Schlagkräftige Jungs

Die Eisbären sind nicht nur Meister bei den Profis. Die Berliner haben auch die beste Nachwuchsarbeit in der Deutschen Eishockey-Liga.

Genau zum Frühlingsbeginn greifen die Eisbären nach dem nächsten Titel. Nicht die großen Profis aus dem Kultverein in Hohenschönhausen, die dann mit den Playoffs erst die Verteidigung ihres Lorbeers aus dem Vorjahr beginnen. Die Schüler von Trainer Dietmar Peters wollen zeigen, dass der Deutsche Meister aus Berlin auch den besten Nachwuchs hat. Dafür reist die Mannschaft aus dem Sportforum zur Endrunde vom 20. bis 22. März in die bayerische Hochburg nach Rosenheim.

Die Goldmedaillen für die Jungen wären eine erneute Bestätigung, dass beim Meister in Berlin die schlagkräftigste Nachwuchsarbeit in der Deutschen Eishockey-Liga geleistet wird. Anerkannt ist das seit Jahren, doch in der letzten Zeit haben die anderen Vereine nachgezogen. „Die Weltmeisterschaft nächstes Jahr im eigenen Land hat hier einiges in Bewegung gebracht“, freut sich Andreas Hobuß, der Geschäftsführer der Eisbären Juniors. Zwar musste nach den Statuten der Deutschen Eishockey-Liga auch früher schon jeder Profi-Verein über einen Kooperationsvertrag die eigene Nachwuchsarbeit sichern. „Das stand lange Zeit nur auf dem Papier, aber jetzt sind hier klare Ziele gesetzt“, so Hobuß.  Andere Länder – der diesjährige WM-Gastgeber Schweiz beispielsweise – sind hier nach den Größen des Welteishockey wie Kanada, Russland oder Tschechische Republik wegweisend. In dieser Beziehung haben die Alpen-Kantone die Nase vorn und setzen nicht mehr auf eingeflogene Kanadier, Tschechen oder Slowaken, sondern auf junge Spieler aus den eigenen Vereinen. Genau wie die Eisbären in Deutschland, die national in dieser Beziehung noch weit federführend sind. „Das ist kein Wunder. Unsere Arbeit begann in dieser Art der Nachwuchsförderung schon Mitte der 90er Jahre. Da müssten andere Klubs von null auf hundert gehen, um uns einzuholen. Das schafft keiner“, erläutert Hobuß.
Das soll nicht überheblich klingen. Im Gegenteil: Man ist sehr froh in Hohenschönhausen, dass die Eisbären wegen ihrer ausgezeichneten Nachwuchsförderung nicht mehr belächelt, sondern vermehrt nachgeahmt werden. „Wir haben seit mehr als zwölf Jahren die Grundlagen geschaffen, ohne die es eben nicht geht“, verweist Andreas Hobuß auf das ideal bestellte Umfeld mit den Eishallen, den profilierten hauptamtlichen Trainern, dem Kraftraum, der Leichtathletikhalle, der Schule, dem Internat und nicht zuletzt der medizinischen Betreuung. „Jeder unserer Spieler muss sich mindestens einmal im Jahr einem äußerst gründlichen medizinischen Check stellen.“ Sogar eine Facharbeiterausbildung im kaufmännischen Bereich können die jungen Eisbären absolvieren. Andere ehemalige Hochburgen haben da große Probleme. „Oft können sie die gar nicht zum Positiven beeinflussen. Weißwasser beispielsweise hat in den vergangenen 15 Jahren die Hälfte seiner Einwohner verloren“, bedauert er die fehlende Konkurrenz zum einstigen Erzrivalen in der Lausitz. Um die jüngsten Puckjäger müssen sich die Eisbären dagegen nicht sorgen. „Mit mehr als 200 Nachwuchsspielern in sieben leistungssportlich orientierten Mannschaften stoßen auch wir an unsere Grenzen“, gibt Hobuß zu. Trotzdem mühen sich die Sichter des Vereins, in Kindergärten die Talente zu entdecken. Zwischen vier und sechs Jahren geht es los. Zuerst die Liebe zur Bewegung entdecken, dann die sportlichen Grundlagen schaffen, das Schlittschuhlaufen erlernen, und erst danach gibt es den Puck an den Schläger. Wer will, ist jeden Dienstag ab 16.30 Uhr herzlich eingeladen zum Schnuppertraining in den Wellblechpalast. Vielleicht kann er da auch den einen oder anderen Blick auf sein Idol erhaschen, denn nicht selten schaut einer der Profis bei den Jüngsten zu. Cheftrainer Don Jackson legt großen Wert auf die intakte Leistungspyramide von den Bambini bis zu den DEL-Profis und steht, wenn es seine Zeit erlaubt, auch beim Nachwuchs als Zuschauer an der Bande. Nur die Eisbären lassen ihr Junior-Team zum Kräftemessen mit gestandenen Spielern in der Oberliga antreten und sind auch in dieser Beziehung ein DEL-Novum. Doch gerade in dieser Spielklasse bleiben Niederlagen nicht aus, wenn internationale Einsätze auf dem Programm stehen. Dann müssen die Berliner in den Punktspielen auf einen gehörigen Teil ihrer derzeit 16 Nationalspieler der verschiedenen Nachwuchs-Auswahlmannschaften verzichten.
„Das ist nicht das Problem. Es geht uns ja in erster Linie nicht um den Verein, sondern um die Weiterentwicklung der Nationalmannschaft“, betont Hobuß. Dieser nicht in allen Klubs übliche Blick über den Tellerrand ist den Eisbären eine stattliche Summe wert. „Ohne den Kooperationsvertrag mit dem Profi-Verein wäre unsere Arbeit nicht möglich“, erklärt der Geschäftsführer der Junioren die jährlichen Zuwendungen aus dem Etat in sechsstelliger Höhe. Diese Planungssicherheit innerhalb des Klubs ist noch wichtiger geworden, weil die Sportförderung aus dem Etat des Berliner Senats für den Eisbären-Nachwuchs nur noch halb so viel beträgt wie vor sechs Jahren.

