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Schon mal in Zehdenick gewesen? Nein? Aber bestimmt daran vorbeigefahren. Mit dem Auto auf dem Weg nach Prenzlau oder Templin vielleicht; oder mit dem Fahrrad auf dem Europäischen Radwanderweg Berlin-Kopenhagen. Sogar im Kanu auf der Havel ist das 13 000-Einwohner-Städtchen im Landkreis Oberhavel zu erreichen. 

 

„Was für ein Glück, so viel Wasser. Als Kind war es für mich selbstverständlich, zwischen Tonstichseen und einem Fluss, der direkt durch die Stadt führt, aufzuwachsen, und beim Eis essen den Schiffsverkehr zu beobachten“, erinnert sich Elisabeth Kluge. Sie ist in Zehdenick geboren und aufgewachsen. Nach einem Tourismus-Studium zog es sie gleich wieder zurück in die Heimat. Heute arbeitet sie in der Tourist-Information in der Altstadt, ein paar Schritte von der Havel und ihrem Lieblingsplatz entfernt und berät Gäste, die in dieser Gegend Urlaub machen. 

In der Marina liegen große Yachten, es gibt ein Restaurant mit Terrasse direkt am Wasser und kleine Läden. Ein Spaziergang auf dem Treidelweg führt zu zwei Kamelbrücken, wie sie wegen ihrer Form im Volksmund genannt werden. Die Havelkähne wurden noch bis in die 30er Jahre hinein flussaufwärts getreidelt, also mittels Zuggeschirr und Leinen durch Menschen- oder Pferdekraft vom Land aus gezogen. Die bogenförmigen Brücken stehen unter Denkmalschutz. Sie bieten eine schöne Aussicht auf die Hafenanlage und die Havelinsel, die als älteste besiedelte Stelle der Stadt gilt. Erstmalig urkundlich erwähnt wurde Zehdenick im 13. Jahrhundert. Um 1200 wurde eine Burg gebaut, später dann das Havelschloss. Die erhaltenen Bauten eines einstigen Zisterzienserinnen-Klosters beherbergen heute kirchliche und kulturelle Einrichtungen. Zehdenick verfügte über ein Eisenhüttenwerk, in dem aus dem Erz aus der Umgebung Kanonenkugeln, Kirchenglocken, Pfannen und Gewichte hergestellt wurden. Heute ist vor allem der Tourismus ein wichtiges Standbein. Eine besondere Rolle kommt dem Naturschutzgebiet „Klienitz“ zu. Das vollkommen verwilderte Wasser- und Sumpfgebiet zwischen Havel, Klienitz, einem Nebenarm der Havel, und ehemaligen Ziegeleistichen ist ein wahres Tier- und Pflanzenparadies, wie es in unmittelbarer Stadtnähe nur selten vorkommt. Das Gebiet ist Lebensraum zahlreicher geschützter Arten wie Flussseeschwalbe, Große Rohrdommel, Eisvogel und Kiebitz sowie Seerosen und Orchideen. 

 

Ziegeleipark und Tonstichseen 

Beim Bau der Eisenbahnlinie Löwenberg-Templin wurde 1887 der tonhaltige Boden entdeckt. Das spätere Zehdenicker Ziegelrevier entwickelte sich mit seinen 63 Öfen zu einem der größten Europas. Es wird vermutet, dass rund 80 Prozent der benötigten Ziegel Berlins auf dem Wasserweg in die Hauptstadt kamen. 

Der Ziegeleiparkt Mildenberg erinnert mit seinen Museen und Ausstellungen an diese Zeit. Die rund 70 ehemaligen Tonstiche wurden alle zu sauberen naturbelassenen Seen. Es gibt Badestellen, Campingplätze, Floßverleihe. 

 

Hausboot oder Suite 

Im Umkreis von 10 Kilometern gibt es Unterkünfte für jeden Geschmack, und je nach Budget reichen die Möglichkeiten vom Hausboot über Zelte, Pensionen, Gästezimmer in Villen bis hin zur Suite im Schloss. Von Berlin aus ist Zehdenick in einer Stunde mit der Bahn zu erreichen, mit dem Auto sind es vom Norden der Stadt aus nur 60 Kilometer. Und so manchen Großstadtmüden hat es auch schon ganz in das Städtchen an der Havel gezogen, wie Anke Treichel. Die Berlinerin hatte sechs Jahre lang ein Wochenendgrundstück in Zehdenick. Vor einem Jahr, zum Schulanfang ihrer Tochter, entschied die Familie sich zum Wohnortwechsel. „Man wird in Zehdenick angenehm geerdet“, sagt die Kommunikationsdesignerin. „Das Leben ist ruhiger und stressfreier, vor allem für Eltern. Kinder haben wieder Kletter- und Lieblingsbäume. Und Yogakurse gibt es hier auch.“ Kurz nach dem Umzug hat Anke Treichel sich einen weiteren Traum erfüllt, eine eigene Fotoausstellung mit dem Titel „Neue Heimat“. 

Barbara Sommerer

 

Information

www.zehdenick-tourismus.de

Kanus, Hausboote, Boote u. a.
www.klienitz.de

Veranstaltung 48 Stunden Oberhavel 
26. und 27. August 2017 
www.regio-nord.com

 

71 - Sommer 2017