Leger professionell das besondere Flair des Ellington

„Wir putzen, Sie genießen“ heißt eines der originellsten Angebote, das ein Hotel offerieren kann.  Das Hotel mit diesem Angebot heißt „Ellington“, liegt in der Nürnberger Straße mitten in Berlin und bietet Übernachtung in einer Suite, Brunch beim Jazz, viele andere Extras – und während der Zeit, da der Gast sich verwöhnen lässt, wird die Wohnung geputzt.  Dahinter steckt nicht einmal eine ausgeklügelte Marketingstrategie. Tina Brack, Geschäftsführende Direktorin des Hauses, erwähnt es fast beiläufig: „Wir hatten in unserem Flyer noch eine Seite frei und haben überlegt, was uns eine Freude machen würde.“ So einfach war das. Natürlich wird dieses Angebot nicht täglich nachgefragt. Aber der junge Mann, der es kürzlich zum 18. Geburtstag geschenkt bekam, hat sich mächtig gefreut. Und so verblüffend ehrlich ist Tina Brack, nicht Chefin schlechthin, sondern auch Motor des Hauses. „Motor? Vielleicht eine Schraube. Wir begegnen uns hier auf Augenhöhe. Ideen sind immer gefragt“, sagt sie. Die von ihr persönlich favorisierten Angebote aus diesem Ideen-Pool sind Lesungen und „Pick your Compliment“. Da kann sich frau schick machen und beraten lassen. Und es gibt es noch mehr solcher Hotel-Bonbons, wie Shopping & Dinner, Junggesellinnen-Mädelsabend, Kino & Küche, die Astor-Kino-Lounge ist gleich um die Ecke, oder andere Offerten, die Gastronomie und Kultur zusammenführen. Und statt der Bibel gibt es kleine Bände mit Geschichten auf dem Nachttisch: „Schlaflos im Ellington“. Die dritte Ausgabe wird gerade vorbereitet.

Die Berliner lieben es, und der kleine Katalog für die Herbst- und Winterzeit ist jetzt schon nachgefragt.  Eine feste Größe zu allen Jahreszeiten ist „Immer wieder Sonntags – Jazzbrunch“. Auch Radio ist hier live zu erleben: Jazz-Radio 106,8 hat sein Studio im Foyer. Wunderbare Schwarzweiß-Fotografien von Jazzgrößen zieren die Wände. Diese Affinität zu Jazz hängt natürlich mit der Geschichte des Hauses zusammen.

All diese Angebote sind mit der Zeit gewachsen und gehören genau wie die Geschichte des Gebäudes zum Besonderen dieses Berliner Hauses. In den Goldenen Zwanzigern im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet, war es einst pompöser Tanz-Palast, Jazz-Kneipe, Disko-Höhle. „Badewanne“ und „Dschungel“ sagen vielleicht einigen noch etwas. Hier gab es beachtlichen Promi-Auflauf. Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Duke Ellington und David Bowie, Lou Reed, Günter Pfitzmann und Edith Hancke feierten hier und natürlich im Laufe der Zeit Tausende Berliner. Aber über die Jahre verblasste der einstige Charme. Irgendwann nutzte die Berliner Finanzverwaltung den einstigen Kabarett-, Kino- und Ballsaal als Personalkantine. Bis das Haus aus dem Dornröschen-Schlaf gerissen wurde und die 185 Meter lange Fassade ebenso wie das Foyer rekonstruiert wurden. Obwohl alles sehr nüchtern wirkt, ist es ein Blickfang mitten in Berlin.

Und vor zehn Jahren wurde es das „Ellington“.

Tina Brack ist ebenso lange Direktorin, das heißt sie war schon ein wenig früher dabei und konnte bei der Konzeption des 4-Sterne-Hauses ihre Gedanken mit einbringen. Warum heißt es „Ellington“? Das habe natürlich mit der Geschichte zu tun, aber auch mit dem Klang des Namens und dass der Schriftzug so schön falle, ist sie wieder verblüffend ehrlich.  Sie hat sich ihre Crew selbst zusammengestellt. Von den 18 Abteilungen werden vier von Männern geleitet.  Nein, da sind keine feministischen Absichten dahinter zu vermuten. Das ergab sich nach Qualifikation so. 130 Mitarbeiter inklusive 25 Azubis kümmern sich um die Hotelgäste, die Restaurants mit besonderem Flair, die Kongresse und Veranstaltungen. Einige Azubis haben ein Angebot für Kinder für den kommenden Eventflyer initiiert. Kreativität scheint jeden zu erfassen, der hier arbeitet.

Vielleicht hängt das auch mit der Chefin zusammen. Manchmal sitzt ein kleiner Knirps, fünf Jahre, an der Bar und trinkt Apfelsaft. Er ist der Sohn der Chefin. Nicht nur der Apfelsaft sei klasse und er frage auch oft, wann wir denn wieder mal im Hotel frühstücken. Ein doppeltes Kompliment für die Mutter – er kommt gern mit zur Arbeit und das, was sie da treibt ist auch noch gut. Die große Liebe kam spät in Tina Bracks Leben, der Sohn auch. Das war für sie kein Problem. Mann und Eltern halfen, und sie, die sie schon immer gut organisiert war, baute diese Fähigkeit aus. Intensive Zeit auf der Arbeit, intensive Zeit mit dem Sohn. „Und“, lobt sie den Einfluss ihres Sohnes, „früher war ich nicht so gut im Delegieren von Arbeit, jetzt arbeite ich zielgerichteter und gleichzeitig effektiver.“ Außerdem sei sie gelassener geworden. Manchmal macht sie auch Gartenarbeit, zeigt ihrem Sohn, was die Natur zu bieten hat.  Also dass der Apfelsaft nicht an der Hotelbar wächst. Man gewinnt den Eindruck, Tina Brack hat unglaubliche Freude daran, alles zu schaffen, immer Optimismus und Fröhlichkeit auszustrahlen und dabei bodenständig zu bleiben. Übrigens, in eine höhere Hotel-Kategorie will sie gar nicht aufsteigen. „Ich passe gut zu den vier Sternen: leger und gleichzeitig professionell.“

Martina Krüger

 

70 - Frühjahr 2017