Kino mit Charakter – Der neue alte Zoo Palast

„Das fühlt sich etwa so an, wie mit zwei Händen vierhändig Klavier zu spielen“, sagt die Architektin Anna Maske und beschreibt damit ihre virtuose Aufgabe. Sie gestaltete mit ihrem Team, das in der Schlussphase auf 14 Mitarbeiter anwuchs, den alten, neuen Zoo Palast. Das Kino am Bahnhof Zoo, 1957 erbaut, ist ein Symbol für den Aufbruch West-Berlins in ein neues Selbstbewusstsein.

Stars wurden ermuntert, den Weg nach Berlin zu gehen und für Strahlkraft der Stadt zu sorgen: Sophia Loren, Gary Cooper, Rita Hayworth und, und, und. Hier fanden die großen politischen Auseinandersetzungen der Berlinale statt, wie 1970 um Verhoevens Film „o.k“. Im Streit darum trat die Jury zurück und der Wettbewerb wurde abgebrochen. Mitte der 1970er Jahre öffnete sich die Berlinale Richtung Osten, auch DDR-Filme liefen im Wettbewerb. Der Bau: auch ein Spiegel der europäischen Geschichte. Und nicht zu vergessen die Millionen erster Küsse, schüchtern oder leidenschaftlich, die dieses Kino gesehen hat. Neben der emotionalen Wirkung, die dieser Bau zweifellos hat, ist er auch architektonisch höchst interessant, wegen der zwei ineinandergeschobenen Säle wurde er auch „Klappstulle“ genannt und ist das Meisterwerk des Berliner Architekten Gerhard Fritsche. 14 Lichtspieltheater hat er in den 1950/60er Jahren gebaut und umgebaut. Sein erstes Werk war das „Kiki“ (Kino im Kindl). Und hier folgt die Architektin Anna Maske seinen Spuren – sie baute das „Kiki“ zur Astor-Filmlounge um, dem Berliner Kino mit mondänem Wohnzimmercharakter. Auftraggeber zur Astor-Filmlounge war Hans-Joachim Flebbe, der nun auch gemeinsam mit Max Knapp beim Zoo Palast den Hut auf hatte. Und deren Grundidee ist, das Kino wieder zum Lichtspieltheater, zu einem ganz besonderen Ort des Kunstgenusses und Wohlfühlens zu machen. Anna Maske, die Architektin, versuchte nun mit ihren virtuosen Fähigkeiten, die emotionale Berliner Historie, das Denkmal und den neuen Kinocharakter unter einen Hut zu bringen. Und das ist immer konkret. Zum Beispiel die Kinosessel. Im original Zoo Palast waren sie zweifarbig, dunkler Rücken, heller Sitz. Oh, nein, sagten da natürlich die Bauherren. Aber Anna Maske gelang es, sie zumindest von der Zweifarbigkeit zu überzeugen. „Und für die Bauherren war es ein großes Aha-Erlebnis, denn der Raum verändert sich dadurch, wird lebendiger“, erzählt sie. Natürlich war der große Saal auch eine akustische Herausforderung. Holzpaneele und Samtbespannung – denkmalgeschützt, aber für einen Raumklang nicht eben förderlich. Dazu noch 350 Plätze weniger. Anna Maske kann kaum zählen, wie viele Modelle gebaut und verworfen wurden, bis man dahin kam, dass auf allen 850 Plätzen dieser unglaubliche 3-D-Effekt für die Ohren nun ankommt. Neben der Wiederherstellung der vier alten Säle standen auch drei neue auf dem Zettel. Wie sollen sie werden? Ultramodern im Gegensatz zum historischen Teil? Ganz der Geschichte angepasst? Man entschied sich so-zusagen für eine weitere Denkmalvariante und empfand alte Kinosäle nach. Einen aus dem Fritsche-Repertoire, der einst in Neukölln stand, einen zweiten, als Miniformat des Riesenkinos im „Haus Vaterland“, das in den 1930/40er Jahren am Potsdamer Platz stand und einen dritten, der viele historische Elemente enthält.

Eine schöne Idee, die den Zoo Palast nun endgültig zu einem ganz besonderen Kino macht, in dem es mehr als Filme gibt.

Martina Krüger

 

57 - Winter 2013/14
Stadt