Mein Loft ist zu klein – Wohndimension im Wandel

Man sitzt in seinem Sesselchen, hinter einem das Bücher-regal, CDs stapeln sich in der Ecke, der Kleiderschrank beansprucht mehr Platz als ihm zusteht und das Bett darf ja nun bitte mindestens 140 breit sein. Man fühlt sich wohl in der Höhle und beengt. Da hilft nicht mal der Spiegel, der doch den Raum optisch aufbricht oder das Bild mit einem tiefenwirksamen Blauklecks neben Orange und Grün. Unterm Bett stapeln sich Schachteln und Skisachen. Spätestens da fällt einem womöglich der Satz ein, Träume dürfen groß sein.

So etwa lautete die Quintessenz eines Theaterstückes. Man muss sich nicht frühzeitig bescheiden. Man darf erstmal den Bogen weit spannen, der Fantasie Raum lassen und etwas wagen. Im übertragenen Sinn mag das auch für Wohnträume gelten. Weite, Großzügigkeit, Stauraum, ein bisschen Platz zum Herumlaufen und  die Gedanken dabei schwingen lassen. Daran kann nichts falsch sein!  Das hat ja noch nichts mit dem Quadratmeterhype zu tun, mit Dimensionen, die sich in den letzten Jahren als  Inch des Wohlfühlens breitgemacht haben. Viel, viel Platz ist  natürlich immer eine schöne Idee. Platz für alle! Das ist Büchners „Krieg den Palästen“, bloß umgekehrt. Und die Wohnungen wurden ja schon seit den Siebzigern größer, Häuser wuchsen in den vergangenen Jahren zu Villen und die Loftidee verbreitete sich von Brüssel bis Berlin, immer da, wo Industriekultur zu den Relikten einer nahfernen Vergangenheit gehört und Umnutzung Werte erhielt. Man hörte quasi landauf landab ein Wändeaufbrechen, das sich längst auch vom industriellen Ambiente in Richtung Dorfidyll verbreitet hat. Der  Leerstand allein von Leetzen bis Porschendorf  wartete nur darauf, neu entdeckt zu werden. Scheunentore auf! Und neues Leben rein! Platz ist ja da, man muss nur loslegen, und bröselige Ziegelfugen neu verschmieren, marode Dächer sanieren, Lehmböden frei- oder belegen. Landpioniere  haben Wohnraum da wieder entdeckt, wo allein noch die Zugvögel Quartier machten.  Keine Arbeit mehr, dann auch kein Wohnen, so sahen und sehen die verwaisten Landstriche aus, die zumindest hierzulande weniger werden.   Wer jetzt kommt,  ist quasi ein Neubauer oder sucht den Zweitwohnsitz gegen die urbane Geräuschkulisse. Wenn das Wohnumfeld beengt, braucht man ab und an einen weiten Horizont. Aber die Stadt war und ist die Wohnoption Nummer eins. Der Bedarf wächst und die Mieten steigen und neben den großen Wohnungen, den neuen Townhäusern, den ausgebauten Dachgeschossen  müssen nun die kleinen Behausungen heranargumentiert und vor allem wieder gebaut werden. Anleihen dafür gibt es in den Bauhausursprüngen, wo für einen Massenbedarf sinngebend konzipiert wurde, wo Gartensiedlungen farbig und durchdacht, aber nicht bunt gewürfelt entstanden, wo man zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gezwungen war, sympathische, menschliche Lösungen zu finden, obgleich gerade das menschliche Maß so schwer zu definieren ist.  Es ist eben keine feste Größe. Und selbst auf die Scheunenhausbauer kommt die Frage zu, wie kriegt man denn diese Häuser warm, wer will die Energiekosten bezahlen, funktionieren die Solardächer überall, wenn der Winter  seine zehn Grad minus samt Trübheit und Feuchte ins Land schickt? Und hat denn jeder wirklich einen Flügel mitten im Raum zu stehen? Oder baut sein Zuhause als Galerie und deshalb eher riesig? Mit der Hausimhausbauerei, der Verkleinerung ursprünglich und für andere Zwecke gedachter Großdimensionen kann man sich ein behagliches und charmantes Wohnen arrangieren. Hier sitzt der Hamster, dort, nein überall spielen die Kinder, wenn Gäste kommen, ist sowieso genug Platz, man rückt zusammen. Vermutlich musste noch nie ein Besucher unbehaust auf der Türschwelle den Abend verbringen. Die Remisen als ländliche Kleinformate geraten auch deshalb wieder ins Blickfeld.

Das Kleine hat also gewissermaßen da Konjunktur, wo das Große ausverkauft ist, unbezahlbar wird, der Vernunft (etwa Energiebedarf, Arbeitsaufwand, Altersgerechtheit) eklatant widerspricht oder einfach Unbehaglichkeit beschert. So verschieden die Gründe, so verschieden natürlich auch die Akzeptanz. Aber eine Bresche für das Maßvolle haben Architekten seit einigen Jahren schon geschlagen und Designer sind ihnen mit flexiblen Möbeln, mit weniger wuchtigen Dimensionen mit Modulen und Multifunktionsmöbeln – nein, nicht der Multifunktionstisch aus den Achtzigern, den man noch einmal bei „Good bye, Lenin“ in Funktion erleben durfte, aber eben doch irgendwie sinnverwandt – entgegengekommen. Hybridmöbel können heute zugleich Hocker und Stehlampe sein. Kleine Räume groß zu machen, dafür gibt es viele Ideen, die vom Farbkonzept, von der Öffnung des Raumes (Flur, Wohnraum, Küche als ein Ganzes) bis hin eben zu Klappmöbeln, Ausziehtischen, kleinen Laptoptables, zierlichen Sesseln, Bettcouch oder filigranen Lampen reichen. Um sich nicht im Klein-Klein zu verlieren, gilt hier neu die Devise, weniger ist mehr und dafür darf es auch mal ein großzügiges Teil sein, das den Raum akzentuiert. Man möchte sagen, Kajütenbauer vor! Sie haben die größte Erfahrung damit, wie man beengten Raum optimiert. Allerdings  können sie das Meer als Rundumfaktor dazu denken und somit Platz genug für weitreichende Träume.

Anita Wünschmann

 

60 - Herbst 2014