Himmel mit Berlin

Das Upper West am Breitscheidplatz wird mit 119 Metern Höhe und 33 Etagen ein Gebäudeensemble mit dem benachbarten Zoofenster bilden. Architekt für den städtebaulichen Entwurf und die Fassadenplanung ist Christoph Langhof, von KSP Jürgen Engel Architekten stammt der Entwurf des Hochhauses. [Foto: Berlin-vis-à-vis]

Berlin ist keine klassische Hochhausstadt. Mit ihrer gründerzeitlichen Blockrandbebauung ist die Hauptstadt in großen Teilen flach, überschaubar und europäisch. Ein Citystädtebau nach amerikanischem Vorbild war historisch nicht möglich und und auch nicht erforderlich.Bald aber muss der Himmel mit Berlin rechnen. Denn der Wind hat sich gedreht, es gibt neue Hochhauspläne. 

Jetzt hat Hans Kollhoff den Masterplan für den Alexanderplatz überarbeitet. Weil Häuser aus der DDR-Zeit inzwischen saniert und Baudenkmale sind wie das Haus des Berliner Verlages und das Haus des Reisens, entstehen nur noch acht neue 150-Meter-Türme, teilweise mit neuem Standort. Satellitenplätze werden als Trittsteine und Rückzugsräume rund um den Alexanderplatz angelegt und sollen den Stadtraum zwischen den Hochhäusern attraktiver machen. Das ist neu und zeigt, dass es um die Weiterentwicklung des öffentlichen Raumes zwischen den Hochhäusern ging, wie die stadtentwickungspolitische Sprecherin der Linken, Katrin Lompscher, resümiert. An der Idee vom Hochhaus-Ensemble hält man dennoch fest. „Anpassen, nicht verwerfen“, sei die Devise gewesen, sagt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Unterdessen gibt es für die Hochhäuser keinen einzigen feststehenden Baubeginn. Die russische Monarch-Gruppe hat zwar seit Jahren einen Bauvorbescheid für ihren Alexa-Tower, den Ortner & Ortner für den Standort am gleichnamigen Einkaufszentrum entworfen haben. Und am Elektronikfachmarkt Saturn möchte der US-amerikanische Investor Hines von Stararchitekt Frank O. Gehry einen glänzenden, in sich verdrehten Wohnturm mit 250 Luxuswohnungen platzieren. Doch die Verhandlungen mit der BVG, die durch die Bauarbeiten am Turmfundament Schäden am U-Bahntunnel der U5 befürchtet, dauern an. 

In der City West läuft das anders. Hier werden Hochhäuser nicht nur geplant und entworfen, sondern auch gebaut. Das 118 Meter hohe Zoofenster mit dem Waldorf Astoria wurde 2013 fertiggestellt. Das Upper West kann demnächst Richtfest feiern. Und der Glaube an den 209 Meter hohen und vom Bezirk verhinderten „Hardenberg Turm“ ist ungebrochen. „Das nehmen wir gar nicht ernst“, kommentiert AG City-Vorstand Gottfried Kupsch die ablehnende Haltung des Bezirks. Auch gingen die Abstimmungen mit Investoren weiter, sagt Upper-West-Architekt Christoph Langhof. Das Hardenberg-Hochhaus, auch von ihm entworfen, sei kein alltägliches Projekt, das dauere seine Zeit. „Ich bin zuversichtlich, dass wir den Hardenberg realisieren“, so Langhof. Der Architekt agiert in einem aktuellen städtebaulichen Ideenwettbewerb für das Areal zwischen Bahnhof Zoo und Fasanenstraße als Preisrichter. Es ist ein Studentenwettbewerb, der zur Typologie des Bauens keinerlei Vorgaben macht. Auf den nächsten „Hardenberg“ darf man gespannt sein, Ergebnisse gibt es im Februar. 

Türme der Ferne

Das größte Hochhaus Berlins wird nach aktuellen Plänen aber weder in der City Ost noch in der City West stehen. Mit 175 Metern will Ekkehard Streletzki am Hotel Estrel hoch hinaus. Hier haben Barkow Leibinger Architekten einen Realisierungswettbewerb gewonnen, der ein Hotelhochhaus für die Erweiterung des Estrels zum Ziel hatte. Das Interessanteste am Estrel Tower ist die Lage. Er entsteht am Wasser, dem Neuköllner Schifffahrtskanal, und daher mit begrünter Uferpromenade. Vor allem aber: JWD an der Sonnenallee. Und das bedeutet, Neukölln wird in Zukunft bis nach Mitte zu sehen sein. Umgekehrt freut sich Streletzki: „Wer künftig vom Hauptstadtflughafen ins Zentrum fährt, wird unser Estrel als Tor zur Stadt erleben.“ Die Baugenehmigung ist in Arbeit, und das Entwurfsmodell im Hotel ausgestellt. Nach seinem Bau mit weiteren 814 Zimmern wird der Estrel Tower zum höchsten Hotelhochhaus Deutschlands.

Auch der Standort der Hochhausgruppe The Square3 im Nordosten der Stadt liegt abseits vom Zentrum, wenngleich auch nur 4,5 Kilometer vom Alexanderplatz. Mit drei Hochhäusern in der Form eines Siegerpodestes baut die Moritz-Gruppe einen neuen Haupteingang fürs Sportforum Hohenschönhausen. Höchster Tower: 118 Meter, vertikal nicht niedriger als Zoofenster und Upper West. Die Siegertreppchen-Bauten haben seit 2013 schon drei hochkarätige Architektur- und Immobilienpreise gewonnen, im Dezember zuletzt den European Property Award in der Kategorie Mixed Used Architecture sowie im Bereich Development Marketing. The Square3 ist mehr als ein Hochhaus – eine Vision für ein neues urbanes Leben. Es ist aber auch eine „Landmark“ für Lichtenberg, die       Investor Dirk Moritz dem Bezirk überzeugend verkauft hat. „Was ist die städtebauliche Sprache der Stadt in den nächsten 20 Jahren“, fragt er und fordert ein klares Leitbild. Er will nicht die Stadt von gestern bauen. Das sieht man The Square3 an.

André Franke

 

65 - Winter 2016
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