Trimm dich!

Die gute alte Kniebeuge war lange weg. Sehr lange. Manchmal sah man beinahe verschämt ältere  Menschen ein paar davon machen. Und vielleicht noch einen Klimmzug. Man hat sie heimlich belächelt. Wo es doch Aerobic, Zumba und Faszien-Training gibt! Jetzt ist die Kniebeuge zurück. In Begleitung einiger anderer, wohlerprobter Übungen, die den Körper beinahe mühelos fit halten sollen. Wer Trimmy kennt, ist vorne mit dabei. Alle anderen lesen sich in die Trimmdich-Philosophie ein.

Eigentlich ist es ganz einfach: In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wäre niemand auf die Idee gekommen, auf ein Laufband zu gehen oder indoor Rad zu fahren – auf einem Rad, das sich keinen Meter vom Fleck bewegt. Begleitet von lauter Wummer-Musik, die einem die Hörfähigkeit raubt, Tritt für Tritt. Wozu drinnen ein Laufband aufstellen, wenn es einen Wald gibt? 

Wenn der Mensch genug hat von all den Segnungen der Moderne, fragt er sich gern, was die Menschen eigentlich früher getan haben, um fit zu bleiben. Die Antwort lautet: Tennis. Waldlauf. Volleyballspiel. Oder: Trimm dich. Es ist ein Phänomen der 70er-Jahre, die gelebte Überzeugung, dass man für Sport nur frische Luft und den eigenen Körper braucht. Bei genauer Betrachtung muss man sich schon fragen, warum Tapeten und Einrichtungsgegenstände von damals schon längst wieder en vogue sind während Trimmy ein bisschen länger gebraucht hat, um neue Fans um sich zu scharen. Vielleicht war er draußen, laufen ...

Mit seinen Klamotten würde der Trimm-dich-Mann im 21. Jahrhundert in jedem besseren Fitnessstudio belächelt werden: Er sieht aus wie Loriot, den seine Gattin mit dem Ratschlag „Du wolltest doch mal an die frische Luft“ in die Sportkleidung des Großonkels gesteckt hat. Nicht, weil sie schön wäre, sondern weil sie noch gut ist. Rote kurze Hose mit weißem Seitenstreifen, Rudershirt. Keine Techno-Uhr, keine Superschuhe. 70er-Jahre halt. Und weil alles Gute irgendwann wiederkommt, trimmen wir uns wieder. Blick zurück mit einem Lächeln, wenn man alte Fotos sieht: Kinder quälen sich tapfer durch schlammige Waldwege, Papi übt sich derweil entschlossen im Schnellgeher-Stil und am Ende gibt es eine erfrischende Wasserdusche. Aus dem Eimer, nicht aus einem Duschkopf, der durch Farbenspiele und Musik bezaubert. Trimm dich, das waren und sind keine Spezialdrinks, keine Atmende Kleidung, kein Hyper-Müsli-Vitaminriegel, sondern Sport pur für den modernen Menschen. Rumpfbeuge, Kniebeuge, Beckenkreisen – einfach und effizient. Danke, Trimmy.

Die Idee verdanken wir dem Wirtschaftswunder. Der Deutsche Sportbund startete im März 1970 die Krankheitspräventionsaktion „Trimm Dich – durch Sport“, um den Auswirkungen der Wohlstandsgesellschaft entgegenzuwirken; immer mehr Menschen litten an den Folgen von Übergewicht, den gefürchteten Kreislauferkrankungen. Weil die Wochenarbeitszeit verkürzt worden war, hatte die Deutschen plötzlich mehr Zeit zur Verfügung. Warum nicht mal Bockspringen, Wald- oder Dauerlauf ausprobieren? In der Blütezeit der Trimmdich-Bewegung gab es landesweit 1 500 Anlagen, als neue Sportarten aufkamen, geriet Trimmy in Vergessenheit, obwohl er neun Millionen Landsleute dazu animiert hatte, den Wackelpudding stehen zu lassen und loszulaufen.

Einige der Pfade trotzten Witterung und Verfall und können heute noch genutzt werden. Auch in Berlin gibt es alte – und seit einiger Zeit sogar neue Trimmpfade. Im Park im Schatten des Gasometers auf der Roten Insel in Schöneberg zum Beispiel warten neue Fitnessgeräte darauf, ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis zu stellen. 

Nach der Arbeit schnell den Rücken trainieren? Kein Problem. „Laufen ohne Schnaufen“, so hieß einer der Trimmy-Werbesprüche vor 45 Jahren. Am Wochenende an der frischen Luft fit werden? Geht in Berlin mühelos. 

Silvia Meixner

 

Information 

Freiluft-Workoutmöglichkeiten:
www.trimm-dich-pfad.com/standorte/kartenansicht/berlin

 

62 - Frühjahr 2015