Sprich mit ihr

Unsere Haut ist Abgrenzungs- und Schutzorgan und sorgt für inneres Gleichgewicht. Wenn es ihr gut geht, denken wir nicht an sie, außer vielleicht morgens und abends beim Blick in den Spiegel. Was aber, wenn sie sich bemerkbar macht, juckt, Ausschlag bekommt und mehr will, als nur ein bisschen Pflege? Schnell sichtbar wird das am ganzen Körper, aber zu allererst im Gesicht.

Der Trend, nur ein Mal pro Woche zu baden und ansonsten die Drei-Punkt-Wäsche anzuwenden, also sich nur das Gesicht und unter den Armen zu waschen, hat durch Hollywood gerade sein Comeback gefeiert. Zwar hatte dieser den Umwelt-Aspekt des Wassersparens zum Ziel, aber würde das nicht auch an Pflege und Hygiene reichen? Hat der menschliche Körper nicht ausreichend Reinigungs-, Selbstheilungs- und Resetprogramme in sich? Wäre es nicht gesünder, der Haut sein ganz eigenes Klima zu lassen? Antonella Chammas, Kosmetikerin mit Leib und Seele und Inhaberin eines eigenen Kosmetikstudios im Prenzlauer Berg, lacht. „Natürlich kann man das so machen, aber die Umweltfaktoren, mit denen wir leben, Stress, Staub, Lärm sprechen dagegen und auch der eigene Anspruch: Wir wollen jung bleiben, makellos sein, uns schön fühlen und strahlen.“

Alles eine Frage der Routine

Das Schönfühlen und Strahlen fängt beim Gesicht an. Mit dem Gesicht zeigen wir uns der Welt. Stets allen Umwelteinflüssen ausgesetzt, ist es der Teil der Haut, der die größte Aufmerksamkeit - und Routine braucht. Damit ist das immer gleiche wiederkehrende Ritual zur morgendlichen und abendlichen Pflege gemeint. „Das Minimum an Pflege“, so Chammas, „ist eine hautfreundliche, zum Hauttyp passende Reinigung, ein klärendes Gesichtswasser sowie die abschließende Pflege. Ein Gesichtswasser ist deshalb wichtig, weil das Wasser in Berlin zu kalkhaltig ist. Außerdem sollten ab dem 35. Lebensjahr Ampullen Teil der Routine werden, ganz nach Bedarf, weil ab diesem Alter die Haut bereits anfängt zu altern und Unterstützung braucht“, so Chammas und fährt fort, „alle Produkte, außer die der Sonnenpflege, sollten mit einer speziellen Technik einmassiert werden.“

Ewige Jugend

Hintergrund ist, dass sich auch unter der Gesichtshaut Muskeln befinden, die nicht vergessen werden sollten, damit Hängebäckchen und Nasolabialfalten für lange Zeit tabu bleiben. Spezielle Tutorials für diese Art Massagen findet man auf YouTube.  „Gesichts-Yoga und spezielle Massagegriffe helfen, dass das Gesicht straff und definiert bleibt“ sagt auch die Bloggerin Christina Schmid in ihren Trainings-Videos auf YouTube und fügt hinzu: „Dein Gegenüber achtet immer auf deine Haltung und taxiert unterbewusst die Konturen im Gesicht. Daran werden letztendlich das Alter und die Vitalität einer Person festgemacht.“ Chammas ergänzt: „Neben den Gesichtsmuskeln wird oft auch die Pflege von Hals und Händen vergessen. Ein Fehler, denn hier ist das Alter besonders zu sehen.“

Was aber ist das Geheimnis der ewigen Jugend? Gibt es Hausmittel, die Wunder bewirken? Chammas mag den Spruch ihrer Großmutter, angelehnt an ein Zitat von Paracelsus, die Dosis macht das Gift und fügt hinzu „Eigentlich geht es immer um ein gepflegtes und gesundes Aussehen.“

Warum dann noch zur Kosmetik gehen?

Natürlich kann man Zuhause so manches dafür tun. Eine Kosmetikerin hat jedoch einen ganz anderen Blick. Sie schaut durch eine spezielle Lupenlampe auf die Haut und kann selbst die Beschaffenheit der Blutgefäße sehen. Gepaart mit Erfahrung und Wissen hilft sie, das richtige Pflegepaket für jede Problematik, jeden Wunsch und jede Haut zu finden, ganz egal, ob es um Mann, Frau oder Jugendliche geht oder um Akne und um Anti-Aging. „Eine Pflege mit einer fünffachen Hyaluron-Säure eignet sich perfekt als Anti-Aging Produkt, zu einer Rosacea passt es jedoch nicht“, weiß Chammas. Sie denkt auch, dass Produkte aus den Drogeriemärkten wenig hilfreich sind. Wenn das so wäre, „würden alle Kosmetikstudios damit arbeiten.“

Neben der Kosmetik gibt es noch viele weitere Behandlungsmethoden, um seiner Wunschhaut nah zu kommen. Gerade ist die jährlich stattfindende Beautymesse in Düsseldorf zu Ende gegangen. Ein Schwerpunkt der Messe war, neben Behandlungsmethoden rund um die Fußgesundheit, das Clean-Beauty Prinzip nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Also nachhaltige Produkte, die schon während der Herstellung auf schädliche Substanzen verzichten und trotzdem mehr Können.

Macht Zucker Falten?

