Rasante Ente

Die Kellner singen mit Herzblut, als ginge es um ihr Leben, alle 1,7 Sekunden verlässt eine Vorspeise die Küche und ein Servicemitarbeiter legt hier an jedem Abend rund zehn Kilometer zurück. Alles für die Gäste. Die sollen es schön haben, alle Jahre wieder im „Palazzo“-Zelt von Hans Peter Wodarz und Küchenchef Kolja Kleeberg („VAU“). Das Duo ist erprobt und erfolgreich und nach einem Jahr der Enten-Abstinenz gibt es wieder Geflügel. Und für die Macher gab es dafür Applaus bei der Premiere. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier und er mag, zumal im Winter, Ente. 

„All you can sing“ heißt die neue Show, die nach Jahren am Hauptbahnhof nun neben der O2-World  ihren Stellplatz gefunden hat. 

Sternekoch Kolja Kleeberg und seine Brigade kochen auf und erfreuen die Gourmet-Herzen mit vier Gängen: Zum Auftakt gibt es gebeizten Ikarimi-Lachs mit Roter Beete, Sauerrahm und Dill, danach orientalische Linsensuppe mit Petersilien-Minz-Falafel und Joghurt, der Hauptgang ist die vielgerühmte Ente (Brust und geschmorte Keule mit Egerlingen, Perlzwiebeln, Speck-Bâtonnets und Spinat-Törtchen) und zum Dessert einen gebrannten Schokoladen-Brownie mit Pistaziencreme, Exotic-Sorbet und Bitterorangenschaum. 

Sterneküche für die lieben Gäste. Nur einer mag keine zahlenden Menschen: Lutz Jope ist in Berlin kein Unbekannter, er stand schon in vielen Wodarz-Shows unter der Kuppel des Spiegelzeltes. „Ich hasse Gäste!“, stellt er gleich zu Beginn der Show klar. „Ich mag auch keine Kinder, denn irgendwann werden sie groß und dann werden sie Gäste!“ Wir haben verstanden! Und amüsieren uns königlich mit dem Oberkellner, der dann auch noch selbstbewusst „I'm too sexy for my shirt“ singt. Ungleich charmanter ist Chantall, die durch die Show führt und mit ihren Kontorsionskünsten verblüfft. 

Die Show geht viel zu schnell zu Ende, was an der rasanten Abfolge der Gänge und Showeinlagen liegt – keine Sekunde Langeweile, versprochen! Die Mustache Brothers aus Brasilien präsentieren atemberaubende Artistik und Slapstickeinlagen, das ukrainische Duo „ARS“ begeistert mit einer Strapatennummer, Kilian Caso ist ein Meister der Balance und präsentiert in Berlin fesselnden Seiltanz.

Der argentinische Jongleur Paul Ponce ist einer der besten Jongleure der Welt und bei der Luftakrobatik-Darbietung von Yuliya Raskina aus Weißrussland vergisst man glatt das Dinner. Die Zwillinge Jenny und Sara kommen aus Schweden begeistern mit einer faszinierenden  Kontorsionsnummer und immer wieder erobern die Künstler-Kellner die Bühne: All you can sing! Verglichen mit „all you can eat“ ist das eine erfrischende Idee. Bis März gastiert die Show in Berlin und ist die ideale Plattform für Firmen-Weihnachtsfeiern, eine fulminante Silvesterparty oder einen fröhlichen Abend mit Freunden. Dass der Oberkellner keine Gäste mag, sollte man elegant ignorieren. Er meint es nicht so. Er kann nur nicht anders.

Silvia Meixner

 

60 - Herbst 2014
Kultur