Das Erbe des Roggenkönigs

Familie von Lochow – Die Nachfahren des Roggenkönigs von Petkus setzen auf Landwirtschaft und Aktivurlaub im brandenburgischen Fläming. Die Landschaft ist karg. Ausgedehnte Felder und Kiefernwald. Kein See weit und breit. Ein wenig ragt der sandige Golmberg aus allem heraus. Mit 178 Metern die höchste Erhebung des Niederen Fläming. Was Touristen und Sportler indes anlockt, ist eine über 200 Kilometer lange Asphaltpiste, die sich durch die hüglige Gegend schlängelt. „Vergleichbares wie der Fläming-Skate ist in ganz Europa nicht zu finden“, sagt Ferdinand von Lochow, der mit seiner Frau Alexandra ein Skate-Hotel in Petkus besitzt.

Das Drei-Sterne-Haus verfügt über 18 verschiedenartige Zimmer und ein Res-taurant mit Biergarten. Einzelreisende sollen genauso angesprochen werden wie Familien und Gruppen. Wer im Erdgeschoss wohnt, kann sogar bis ins Bett „rollen“. Radfahrer, Handbiker und Wanderer seien aber auch willkommen, setzt Ferdinand von Lochow hinzu, der auch ausgebildeter Skatelehrer ist und ebenso bei Bedarf Equipment wie Räder und Inlineskates verleiht. Das Hauptgeschäft der von Lochows, ein altes märkisches Adelsgeschlecht, aber ist seit Jahrhunderten die Landwirtschaft. 1816 hatte die Familie das Gut Petkus erworben. Auf fast 600 Hektar baut Ferdinand von Lochow Biogetreide und Futterfrüchte an. Nach der Wiedervereinigung hat sich der Betriebswirtschaftler dafür zum Landwirt umschulen lassen. Mit großem finanziellen Risiko haben die von Lochows Ländereien und Gebäude, darunter das heutige Hotel, von der Treuhand gekauft. Denn auf eine eventuelle Rück-übertragung hatten sie lange vergebens gehofft. Verlorene Zeit, wie sie heute bedauernd feststellen.

Landwirte in ganz Europa profitierten vom robusten Petkuser Roggentyp

Korn aus Petkus, das klingt in Agrar-Kreisen nach Qualität. Ein Urahn der Familie, der ebenfalls Ferdinand hieß, hatte es auf diesem Gebiet zu großer Berühmtheit gebracht. Aus der Not hatte der eine Tugend gemacht. Um auf den kargen, trockenen Böden etwas ernten zu können, beschäftigte er sich intensiv mit Züchtung. Ferdinand von Lochow III. begann 1881 mit der Entwicklung eines anspruchslosen, aber ertragreichen Roggentyps. Dieser trat als Petkuser Roggen seinen Siegeszug durch ganz Europa an. Landwirte in Schweden, Polen, Österreich und Russland gehörten zu den Abnehmern.  In Deutschland kamen zeitweise bis zu 90 Prozent des Saatroggens aus Petkus. 1920 schrieb der Agrarökonom Friedrich Aereboe: „Was hat ein Mann wie Ferdinand von Lochow-Petkus der Menschheit an Brot geliefert, indem er durch seine Roggenzüchtung den Ertrag mindestens um ein Fünftel zu heben gewusst hat. Sein Erfolg steht sicher hinter dem Friedrichs des Großen, der die Lupine bei uns eingeführt hat, nicht zurück.“ 1900 auf der Weltausstellung in Paris und 1910 in Brüssel wurde Ferdinand von Lochow jeweils der erste Preis verliehen. Kaiser Wilhelm II. telegrafierte Glückwünsche zum Grand Prix. Neben Roggen züchtete Lochow später auch andere Getreidesorten sowie Kartoffeln, und er beschäftigte sich mit Viehzucht. Petkus, das war eine Marke. Von der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin wurde er für seine Verdienste 1922 zum ersten Ehrendoktor der Landwirtschaft ernannt. Seine letzte Ruhe fand der legendäre Züchter auf dem Petkuser Dorffriedhof. Auf dem Familiengut erinnert ein Gedenkstein unter einer Tanne unweit des Hotels noch heute an den „Roggenkönig“. Nach dessen Tod setzte sein ältester Sohn die Züchtungsarbeit in Petkus fort. Dann kam der Krieg. Einer seiner Urenkel erinnert sich noch lebhaft an die Flucht vor der sowjetischen Armee, die er als Kind erlebt hat. Wie sie halb erfroren von der Fahrt auf der Ladefläche eines Lkw in Hamburg angekommen seien.

Nach 1945 wurden die Besitzer des Guts als Großgrundbesitzer enteignet. Die Zeit der von Lochows in Petkus schien für immer vorüber, wobei sie die Hoffnung auf eine Rückkehr in die alte Heimat nie ganz aufgegeben hatten. In der Lüneburger Heide setzte die Saatzucht F. von Lochow-Petkus GmbH die Getreidezüchtung erfolgreich fort. In Petkus indes sorgte ein staatliches Institut für Getreidezüchtung für Kontinuität.

Dort, wo einst an den legendären Roggensorten geforscht wurde, tummeln sich heute die Gäste. Die Geschichte indes ist nicht vergessen. In Erinnerung an die berühmten Vorfahren haben die heutigen Besitzer das Hotelrestaurant „Der Roggenkönig“ genannt. Viele Gerichte basieren auf dem einheimischen Roggen. Es gibt Roggeneierkuchen mit Kräuterquark und Petkuser Roggenschnitzel vom Schwein. Eine kleine regionale Brauerei liefert Roggenbier, gebraut aus Petkuser Bioroggen. „Natürlich kann man bis in das Restaurant mit Skates rollen. Beliebt ist natürlich in der warmen Jahreszeit vor allem der Biergarten“, sagt Alexandra von Lochow. Einen besonderen Service bieten die Betreiber für Hotelgäste. Wer in Petkus eine ausgedehnte Tour beginnen will, kann sich das Gepäck zum nächsten Übernachtungsort auch bringen lassen. So können Skater oder auch Fahrradfahrer viel von der Landschaft kennenlernen, ohne an den Ausgangspunkt zurückkehren zu müssen. Oder man bestellt den Rufbus an eine der vielen Haltestellen entlang des Fläming-Skate-Parcours. 

 Karen Schröder 

 

66 - Frühjahr 2016