicher. Dass das Berliner Prestigeprojekt schließlich so zum Desaster geriet, hat viele Gründe. Vier Wochen vor dem geplanten Eröffnungstermin 3. Juni 2012 waren erst 56 Prozent der Leistungen des neuen Flughafens funktionssicher. Und obwohl die Probleme auf der Großbaustelle lange bekannt waren, wurden sie von den Verantwortlichen offenbar bewusst ignoriert, und erst Sicherheitsbelange zwangen Aufsichtsrat und Flughafenleitung, den Eröffnungstermin zu verschieben. Als Reaktion darauf und den Imageschaden für die Stadt wurde der Planungsgemeinschaft gekündigt und der verantwortliche technische Leiter entlassen. Das entstandene Chaos mit Krisenmanagement und neu berufenem Technikchef zu ordnen und die Planungen neu zu organisieren, wird die Kostenexplosion weiter befördern, denn jeder Tag des Stillstands auf der Baustelle kostet Millionen. Hinzu kommen die Mehrkosten, die aus zusätzlichen Schallschutzmaßnahmen für 14 000 Anwohner resultieren und rund 600 Millionen Euro betragen werden.


Verlängerung der A 100

Das 3,2 Kilometer lange Teilstück der Stadtautobahn vom Dreieck Neukölln bis zur Elsenbrücke am Treptower Park sollte ursprünglich nach Planungen aus dem Jahr 2002 rund 260 Millionen Euro kosten. Allerdings war das Projekt von Beginn an politisch umstritten, begleitet von Klagen und Bürgerprotesten. So musste der anvisierte Baubeginn 2008 mehrmals verschoben werden. Neueste Kostenrechnungen gehen allerdings von 475 Millionen Euro aus, die der Bund laut Verkehrswegeplan zur Verfügung stellen will. Nach noch ausstehender Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über Sammelklagen im September mit positivem Urteil könnte in diesem Jahr noch Baubeginn sein. Realistischer ist allerdings ein späterer Zeitpunkt im kommenden Jahr.


Sanierung des Internationalen Congress Centrums

Warum das ICC seit 2001 öffentliches Streitobjekt ist, hat sicherlich nicht ausschließlich politische und auch nicht ausschließlich wirtschaftliche Gründe. Dass dennoch die Kontroverse um seine Zukunft nicht abriss, war nicht wirklich nachzuvollziehen, zumal ein Neubau nach Ansicht der Architekten mindestens das Dreifache einer Sanierung kosten würde. Außerdem steht weder seine Funktion noch sein wirtschaftlicher Erfolg, auch in Verbindung mit der Messe Berlin, infrage. Den asbestbelasteten Bau zu sanieren, sollte ursprünglich nur etwa 50 Millionen Euro kosten, dann 180 Millionen, schließlich werden es nach neuesten Planungen mindestens 300 Millionen Euro sein. Den Beginn der Sanierungsarbeiten verlegten die Planer zwischenzeitlich auf 2013, bei einer Bauzeit von drei Jahren. Aber auch das Jahr 2014 ist bereits im Gespräch. In Anbetracht bevorstehender Wahlen könnte jedoch die Zukunft des Internationalen Congress Centrums weiterhin ungewiss sein.


Humboldt-Forum

Nach jahrelang geführten Diskussionen über das Für und Wider, beschloss der Bundestag 2007 den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Die Kosten wurden auf 480 Millionen Euro geschätzt, Baubeginn sollte 2010 sein. Mit dem Schlossneubau sollte das sogenannte Humboldt-Forum entstehen, ein Ort für Kultur, Kunst und Wissenschaft, in Anlehnung an das geistige Erbe Alexander und Wilhelm von Humboldts. Damit stiegen auch die Gesamtkosten für das Großprojekt auf nunmehr 550 Millionen Euro, wobei 80 Millionen Euro durch Spenden aufgebracht werden. Nach den aktuellen Planungen sollen die Bauarbeiten offiziell im Frühjahr 2013 mit der Grundsteinlegung beginnen. Derzeit sind die Gründungsarbeiten in vollem Gange. Unklar ist noch die Gestaltung der Flächen rund um das Schloss. Seit dem 29. Juni 2011 informiert die temporär auf dem Schlossplatz aufgestellte Humboldt-Box über den Fortgang der Arbeiten. Mit der Fertigstellung des Humboldt-Forums wird 2019 gerechnet.