Gute Kosmetikstudios ziehen persönliche Vorerkrankungen, Vorlieben und Empfindlichkeiten der Kunden in die Behandlung mit ein. Eine perfekte Pflege ist unter diesem Aspekt nicht nur gut zur Haut, sondern steigert das Wohlbefinden. Riecht sie gut, tut sie gut, mag ich sie, das sind die ganz individuellen Faktoren. „Wer seine Haut darüber hinaus unterstützen möchte, sollte ausreichend schlafen, glücklich sein und mit gesundem Essen für einen guten Bluthaushalt und Stoffwechsel sorgen“, so Chammas, denn spezielle Hautprobleme brauchen eine spezielle Ernährung. Wer diesen Zusammenhang versteht, wird auch gut für seine Haut sorgen. „Bei einer zu Akne neigenden Haut sollte auf Tiermilch, Zucker und Weißmehl verzichtet werden“, weiß Chammas aus Erfahrung mit ihren Kunden „und bei Rosacea gilt es, die innere Hitze zu minimieren und alles, was die Blutgefäße erweitert, zu vermeiden.“ Das bedeutet u.a., dass bei diesem Hautbild heiße Getränke und scharfe Gewürze nicht auf dem Speiseplan stehen sollten. Auch der Zuckerkonsum ist für den Körper, einschließlich der Haut nicht gut. Glykation nennt sich der daraus resultierende Prozess. Eine schnellere Faltenbildung ist die Folge. Einen festen Platz hat Zucker dennoch in der Kosmetik eingenommen. Er ist die Basis der Sugaring-Methode zur Haarentfernung.

Kratz mich

Wieso ist eigentlich das Kratzen der Haut gefährlich? „Weil die Haut dabei verletzt wird und so Bakterien und Keime, die sich unter den Fingernägeln befinden, in die offene Wunde gelangen können“, weiß die ehemalige Psychologin einer Hautklinik Marina Lippold. Wenn es unvermeidbar ist, dem Drang zu Kratzen nachzugeben, ist es besser, die betreffende Stelle der Haut mit der flachen Hand leicht zu schlagen oder eine Entspannungsmethode für sich zu finden, bei der die Gedanken umgelenkt werden, so die Expertin. Immer spielen die Gedanken eine Rolle, schließlich hängen Haut und Seele eng zusammen. Die Sprichwörter in unserer Sprache weisen schon den Weg dahin: „Es kratzt mich, dass…“ „Das… geht mir unter die Haut“… Jeder kann diese Aussagen für sich ergänzen. Was aus der Haut fahren lässt, sind Sorgen, Zeitdruck und ein Zuviel an Anforderungen im Alltag. Spätestens, wenn die Haut zeigt, dass es ihr nicht gut geht, sollte ein Spezialist zu Rate gezogen werden. Rosarias, Schuppenflechte, Skin Picking – das alles sind ernstzunehmende Krankheiten, die bei Nichtbehandlung chronisch werden und Auswirkungen bis hinein in das Familienleben haben können. Für eine Behandlung gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Schulmedizin, Heilpraktiker, Ayurveda… eine jede hat Lösungen und doch ist der erste Schritt, selbst mit seiner Haut zu kommunizieren. Oder einfacher ausgedrückt: Sprich mit ihr.

Abgrenzen und Entspannen

„Immer wenn ich meine Arbeit in der Öffentlichkeit präsentieren soll, bekomme ich Ausschlag.“ „Immer wenn meine Schwiegermutter kommt, juckt meine Haut.“… Die Haut ist ein Abgrenzungsorgan. Sie macht offensichtlich, wie die Qualität der Beziehungen ist, die wir führen, zu uns selbst und zu anderen. „Die Haut spiegelt wider, was im Körper geschieht. Immer“, bestätigt Chammas. Entspannung ist eine gute Möglichkeit, unsere Haut nicht nur zu akzeptieren und sie als Partner im Gesundungsprozess anzuerkennen, sondern sie positiv zu beeinflussen. Dabei helfen Visualisierungstechniken, Traum- und Fantasiereisen und autogenes Training. Heute geht das zu jeder Zeit per App. „7Mind“ zum Beispiel bietet nicht nur geführte Meditationen, Gedankenreisen und Schlafgeschichten in vier Sprachen an, sondern verschiedene Präventionskurse zum Stressmanagement, die von den Krankenkassen finanziell unterstützt werden. „Über 10.000 Studien belegen: Meditation macht fokussierter, kreativer, glücklicher und zufriedener“, so heißt es bei 7Mind. Das zeigt sich dann auch in der Haut.

Endlich Urlaub

Auch eine wohltuende Maske, passend zum Hauttyp ist Entspannung. Das liegt nicht nur daran, dass diese für Frische und Vitalität sorgt, sondern gleichzeitig die Haut in konzentrierter Form mit Wirkstoffen versorgt. Und - es ist Zeit für sich, wenn sie weg vom Alltag genossen wird. Für den langen Urlaub gilt: Nicht die Urlaubssonne ist das Hautproblem, sondern das stundenlange Sonnen untrainierter Haut von Jetzt auf Gleich. Besser also, sich schon vor dem Urlaub ab und zu in die Sonne zu setzen. Natürlich gut geschützt und dann feststellen, wie schön es ist, Zeit für sich zu haben. Und für seine Haut.

Barbara Sommerer

 

Information
Kosmetikstudio: www.achbeauty.de
Entspannt per App: www.7mind.de
Trends sowie aktuelle Studien zu Haut und Haar an der Berliner Charité gibt es auch unter der Berliner Leben App.

 

89 - Sommer 2022