Ankunft im Amerika Haus

Nach fast zwei Jahren ohne eigene Ausstellungsräume hat C/O Berlin sein neues Domizil im Amerika Haus in Charlottenburg bezogen. Grand Opening für das international berühmte Austellungshaus für Fotografie am 30. Oktober in der Hardenbergstraße  – und ein „Endlich!“ Auch ein Staunen! Solch elegante Räume, licht, großzügig, fantastisch für die Fotografien! 

Was er seit dem Auszug aus dem Postfuhramt in Mitte am meisten vermisst habe? Auf diese Frage antwortet Stephan Erfurt unumwunden: das Publikum! „Unser Stammpublikum und die Gäste.“

Die neue Fotokunstmeile in Charlottenburg beginnt nun gleich, wenn man den Bahnhof Zoo verlässt, einmal um die Ecke schaut und dann im Amerika Haus anlandet. Sie setzt sich mit der Helmut-Newton-Stiftung und dem Museum für Fotografie, mit Camera Work und Lumas sowie etlichen Galerien fort. Die UDK liegt fast gegenüber. Ein Europäisches Zentrum für Fotografie baut sich wie ein Puzzle  zwischen Hardenberg-, Kant- und Fasanenstraße zusammen. Die City West tut, was sie kann, um nicht allein auf den Ku’damm, auf Glamour-Shoppen und die tollen Jahre von einst reduziert zu werden, und  das Team um Stephan Erfurt freut sich über das neue Haus: „Wir trugen jahrelang viele Projekte wie in einem Schatzkoffer herum, zum Beispiel unsere Schule des Sehens. Jetzt können wir loslegen und explodieren fast vor Ideen. Bis 2016 sind wir ausgebucht.“ 

Mit Orange und Türkis und der offenen Glasfront zur Hardenbergstraße präsentiert sich das restaurierte Haus und offeriert den Beginn besserer Zeiten. Denn jahrelang herrschten Stillstand und Ratlosigkeit. Bierflaschen und Müll auf grauen Terrassenplatten und schulterzuckende Passanten, wenn man nach dem Amerika Haus fragte. Immerhin galt das Gebäude, erbaut  in den Fünfzigern mit Marshallplanmitteln nach Plänen des  Architekten Bruno Grimmek, als ein kulturelles Highlight im Westberlin der Nachkriegszeit, dazu geschaffen, den Deutschen die Augen für eine demokratische Kultur zu öffnen. In der legendären Bibliothek gab es Literatur, die zwanzig Jahre zuvor verbrannt wurde. Das Haus fungierte als kulturelle Begegnungsstätte und konnte auf Gäste wie Willy Brandt, John F. Kennedy und auf Ausstellungen mit Lyonel Feininger oder in den Sechzigern mit Jackson Pollock verweisen. Kultur diente in Zeiten des Kalten Krieges der Polarisierung, und die positive Aufbruchstimmung  kippte mit dem Ausbruch des Vietnam-Kriegs. Die guten Zeiten waren schneller vorbei als gedacht. Spätestens seit dem 11. September 2002 verfiel das Amerika Haus in Agonie, bis 2013 das Land Berlin – inzwischen Eigentümer – die denkmalgerechten Sanierungsarbeiten übernahm.

Einundzwanzig Jahre wird nun C/O Berlin hier als Mieter residieren dürfen und mit den Fotoschauen ein internationales Fenster der Stadt zeigen. Darum schweben auch die Lettern des neuen Mieters über dem denkmalgeschützten Schriftzug, erklärt Stephan Erfurt. Das renommierte Fotoinstitut, zu dessen Kuratorium Peter Lindbergh und der Berlinaledirektor Dieter Kosslick gehören, hat den Innenausbau selbst übernommen. Mit 1 Million Euro Lottomitteln und einem zinslosen Darlehen von 300 000 Euro, mit Crowdfunding (130 000 Euro) sowie privatem Sponsoring wurde fast schon die komplette Summe von 2,5 Millionen aufgebracht, um fotokunstgerechte Bedingungen und 2300 Quadratmeter Ausstellungsfläche  zu schaffen, 20 Prozent mehr als am alten Standort. 

Die freigelegte Betonrippendecke aus den Fünfzigern strukturiert den großen Ausstellungssaal. Es wurde neuer Raum geschaffen und die Eingangsfront zur Straße hin geöffnet.  Ein großzügiges Entree  vereint Museumsshop und Café.  Vier Ausstellungen warten auf das Publikum!  Etwa „Magnum. Contact Sheets“. Erstmalig werden in Deutschland Kontaktbögen legendärer Magnumfotografen wie Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, Josef Koudelka gezeigt. „Man kann sehen, wie sie ihr Glück provoziert haben“, sagt Stephan Erfurt, der selbst 15 Jahre als Fotograf für die FAZ tätig war. „Es ist eben interessant, was hinter dem ikonenhaften Einzelbild steht!“ Zur Eröffnungs-Vier gehört auch Will McBride. Er war der erste Fotograf, der 1957 im Amerika Haus sein Bild vom Nachkriegs-Berlin offerierte.  „Ich war verliebt in diese Stadt“ vereint heute neben den prominenten Fotos auch noch nie gezeigte Arbeiten des Amerikaners.

Anita Wünschmann

 

Information 

Zur Wiedereröffnung gibt es gleich vier Schauen: „Magnum. Contact Sheets“ zeigt über Kontaktbögen spannende Einblicke in die Arbeitsweise renommierter Fotografen. „Ich war verliebt in diese Stadt. Berlin in den 1950er Jahren“ zeigt Arbeiten von Will McBride. „Picture Yourself“. Jeder Besucher kann später sein originales Magnum-Porträt ausgedruckt oder als digitale Datei mitnehmen. Und eine vierte Ausstellung ist den Nachwuchstalenten gewidmet. Gezeigt werden Fotografien von Luise Schröder und Texte von Hannah Petersohn.

 

60 - Herbst 2014
Kultur