Lichtgestalt

Der Industriedesigner Ingo Maurer gilt als „Poet des Lichtdesigns“. Seit Mitte der 1960er-Jahre entwickelt er  Lampen, Lichtsysteme und Objekte, die er als Unternehmer in der eigenen Firma in München und in New York herstellt und weltweit vertreibt.  Seine Tischleuchte „Bulb“ befindet sich in der ständigen Sammlung des Museum of Modern Art (MoMA).  Berühmt wurde  der streitbare Designer  ebenso durch sein Statement in der Glühlampendebatte wie durch avantgardistische LED-Leuchten. 

Menschen benötigen warmes Licht, heißt es. Benötigen Sie es immer?

Dazu eine Geschichte: Ich habe mal eine wunderbare Lichtoper von James Turell gesehen. Sie war hinreißend, sanft, lautlos. Man sah die Bewegungen in zauberhaften Pastelltönen. Eine grandiose Lichtmischung. Technisch wirklich hervorragend! Aber ich hätte da auch einmal gern einen harten weißen Strahl gesehen.

Ihre Kritik an der Abschaffung der Glühbirne war legendär ...

Die Glühbirne steht für eine unglaubliche Symbiose aus  Poesie und Technik. Mit ihrem Sterben starb das letzte Feuer. Das Licht hat ja mit dem Feuer angefangen und nun sollte es gänzlich verschwinden und dafür kam ein schreckliches Licht. Inzwischen gibt es eine Glühbirne mit LED, die mir außerordentlich gut gefällt. Ihr Design ist fabelhaft, obwohl wir noch immer ganz am Anfang stehen.

Ihre erste OLED-Leuchte aus dem Jahr 2006 schwebt behutsam unter der Decke und heißt „Flying Future“. Dann kam 2008 die ebenfalls aus Modulen gefertigte Tischleuchte „Early  Future“. Stehen beide für Zukunftsoptimismus? 

Wir gelten als Avantgarde und die Produzenten kommen zu uns und bitten uns, gemeinsam etwas zu entwickeln. Auch mit den organischen Leuchtdioden waren wir die Ersten. Ich bin einfach extrem neugierig.

Sie haben zuerst mit Modulen von Merck, dann mit Osram Opto Semiconductors und schließlich mit transparenten OLEDs von Novaled gearbeitet.  Worin besteht das jeweils Besondere?

Die OLEDs, die wir bisher bekommen haben, waren immer in der Stückzahl begrenzt, sie kamen nicht aus der Serienproduktion, sondern sozusagen aus dem Labor. Schon deswegen war es immer spannend und etwas Besonderes, damit arbeiten zu können. Auch von unserer Seite waren es gestalterische Experimente. Sie hatten verschiedene Formen und andere Eigenschaften wie die Transparenz, oder Flexibilität. Dieses Jahr haben wir ein Objekt mit OLEDs von Konica-Minolta gemacht, in dem sich die Leichtigkeit und Flexibilität dieser Panels widerspiegelt. Whis-per Wind ist wie ein Ast mit OLED-Blättern, die sich im Wind bewegen. 

Stagniert die OLED-Branche?

Nein, sie stagniert nicht. Es wird gebaut und gebaut. Nur der Preis ist immer noch zu hoch. Ich glaube an OLED. Das Licht der Organic Light Emitting Diode hat sich in letzter Zeit stark verbessert.  Für mein Empfinden fehlt es aber noch an Tiefe. Es ist zu monoton. Ich möchte, dass es uns gelingt, eine  Symbiose aus Poesie und Funktion herzustellen. 

OLED oder LED? Kann man sagen, die Leuchtdioden avancieren zum Leuchtmittel des 21. Jahrhunderts oder geht die Zeit darüber hinweg?

Alles ist in Bewegung. Es gibt keine besseren Zeiten! OLED wird eine Rolle spielen, aber nicht die gleiche wie LED. Alle machen jetzt in LED. Man kann es kaum noch hören. Ich habe meine erste LED-Lampe 1997 für das Wohnen „Belissima Brutta“ getauft – die „Schöne Hässliche“.

Am Anfang Ihres Schaffens ging es mehr um das  Lampendesign als um das Licht an sich?

Die Frage nach der Form  war anfangs wichtiger. Ich habe das als einen Fehler erkannt. Es geht um ein Gleichgewicht.

Wann kamen die berühmten Federn dazu?

Sie meinen unsere geflügelte Glühbirne „Lucellino“? Die Idee kam mir 1992. Für mich drücken die Flügel die Leichtigkeit, aber auch Flüchtigkeit des Lichts aus. 

Müssen wir alle Physiker werden, um das richtige Licht für das Zuhause zu finden und Watt und Lumen zu unterscheiden?

Nein, nein! Wenn wir uns zu sehr mit diesen Dingen beschäftigen, würde uns das total überfordern. Es würde uns belasten. Wir müssen unser Zuhause genießen mit gutem und möglichst langlebigem Licht. 

... und den Designern vertrauen, dass sie neue Leuchtmittel und  E27-Fassung in Übereinstimmung bringen?

Natürlich sind wir Lichtmacher darum bemüht, dass es auch einfach zu handhaben ist. Ganz wichtig ist, dass eine Lampe dimmbar ist. Vor mehr als 20 Jahren haben wir beispielsweise „TouchTronic“ entwickelt und als Patent angemeldet. Heute benutzt es jeder. 

Was leistet IRC, das sogenannte Infrared Reflective Coating?

Es macht die Dinge erträglicher. IRC ist eine Technik, welche die Leuchtkraft der Halogenbirnen erhöht und damit effizienter macht. Das ist mittlerweile Standard. LEDs sind aber immer noch deutlich sparsamer im Verbrauch.

Mit welchem Licht kann man sich zu Hause wohlfühlen?

Ich glaube, dass ein gutes Licht die Seele zum Summen bringt. Es ist oft noch ein weiter Weg dahin, weil die Leute sich nach wie vor einfach  ein Oberlicht an die Decke hängen und sich wundern, dass sie sich nicht wohlfühlen. Günstig ist es, das Licht unterhalb der Augenhöhe zu positionieren oder zu mischen. Es ist dabei kein Diktat. Man muss seine Wahrnehmung  und Empfindsamkeit entwickeln. 

Sie agieren auf den internationalen Märkten von Asien, Amerika, Europa. Gibt es lichtästhetische Differenzen?

Vielleicht ist der asiatische Markt ein ganz klein wenig anders. Der Architekt Richard Meier baut in Korea ein Wellness-Hotel an der Küste und wir haben ganz aktuell Vorschläge für den Innenraum gemacht. Man entwickelt immer wieder neue Ideen oder benutzt neue Technologien, weil hier die Zeit ganz besonders rasend schnell voranschreitet. 

Danke für das Gespräch.

Anita Wünschmann

 

62 - Frühjahr 2015