In den nächsten Monaten, vor allem aber im Jahr 2010, werden die Kinder vermehrt in den Wellblechpalast drängen. Da ist sich Andreas Hobuß sicher. „Die WM ist immer ein Anziehungspunkt. Durch die stärkere mediale Aufmerksamkeit bekommt auch die Nachwuchsarbeit wieder einen zusätzlichen Schub.“ Dort hat die Weltmeisterschaft 2007 einen regelrechten Boom ausgelöst. Doch nötig haben den die Eisbären kaum. Denn nicht nur Berliner Talente wollen so werden wie ihr großes Eisbären-Idol Sven Felski. Auch Eltern aus Mecklenburg, dem Rheinland oder Bayern zieht es ins Sportforum.

„Wer hier Eishockey spielt, hängt nicht auf der Straße rum“, sagt Hobuß lapidar. Dabei ist – obwohl am Leistungssport orientiert – nicht nur der Titel das Ziel der Eisbären Juniors. „Wir wollen auch eine Heimstatt geben. Wenn ein gut ausgebildeter Spieler später bei einem anderen Verein unterkommt, ist das ja auch eine Anerkennung für uns“, meint er. So jagen derzeit in der kürzlich für Olympia in Vancouver qualifizierten Nationalmannschaft ein Dutzend Spieler dem Puck hinterher, die bei den Eisbären beheimatet sind oder ihren Sport hier erlernten. Mit 15 Förderlizenzspielern ist der Verein ebenfalls einsame Spitze. Und bald wird der eine oder andere Schüler als Profi um die Deutsche Meisterschaft spielen, der zum Frühlingsanfang in Rosenheim die Goldmedaille gewinnen will.   

Hans-Christian Moritz

38 - Frühjahr 2009
Sport