Night in Europe – Aufbruch in der Opernszene

Mozart, Wagner und Co. haben es sich im deutschen Opernrepertoire bequem gemacht. Da ist wenig Platz für Neues. Die eine oder andere skandal-umwitterte Inszenierung stärkt den unantastbaren Ruf der Alt-Meister. Mozartfiguren in schrillen Outfits, eine Wagner-Bühne, die seine Musik noch an Dramatik übertreffen will, machen noch keine neue Oper. Die, so könnte man euphorisch meinen, findet man an der Neuköllner Oper und insbesondere beim Berliner Opernpreis, der alle zwei Jahre vergeben wird. Dieser Wettbewerb richtet sich an junge Komponisten, die in ihren Werken die gesellschaftliche Lebenswirklichkeit spiegeln. Beim 10. Opernpreis-Jahrgang galt es das Thema „Night in Europe“ mit Musik zu erfüllen. Mehr als 30 Arbeiten aus ganz Europa wurden eingereicht. Gewonnen hat das „Spin-off-collective“ aus Spanien mit „Go, Aeneas, go“. In Anlehnung an die Figur der griechisch-römischen Mythologie, deren Ziel die Gründung eines großen Römischen Reiches war, reist Aeneas heute durch Europa, ist bekümmert über die eingebrochene Begeisterung der Bürger und der Politiker. Er versucht zu überzeugen und erntet nur Frustration. Aktueller und politischer geht’s kaum. Für ihre Arbeit LUFT- _SCHLOSS / ERD_REICH nahm Verena Marissa, eine deutsch-brasilianische Künstlerin, den Förderpreis ent-gegen. Eine als musiktheatrale Installation angelegte Oper, die Börsenrausch und Casino-Mentalität zum Thema hat. Doch nicht nur das Thema ist es, das die Sache spannend macht. Es ist auch seine unkonventionelle Umsetzung. Für diese kollektive Zusammenarbeit mehrerer künstlerischer Gewerke gibt es noch keine Schublade. Birgit Jammes spricht von „der Zukunftsform der Oper, die in jeder Hinsicht über den Tellerrand hinausblickt“. Und mit Birgit Jammes, Sponsoringverantwortliche der Gasag, sind wir wieder bei den alten Meistern, denn ohne Förderung ging und geht damals wie heute nichts. Waren es seinerzeit einzelne Mäzene, ist es heute, und speziell beim Opernpreis das Berliner Energieunter-neh-men. 1997 begann die Zusammenarbeit mit der Neuköllner Oper, die in Berlin als außergewöhnlicher, kreativer Ort und für ungewöhnliches Musiktheater bekannt ist. Und vielleicht können sich diese neuen Opernformen doch ein kleines Plätzchen im Repertoire erobern. Zumindest „Go, Aeneas, go“ steht schon mal im November auf dem Spielplan des „Teatre Lliure“ in Barcelona. 

Martina Krüger

 

59 - Sommer 2014
Kultur