Forderungsmanagement versus Insolvenz

Die Insolvenzentwicklung in Deutschland ist seit 2010 zwar rückläufig. Im Jahr 2012 mussten 29 500 Unternehmen Insolvenz anmelden. Dabei zeigt ein Blick auf die Ursachen, dass mehr als 25 Prozent auf Zahlungsausfälle zurückgehen, die die betroffenen Betriebe hinnehmen mussten. Nicht anders sehen die Zahlen für Berlin und Brandenburg aus: Auch hier kamen rund ein Viertel der 1 890 Unternehmensinsolvenzen zustande, weil die Betriebe ihre Außenstände nicht einholen konnten. Somit gehören Forderungsausfälle zu den Haupt­ursachen für wirtschaftliche Einbrüche. Dabei wären sie vermeidbar gewesen.

Versäumnisse im Forderungsmanagement können gerade kleine und mittelständische Unternehmen die Exis-tenz kosten. Wie entstehen sie? Die meisten Betriebe kommen ihren Kunden und Geschäftspartnern entgegen, indem sie ihnen kurzfristige Darlehen unterschiedlichster Art anbieten: Sie gewähren Lieferanten- bzw. Warenkredite oder räumen Zahlungsziele von 30 bis 90 Tagen oder mehr ein. Der Kunde zahlt gerne später – und manchmal zu spät oder gar nicht.

Die klare Schlussfolgerung lautet: Um die eigene Liquidität zu gewährleisten, müssen Unternehmen solche Ausfallrisiken minimieren und sich anbahnende Verluste frühzeitig erkennen. Neben zunächst einmal der erfolgreichen Geschäftsidee ist das Rechnungs- und Forderungsmanagement also die Basis für effektives wirtschaftliches Handeln. Ob nun ausgelagert oder innerbetrieblich, verwaltet es die kurzzeitigen Kredite, realisiert offene Forderungen und wirkt Ausfällen im Voraus entgegen. Je frühzeitiger und vorausschauender es agiert, desto wirkungsvoller ist das Forderungsmanagement und desto weniger kommt es zu negativ behafteten Mahn- und Inkassoverfahren sowie zu Forderungsverlusten.

Mangelnde Zahlungsmoral von Kunden führt zu Liquiditätsproblemen in Unternehmen

Das Zahlungsverhalten von Geschäftspartnern und einseitige Abhängigkeiten von Auftraggebern können für kleine und mittelständische Unternehmen zum Risiko werden. Viele Betriebe klagen aufgrund des schleppenden Zahlungsverhaltens von Kunden über einen reduzierten Cashflow. Lediglich 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland hat keine Forderungsverluste hinzunehmen. Die Mehrheit hingegen muss verspätete oder unvollständige Zahlungseingänge sowie Totalausfälle verkraften. Klarer Nachteil: Viele und vor allem kleinere Betriebe können diesen Umstand nur schwer mit Rücklagen auffangen. Die gute Nachricht aber lautet: Im Gegensatz zu anderen, überbetrieblichen Insolvenzursachen – wie etwa negativen Konjunktureinflüssen, tarifpolitischen Lohnauswirkungen oder Steuer- und Sozialkostenbelastungen – lassen sich Forderungsausfälle durch ein aktives und vorausschauendes Kreditmanagement minimieren oder ganz vermeiden. Kurz gesagt: Wer das Problem strukturell anpackt, kann es in den Griff bekommen.

Für ein zielorientiertes Forderungsmanagement sind verlässliche Auskünfte zum Zahlungsverhalten von potenziellen Geschäftspartnern und Kunden unverzichtbar. Denn oft liegt der Fehler auch in innerbetrieblichen Fehleinschätzungen, beispielsweise wenn die Zahlungsmoral oder die Möglichkeiten von Kunden überschätzt werden. Die Folgen sind hohe, ungeplante Außenstände und Forderungsverluste. Das wiederum hat unmittelbare Folgen für die Privatwirtschaft. Unternehmen, die Forderungsausfälle hinnehmen müssen, können ihren Lieferanten- und Bankkrediten selbst nicht mehr nachkommen. Langfristig bedeutet das für einen Betrieb den Verlust von Kunden und Lieferanten und nicht zuletzt der eigenen Kaufkraft.