Tempelhofer Feld

Nutzung und Umgestaltung des Tempelhofer Flughafengeländes gehört seit der Schließung des Flughafens zu den Dauerthemen der Stadtentwicklung. Favorisiert wurde zeitweise der Bau einer neuen Zentral- und Landesbibliothek. Kosten: 270 Millionen Euro. Auch die Internationale Gartenbauausstellung auf dem Tempelhofer Feld 2017 auszurichten, war eine Option. Schließlich sollte eine Parklandschaft mit künstlichem See, Bäumen, einem Kletterfelsen u. a. entstehen. Alle Projekte scheiterten schließlich an den Kosten und am Widerstand der Bevölkerung. So bleibt das Tempelhofer Feld sicher noch lange so, wie es derzeit von den Berlinern und Touristen genutzt wird: zum Inline-Skaten, Joggen, Fahrradfahren, Gärtnern oder zum Grillen. Allerdings bietet sich das Areal sehr gut für Wohnungsneubau an. Dafür setzen sich derzeit sowohl der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen als auch die Industrie- und Handelskammer ein. Konkrete Pläne existieren aber noch nicht.


Zukunft der S-Bahn

Seit 80 Jahren gehört die S-Bahn zum Berliner Nahverkehr. Ständige Ausfälle und Störungen in den vergangenen Jahren sorgten allerdings für Überlegungen, Teilstrecken zu privatisieren. Weil die Verträge des Landes mit der Deutschen Bahn 2017 auslaufen und derartige Aufträge seit geraumer Zeit europaweit ausgeschrieben werden müssen, beschloss der Senat, einen künftigen Betreiber für die Ringbahn und die Anschlusslinien nach Schönefeld zu suchen. Dieser soll auch die Finanzierung neuer Züge übernehmen. In welcher Weise die Investitionssumme in Höhe von 600 Millionen Euro aufgebracht werden soll, ist noch unklar. Eine Erneuerung des Fuhrparks ist dringend nötig, hängt aber in erster Linie vom künftigen Betreiber ab. Den schnell zu finden, ist sicher illusorisch. Spekulationen, die BVG könnte sich am Bieterverfahren beteiligen, sind sicher abwegig, denn das Nahverkehrsunternehmen schreibt derzeit rote Zahlen: 2011 betrug der Verlust 71 Millionen Euro. So werden Störungen und Ausfälle im S-Bahnbetrieb noch längere Zeit zum Berliner Alltag gehören.


U5-Verlängerung

Die Verlängerung der U-Bahnlinie 5 vom Alexanderplatz bis zum Brandenburger Tor war wegen der enormen Kos­ten und des schwierigen Tunnelbaus immer umstritten, ging aber bereits auf Planungen aus den 1920er Jahren zurück. Nach voraussichtlicher Fertigstellung 2019 wird sie dann auf die bereits existierende U55 stoßen, die weiter zum Hauptbahnhof führt. Auf der nur 2,2 Kilometer langen Strecke entstehen drei neue Bahnhöfe: Berliner Rathaus, Museumsinsel und der Kreuzungsbahnhof von U6 und U5, der U-Bahnhof Unter den Linden. Im April hat der Rohbau dieses besonders heiklen Projekts begonnen. Tunnelbauten waren in Berlin wegen des Untergrunds immer schlecht kalkulierbar. So sind zwar die Gesamtkosten vorerst mit 433 Millionen Euro ge­plant, doch Experten rechnen am Ende mit höheren Kosten.

Reinhard Wahren

 

52 - Herbst 2012
Stadt