Mäuseturm, Vanilleeis und Schwiegermutter

Beeskow muss man entdecken wollen. Die Stadt drängt sich nicht auf. Gelegen 80 Kilometer östlich von Berlin im touristischen „Niemandsland“ zwischen Spreewald und Oder.

Größter touristischer Anziehungspunkt in Beeskow ist zweifellos die mittelalterliche Wasserburg. In der ältesten Urkunde der Stadt aus dem Jahr 1316 ist sie bereits erwähnt. An diesem altehrwürdigen Ort auf der Spreeinsel soll die Stadterkundung denn auch beginnen. Der Blick vom Bergfried der Burg ist beeindruckend. Auf der einen Seite die Altstadt mit der mächtigen Marienkirche aus Backstein, der Stadtmauer und den gut erhaltenen Stadttürmen, auf der anderen Seite die Spree und ausgedehnte Wälder. Überregional machte in der jüngeren Vergangenheit aber nicht die mittelalterliche Bausubstanz von sich reden, vielmehr waren es die wechselnden Ausstellungen mit DDR-Malerei. Es ist das Verdienst des ehemaligen „Burgherren“ Herbert Schirmer, sie als historische Zeugnisse bewahrt zu haben. Ein ehemaliger Getreidespeicher gleich neben der Burg beherbergt ein riesiges Depot mit 23 000 Gemälden. Ein Neubau wäre dringend notwendig. Die Geschichte des Kunstarchivs Beeskow begann nach der Wende, als mit der Auflösung von DDR-Institutionen viele Kunstwerke herrenlos wurden.

Nicht weit vom romantischen Burghof entfernt steht seit über 500 Jahren die Marienkirche. 1511 ist sie fertiggestellt worden. Was die Dimensionen betrifft, braucht das Bauwerk den Vergleich mit den Kirchen von Fürstenwalde und Frankfurt (Oder) nicht zu scheuen. Seit 1945 war Beeskows große Backsteinkirche eine Kriegsruine geblieben. Vor allem dem unermüdlichen Engagement eines Mannes ist es zu verdanken, dass sie heute wieder der Stolz der Stadt ist. Der heute 73-jährige Knut Krüger erinnert sich: „Gleich 1991 haben wir die Gunst der Stunde genutzt. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat uns einen Scheck mit einer sechsstelligen Summe überreicht. So konnten wir das Dach wieder raufsetzen.“ Wenn er davon spricht, ist er noch heute sichtlich gerührt. Dieses Gotteshaus ist sein Lebenswerk. Jetzt geht es um die Innenausstattung und die Orgel. Natürlich ist Krüger der Vorsitzende des entsprechenden Fördervereins. Der Erlös regelmäßig stattfindender Benefizkonzerte kommt St. Marien zugute. Für sein Engagement ist der gelernte Architekt 2005 mit der Silbernen Halbkugel des „Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz“ ausgezeichnet worden. Wenige Meter von der St. Marienkirche entfernt befindet sich das älteste Haus der Stadt, ein geducktes Fachwerkhaus, das nach dem letzten großen Stadtbrand von 1513 erhalten geblieben ist. Heute steht es wochentags und am Wochenende auf Anmeldung Besuchern offen. Über den weitläufigen Marktplatz der Stadt geht es in die Klostergasse zur Mönchsherberge. Ein schmuckloses Backsteinhaus, das einst Wandermönchen Unterkunft bot und Anfang Mai 1862 einen berühmten Logiergast aufnahm: Theodor Fontane. Später notiert er über seinen Besuch in der Kleinstadt: „Beeskow ist   

nicht so schlimm, als es klingt.“ Mit diesem Satz, heute gern zitiert, hat es eine besondere Bewandtnis. Beeskow war bei den Fontanes familiär hochgradig belastet. Ein Kapitel, über das man gerne schwieg. Wie kam es dazu? Theodor Fontanes Frau Emilie stammte aus einer dort ansässigen Familie. Sie war als uneheliche Tochter einer Pastorenwitwe und eines in der Stadt stationierten Militärarztes zur Welt gekommen und als Dreijährige zur Adoption freigegeben worden. Eigentlich hätte den Dichter der Mark die Geschichte seiner Schwiegereltern interessieren müssen, gerade weil der Großvater seiner Frau einst aus Frankreich ins Märkische kam. Französische Wurzeln also die Eheleute Fontane verbanden. Emilies Großvater, Jean Pierre Barthélemy Rouanet, stammte aus einer wohlhabenden Familie in Toulouse. Auf der Flucht vor Soldatenwerbern kam er unter abenteuerlichen Umständen nach Preußen und stieg zum Stadtkämmerer in Beeskow auf. Während der napoleonischen Kriege zwischen 1806 und 1813 erwarb er sich das Vertrauen der französischen Offiziere und setzte Erleichterungen für die Einwohner durch. Seine Tochter Therese heiratete einen Pfarrer, der früh verstarb. Danach folgte die Liaison mit dem bereits erwähnten Garnisonsarzt, aus der Fontanes Frau hervorging. Rouanets noch heute im Buchhandel erhältlichen Lebenserinnerungen tragen den schönen Titel „Von Toulouse bis Beeskow“. Das ortsansässige Gymnasium trägt seinen Namen, Schüler pflegen sein Grab in der Nähe des Luckauer Tores. An der Stadtmauer angekommen, sollte man ihrem Verlauf unbedingt folgen. Es geht vorbei an diversen geschichtsträchtigen Punkten, wie dem Münzturm und dem Storchenturm, bis hin zum achteckigen Mäuseturm. Woher der Name? Hier wurde einst das Korn der Stadt gelagert und ehe es zu Brot verbacken werden konnte, hatten allzu oft die Mäuse die Vorräte dezimiert. Insgesamt sechs mittelalterliche Stadttürme sind in Beeskow erhalten, so viele wie in keiner anderen märkischen Stadt. Verstecken muss sich Beeskow wahrlich nicht, mit und ohne Fontane.

Information

Burg Beeskow Winter-Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr

 

Kulinarisches

Kulinarisch wartet Beeskow mit einigen für eine Brandenburger Kleinstadt erstaunlichen Überraschungen auf. Direkt am Ufer der Spree erwartet die „Wasserwelt“ ihre Gäste. Gute regionale Küche ist hier genauso zu haben wie ab und an Ausflüge in die molekulare Welt des Kochens. Als Events gibt es immer wieder auch Themenabende, so zum Beispiel das Dunkeldinner, den Märchenabend oder die Karibische Nacht. Wer es vom Ambiente her gemütlicher und rustikaler mag, der ist in der historischen „Kirchenschänke“ gut aufgehoben. Neben Fleisch und Fisch wird auch eine kleine Auswahl an vegetarischen Gerichten geboten. 

Überregionale Bedeutung aber hat ein Beeskower Eiscafé erlangt. Im „Schukurama“ gibt es das beste Vanilleeis Deutschlands. Das jedenfalls hat ein Wettbewerb ergeben, in dem sich die Beeskower gegen die italo-deutsche Konkurrenz durchsetzen konnten. Das „Schukurama“ ist eine gelungene Mischung aus Café, Lounge und Kino. Das Erfolgsrezept beschreibt Ralf Schulze, einer der Gründer, so: „Du darfst in der Provinz nicht mit einem provinziellen Angebot kommen.“

Information

www.wasserwelt-beeskow.de
www.kirchenklause-beeskow.de

 

57 - Winter 2013/14