Meister des Blickwinkels

Der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné ist jetzt 150 Jahre tot, aber seine Gärten und Parks gedeihen in Berlin und Brandenburg aufs Prächtigste. Überall, wo es in Preußen etwas zu pflanzen gab,  war auch Lenné, so scheint es zumindest. ​Für etwa 50 Gartenanlagen ist im Brandenburgischen seine planerische Beteiligung nachgewiesen. Bei zahlreichen anderen Parks wird eine Mitarbeit vermutet. „Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie heute noch als Lenné-Werke erkennbar sind, die meisten wurden verändert“, so der Gartenhistoriker und Lenné-Biograph Clemens Alexander Wimmer. 

Seine Karriere begann Peter Joseph Lenné, der aus einer alten rheinländischen Gärtnerfamilie stammt, 1816 als Gehilfe im Neuen Garten in Potsdam. Durch die Napoleonischen Kriege stand es um die Gärten nicht zum Bes-ten. Zu seinen bevorzugten Aufgaben gehörte das Zeichnen von Gartenplänen. Das besondere Talent des jungen Lenné fiel den verantwortlichen Hofgärtnern sehr schnell auf und schon zwei Jahre später wurde er zum Mitglied der Gartendirektion ernannt. Als Vorbild diente ihm, der Mode der Zeit entsprechend, der englische Landschaftsgarten. „Zusammenspiel von Bodenmodellierung, Wegeführung und Sichtachsen“, so umreißt Michael Seiler, lange Jahre Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Lennés Credo. Gerade durch das Anlegen von Sichtachsen sollten Bauwerke oder besondere Gehölze wirkungsvoll in Szene gesetzt werden. Für Lenné begann der Landschaftsgarten gleich am Gebäude, ohne dass Blumenbeete oder Pergolen den Übergang in den übrigen Park vermittelten. Hier gilt Lenné anders als sein Zeitgenosse Pückler-Muskau als Purist. Erst durch Interventionen der jeweiligen Nutzer musste er stellenweise von seinen Auffassungen ablassen.

Kurvenreich schlängeln sich die Wege durch das Gelände und geben immer wieder einen neuen überraschenden Blick frei. Als das erste Werk des jungen Gartenkünstlers gilt der  Schloss-park Klein-Glienicke, wo er konsequent den englischen Stil umsetzte. 1814 hatte der spätere Staatskanzler Fürst von Hardenberg das Anwesen gekauft und zwei Jahre später Peter Joseph Lenné mit dessen Umgestaltung beauftragt. Lennés Pläne aus dieser Zeit sahen vor, das Wohngebäude einzubinden in einen sogenannten Pleasureground, ein natürlich bewegtes Geländeareal mit Wiesengrund und Hügeln, zur Havel abfallend. Doch das war erst der Anfang. Nachdem einige Jahre später Prinz Carl von Preußen Besitzer des Anwesens war, kam es noch einmal zu tiefgreifenden Veränderungen. Neben umfangreichen baulichen Maßnahmen im italienischen Stil wurde auch der Park erweitert und umgestaltet. 

Glienicke indes sollte zum Vorbild werden für so manche andere Gartenanlage im damaligen Preußen. Nicht umsonst nannte Lenné diesen Park seinen „Augapfel“. Hier konnten sich die zumeist adeligen Auftraggeber ein Bild machen von dem, was Lenné liefern würde, und geliefert hat der überaus fleißige Mann allerorten. In Neuhardenberg genauso wie in Dahlwitz und Boitzenburg, wobei Potsdam und Umgebung immer im Zentrum seines Wirkens standen. Schließlich war er seit 1828 General-Gartendirektor der königlichen Gärten. Ein Gartenreich war Potsdam schon damals.

Kein Park sollte nur für sich allein stehen, so der Anspruch. Deshalb verlangten gerade auch die optischen Beziehungen der zahlreichen Gartenanlagen zueinander die Aufmerksamkeit des ersten Gärtners im Staate. Das betrifft die Sichtachsen des Glienicker Parks zur Pfaueninsel genauso wie zum Neuen Garten und zum Babelsberger Park. Ab 1825 gelang ihm eindrucksvoll die Integration des Charlottenhofer Parkteils in den Park Sanssouci.  Spätestens hier entwickelte er den sogenannten „gemischten Stil“. Lenné erweist sich mit zunehmendem Alter als Meister des Kompromisses. Geometrische und natürliche Gestaltungsformen finden sich in den überlieferten Planungsunterlagen nebeneinander. Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte persönlich landschaftsplanerische Ergänzungen in Lennés erster Zeichnung vorgenommen. Ihm schwebte vor, ein Stück Italien nach Preußen zu holen. Der ganz auf England bezogene Lenné beugte sich schließlich den Wünschen seines Auftraggebers. Noch heute beeindrucken die mächtigen, über 30 Meter hohen Platanen vor dem Schloss Charlottenhof. Sie sind einst unter der Ägide des Gartendirektors Lenné gepflanzt worden. Auf diesem Niveau gärtnern, das ist Handeln in die Zukunft.

Weil in Potsdam jeder Prinz seinen Rückzugsort verlangte, erhielt auch Prinz Wilhelm sein eigenes Schloss samt Park: Babelsberg. 1833 hatte Lenné die Gartengestaltung in die Hand genommen. Doch Wilhelm und seine Gemahlin Augusta waren unzufrieden. Fürst Pückler wurde um fachmännischen Rat gefragt. Dessen harsches Urteil: Zu monoton sei die Anlage, zu viel Rasen, zu wenig große Bäume. Dies war der Beginn einer Feindschaft.  Pücklers Kritik gipfelte gar darin, dass er feststellte, Lenné hätte den Garten besser gar nicht angelegt, sondern die Landschaft so belassen wie sie war. Im Folgenden riss der Kontakt zwischen den beiden Gartenheroen Brandenburgs gänzlich ab. Man mied sich. Erst im Alter kam es zu einer gewissen Wiederannäherung der Konkurrenten. Nicht zuletzt deshalb, weil auch Pückler auf die Erzeugnisse der königlichen Baumschule, der Lenné vorstand, angewiesen war. So bat er seinen Kollegen persönlich um die Zusendung von wildem Wein für seine Grabpyramide in Branitz. Gleichzeitig lud er ihn zu einem Besuch ein. Ob Lenné je gekommen ist, ist nicht bekannt. Der Wein jedenfalls wächst noch heute dort.

Karen Schröder

 

66 - Frühjahr 2016
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