Big Business Tierfrei

Der Berliner Jan Bredack gründete 2011 in Prenzlauer Berg den  ersten veganen Supermarkt Europas. Mittlerweile betreibt der ehemalige Daimler-Manager Läden in  ganz Deutschland, einen in Wien und einen in Prag und bald auch in London und Amsterdam.

Jan Bredack verzichtet nicht nur auf tierische Produkte, er vermeidet auch Zucker und Weißmehl. Aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen, sagt er, und weil ihm das Wohl der Tiere am Herzen liege. Seit 2008 lebt Bredack vegan, er erinnert sich noch gut daran, wie schwer es war, tierfreie Produkte in den Geschäften zu bekommen. Nach Recherchereisen vorwiegend in den USA, wo es in den Städten fast überall vegane Res-taurants und Lebensmittel gibt,  beschließt er mit einer Handvoll Mitarbeitern die Gründung des ersten veganen Supermarktes. Der Name: Veganz. Gemäß seinem Slogan „Wir lieben Leben“ gibt es in den Läden mit veganem Vollsortiment nur auf Pflanzenbasis hergestellte Produkte ohne tierische Inhaltsstoffe. 

Das war 2011. Seither ist Bredack Geschäftsführer, beschäftigt 220 Mitarbeiter und bietet in seinem Sortiment 4 500 zu 100 Prozent vegane Produkte vom Lupinenschnitzel bis zum tierversuchsfrei getesteten Lippenpflegestift. Seine Waren bezieht er von 260 Lieferanten aus über 30 Ländern. Das Unternehmen wächst rasant. Somit soll sich der  Vorjahresumsatz von 24 Millionen Euro in diesem Jahr auf 82 Millionen steigern. Eine Verdreieinhalbfachung. „Ich habe immer an die Idee geglaubt, hätte aber nicht für möglich gehalten, dass die Entwicklung so schnell voranschreitet“, sagt der 44-Jährige, der jetzt Filialen in London und Amsterdam plant, aber den Ausbau eines Filial-Netzes nicht weiter vorantreibt. Stattdessen möchte er sich verstärkt auf die Kooperation mit dem Einzel- und Großhandel von Lebensmitteln konzentrieren, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu veganen Produkten zu ermöglichen. „Das Big Business ist nicht unser Feind“, erklärt der Unternehmer, dessen tierfreie Waren jetzt auch bei der Drogeriemarktkette dm und Edeka in den Regalen zu finden sind. Kooperationen mit der Schweizer Coop-Gruppe, einer französischen, spanischen und österreichischen Kette sind geplant.  Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Lebensmitteln steigt, Fleisch- und Käsealternativen sind beliebt wie nie, vegane Restaurants finden seit Jahren großen Anklang und immer mehr Menschen interessieren sich für einen veganen Lebensstil,  was zeigt, dass es sich nicht nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt. 

In Deutschland sollen schätzungsweise mittlerweile bis zu 900 000 Menschen vegan leben. Dies  entspricht zwölf Prozent der Vegetarier und 1,1 Prozent der Gesamtbevölkerung. 

Bredack selbst ist zu dem Typ von Menschen geworden, die er früher als Extremisten bezeichnet hat, „die nicht alle Latten am Zaun haben“. Früher, als er noch Vertriebsleiter beim Autokonzern Mercedes war. Der gelernte Kfz-Schlosser baut nach seiner Meisterprüfung im Stuttgarter Daimler-Konzern den Lkw-Kundendienst auf und absolviert nebenbei einen Masterstudiengang an der Schweizer Eliteuniversität St. Gallen.  Mit 30 Jahren hat der in der DDR aufgewachsene Sohn eines Stasi-Mitarbeiters und einer Russischlehrerin als Vertriebs- und Service-Leiter Nutzfahrzeuge Deutschland insgesamt 100 Mitarbeiter unter sich und verantwortet ein Milliardengeschäft. In Tatarstan baut er das erste russische Nutzfahrzeugwerk auf. Bis er vor acht Jahren wegen Burn-outs einen radikalen Lebenswandel vollzieht. „Ich war ein ziemlich ausgebuffter Karrierist. Vom kleinen Ossi zum Millionär. Ich war ein Tierquäler, verantwortungsloser Familienvater, Angeber und Vertilger von Massentierfleisch vor dem Herrn“, schreibt er in seinem 2014 erschienenen Buch „Vegan für alle – Warum wir richtig leben sollten.“ 

Michaela Bavandi

 

66 - Frühjahr 2016