Die eigene Existenz sichern: Forderungsmanagement optimieren – Zahlungsausfälle minimieren

Damit aus unkalkulierbaren Ausfallrisiken keine Ertragseinbußen oder gar Folgeinsolvenzen entstehen, ist die Implementierung eines aktiven Forderungsmanagements notwendig. Ziel des Kredit- oder auch Forderungsmanagements ist letztendlich die Vermeidung von Forderungsausfällen. Konkret bedeutet das, die Ein- und Auszahlungen sowie Finanzierungs- und Kreditsicherungskosten dauerhaft zu optimieren. Neben dem reinen Finanzgeschäft ist eine interne Kommunikation ebenso wichtig: Andere Geschäftsbereiche, insbesondere die Marketing- und Verkaufsabteilung, stets über Außenstände auf dem Laufenden zu halten, ist die Grundlage dafür, dass das Wissen um zahlungsunwillige oder zahlungsunfähige Kunden nicht verloren geht und vor künftigen Vertragsabschlüssen berücksichtigt werden kann.
Bei der Organisation des Forderungsmanagements sind drei Aspekte zu berücksichtigen: Kundenauswahl, Vertragsgestaltung und Rechnungslegung mit Zahlungsverfolgung. Bei der Kundenauswahl geht es in erster Linie darum, sich ein genaues Bild über den Vertragspartner zu verschaffen. Schon eine exakte Erfassung der Geschäftsdaten und ein Blick ins Handels- und Gewerberegister liefern erste Informationen. Zusätzlich lassen sich über eine Wirtschaftsauskunftei Anhaltspunkte über die Bonität und die Verlässlichkeit des Geschäftspartners und seines Zahlungsverhaltens einholen. Im zweiten Schritt müssen Risiken bei der Vertragsgestaltung erkannt und im Voraus geregelt werden.

Auch bei der anschließenden Rechnungslegung zahlt sich Genauigkeit aus: Der Rechnungsinhalt sollte möglichst identisch mit dem Angebot sein. Eventuell höher ausfallende Beträge müssen nachvollziehbar aufgeschlüsselt werden. Zeitlich sollte die Rechnungslegung eng an das Datum der erbrachten Leistung anknüpfen. Aktualität zählt: Wer sich projektnah und rechtzeitig um Außenstände kümmert, erhöht die Chancen, offene Forderungen zu realisieren, erheblich. Die Wahrscheinlichkeit, ausstehende Forderungen tatsächlich durchzusetzen, nimmt mit jedem verstreichenden Monat deutlich ab. Statistisch belegt: Eine Forderung, die über neun Monate nicht beglichen wurde, wird sich mit über 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr einholen lassen.

Resümierend lässt sich demnach feststellen, dass Unternehmen, die ein aktives Forderungsmanagement betreiben, ihr Risiko, selbst zahlungsunfähig zu werden, erheblich verringern. Hier liegt also ein deutlicher Zugewinn an Sicherheit und Stabilität, den es sich lohnt zu erlangen. Je frühzeitiger das Forderungsmanagement ansetzt (also bereits bei der Wahl des Vertragspartners) und je vorausschauender es gestaltet ist, desto besser die wirtschaftlichen Chancen für den Betrieb. Das eindeutige Ziel des Unternehmens muss heißen: Ausfälle gen Null minimieren – und tatsächlich den Gewinn aufs Konto zu holen, den es gemacht hat.

Hans-Ulrich Fitz

Die häufigsten Ursachen für Unternehmensinsolvenzen in Deutschland

Seit 2010 sind in Deutschland mehr als 90 000 Unternehmen insolvent gegangen. Laut einer von dem Verband der Vereine Creditreform durchgeführten Befragung unter deutschen Mittelständlern sind die häufigsten Insolvenzursachen dafür aus innerbetrieblicher Sicht:

1. einseitige Abhängigkeiten von Kunden (59,5% der Befragten)
2. mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse (53,7%)
3. unzureichende unternehmerische Erfahrung (38%)
4. falsche Investitionsentscheidungen (34,5%)
5. unzureichendes Rechnungs- und Mahnwesen (27,8%)
6. veraltete Produkte, schlechte Produktqualität (24,6%)

(„Creditreform Mittelstandsbefragung Sommer 2010“, Verband der Vereine Creditreform e. V.)
 

 

 

55 - Sommer 2013