Von Unkraut und Beikraut – Gärten sind Glaubenssache

Ein Garten grünt, und alle Theorie ist grau. Doch Garten und Philosophie haben mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Gärten, das sind die Schrebergärten genauso wie die großen Gartenschauen, der naturnahe Waldgarten wie der Vorgarten mit seinen gleichförmigen Rabatten. Der japanische Garten mit seinen Kiesflächen und senkrecht aufgestellten Steinen scheint aus dem Rahmen zu fallen. Der metaphysische Aspekt des Gartens leuchtet auf. Dem Gartenthema kann man sich auf vielerlei Weise annähern. Aber wie und warum wollen wir gärtnern? Gärten sind so individuell wie ihre Besitzer. Gärten sind Glaubenssache. Eine Gretchenfrage lautet: Schneckenkorn und Dünger? Wildpflanzen oder Dahlien oder gar beide? Gartenarbeit, das heißt Pflanzenarten aussuchen, Wege anlegen, Bäume beschneiden. Aber auch Zwiesprache mit dem Unkraut halten. Und manche fragen sich dann sogar, was überhaupt Unkraut ist und ob nicht vielmehr alles Kraut. Beikraut – auch ein schönes Wort in dem Zusammenhang. Da sind wir mittendrin in der Gartenphilosophie. Die wild wachsende Vegetation weckt bei einigen „Kehrwochengärtnern“ Urängste. Laub und Rasenschnitt gelten als Dreck und werden umgehend entsorgt. Doch es gibt auch die Gegenbewegung. Ein Begriff, der immer wieder auftaucht ist der der „Permakultur“, was so viel heißt wie Vielfalt und nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen. Ein Trend der letzten Jahre betrifft die Renaissance alter Obst- und Gemüsesorten. Beim Blättern in historischen Baumschulkatalogen kann man nur staunen, wie viele Sorten an Pflaumen oder Birnen die Gärtner einst im Angebot hatten. Über Tausende Jahre galt, dass Gärtner einen Teil ihrer Ernte als Saatgut zurückhielten, um es in der nächsten Saison wieder auszusäen. Das ging nur deshalb, weil die Sorten samenfest waren. Die Eigenschaften der Pflanze blieben jeweils über Generationen erhalten. Nur so ließ sich züchten. Mittlerweile ist -die Sortenvielfalt dramatisch geschrumpft. Viele Gemüsesorten wie Blumenkohl und Kohlrabi sind nur noch als Hybride auf dem Markt, selbst im Bioladen. Hybride entstehen durch die Züchtung mit ertragsstarken Inzuchtlinien. Kreuzt der Züchter wiederum zwei dieser Inzuchtlinien, erhält er in der nächsten Pflanzengeneration Hybridsaatgut. Doch schon bei der übernächsten Generation lassen die guten Eigenschaften zu wünschen übrig. Die Pflanze lässt sich also nicht nachbauen. Wollen wir das, oder sollte die nächste Möhre nicht doch besser samenfest sein? Am Ende stellen sich philosophische Fragen auch beim Einkauf.

Karen Schröder

 

70 - Frühjahr 2017
Magazin