Befreundet bemuttert gerettet

Kulturfördern richtig

Die Gasag ist als Energieversorger allgegenwärtig, seit über 160 Jahren in Berlin ansässig. Ihr verdankt die Stadt sozusagen die erste öffentliche Erleuchtung – 1926 brannten die ersten Gaslaternen von Unter den Linden bis zur Schlossbrücke.

Aber das Traditionsunternehmen tut noch mehr für die Stadt, es engagiert sich in der Kunst und Kultur, und zwar schon sehr lange und besonders in der innovativen, jungen Szene Berlins. Seit fast zwei Jahrzehnten fördert der Energieversorger Projekte, die jenseits des Mainstreams die Kulturstadt Berlin bereichern. Zum Beispiel vergibt er seit 2009 gemeinsam mit der Berlinischen Galerie den Gasag-Kunstpreis an Künstler, die sich an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst bewegen. Mit der Neuköllner Oper sorgt das Unternehmen dafür, dass das Musiktheater neue Impulse erhält. Diese Oper ist Trendsetter und Unikum zugleich. Der „Berliner Opernpreis“, den die beiden Einrichtungen alle zwei Jahre vergeben, bietet dem künstlerischen Nachwuchs, der immer wieder neue Formen und Inhalte für das altgediente Genre Oper erfindet, eine Plattform. Internationales Aufsehen ist garantiert. Und schließlich ist die Gasag Partner des Grips-Theaters, der ersten Adresse für Kindertheater in der Stadt. Hier wird Theater gemacht, das sich mit den aktuellen Problemen der jungen Theaterbesucher befasst. Der Berliner Kindertheaterpreis ermuntert Autoren, Stücke für Kinder zu entwickeln, die nicht nur im Grips-Theater zu sehen sind, sondern deutschlandweit. Besonders interessant an der Förderung, die mit Geld unterstützt, ist die enge Zusammenarbeit zwischen Kultur- und Wirtschaftsunternehmen. Einen Preis von Juroren vergeben zu lassen, wäre simpel und vermutlich schnell gemacht. Dem Opernpreis und dem Kindertheaterpreis gehen aber Wettbewerbe voran, das heißt, dass viele junge Künstler dazu angeregt werden, sich mit einem bestimmten Thema längere Zeit zu befassen. So ist die künstlerische Ausbeute für alle größer. Die Gasag hat ihr Kulturengagement für die nächsten zwei Jahre verlängert. Somit sind alle Projekte finanziell gesichert. Das Gewicht der Botschaft ist vor allem der Situation geschuldet, in der sich der Energiedienstleister im Zusammenhang mit den Gasnetzkonzessionen für 2015 befunden hat.

Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner lobt die Kulturförderung des Unternehmens, denn schließlich bereichere sie die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln. Vermutlich würde es weder den Berliner Opernpreis noch die anderen Wettbewerbe ohne den Energiedienstleister geben.

Gasag-Vorstandsvorsitzender Stefan Grützmacher beschreibt das Engagement als Teil des Selbstverständnisses des Unternehmens. Sind es nicht gerade einzigartige Initiativen und unternehmerische Mut, die ein Produkt, wo auch immer es zur Geltung komme, wirklich erfolgreich machen? Lobenswert ist, dass sich hier vorurteilslos mit Kunst befasst wird, fern von vordergründigem Heischen nach Image zu Profilierungszwecken. Volker Ludwig, Geschäftsführer des Grips-Theaters erzählt eine schöne Anekdote aus der Anfangszeit. Als die Scouts kamen und meinten, die Gasag würde möglicherweise das Theater sponsern, war die Skepsis groß. Was würde als Gegenleistung erwartet werden? Große Events mit Promiauflauf? Das war nicht die Sache des Grips-Theaters. Die Befürchtungen haben sich schnell zerstreut. Die Gasag entwickelte nämlich gemeinsam mit dem Theater einen Wettbewerb, der viele Autoren einbindet und alle zwei Jahre zum Berliner Kindertheaterpreis führt. Inzwischen haben sich die Preisträger auch durch die Republik gespielt. „Ohne Moos nix los“, ein Stück über Kinderarmut, 2010 uraufgeführt, gehört zu den erfolgreichsten Stücken. 2014 gab es 110 Einreichungen für den Kindertheaterpreis. Das ist absoluter Rekord. Eine Jury um den Schauspieler Axel Prahl, der, als er noch nicht berühmt war, am Grips spielte, entschied sich für vier Autoren, die nun gemeinsam mit erfahrenen Theaterleuten weiter an ihren Manuskripten arbeiten. Und im Frühjahr 2015 wird der Sieger gekürt. Vorher sind sie zu verschiedenen Workshops eingeladen, besuchen Schulen, haben Publikumsgespräche – kurz: ihre Spielvorlagen werden von Fachpublikum intensiv geprüft. Es entstehen neue Stücke von jungen Autoren für ein junges Publikum. Die Gasag macht keinen Hehl daraus, dass sie auf die Jugend setzt. Querdenkende junge Menschen in ihrem Tun zu befördern, davon haben alle etwas. Und noch eine Besonderheit der Kultur-Förderung: Die Stücke werden zur Aufführung gebracht, sowohl beim Kindertheaterpreis als auch beim Opernpreis. Auch dies ist nicht selbstverständlich, viele Sponsoren stellen nur Mittel für eine künstlerische Teilarbeit zur Verfügung. Die Gasag denkt da, auch auf Anregung der Partner, komplexer. Praktisch von der Idee bis zum Endprodukt. Ist eigentlich ganz logisch, denn auch Gas kann nicht irgendwie losgeschickt werden – es muss letztlich auch in der Wohnung wärmen.

Volker Ludwig ist in seinem Lob fast schon rührend: „Wir fühlen uns befreundet, bemuttert, verstanden und bisweilen sogar gerettet, je nachdem. Die Gasag ist mit ihrem Sponsoring-Konzept einzigartig in Berlin. Und unersetzbar.“ Und das sagt ein Mann, der das moderne Kindertheater begründet hat, es seit 1969 leitete, erst 2012 den Intendanten-Posten niederlegte und jetzt Geschäftsführer ist. Also ein Mann, der sich mit Berlin und all seinen Wechselfällen bestens auskennt.

Martina Krüger

 

61 - Winter 2015
Kultur