Zufrieden bin ich nie

Hotelmanager Jürgen Gangl hat dem Hotel Park Inn am Alexanderplatz zu einem neuen Image verholfen. Jetzt will er das ­Esplanade am Landwehrkanal wieder mehr ins Rampenlicht rücken.

Automatisch dämpft man die Stimme in der Unterhaltung beim Eintritt in das Grand Hotel Esplanade. Etwas ­Er­habenes erfüllt das Haus, das sich in bester Lage des Berliner Zentrums an eine Biegung des Landwehrkanals schmiegt. Das gedämpfte Licht des weitläufigen Foyers geleitet den Gast durch Grünpflanzen und geschmackvoll verteilte Sitzgruppen direkt an die Rezeption. Völlig unaufdringlich wird der Neuankömmling nicht gleich beim Eintritt sprachlich überfallen, sondern erst angesprochen, nachdem er seine Umgebung optisch ertastet und sofort den Eindruck des Wohlfühlens ver­innerlicht hat.

„Das ist die Philosophie unseres Hauses. Wir möchten unseren Gästen sofort und während ihres gesamten Aufenthalts den Eindruck vermitteln, dass sie willkommen sind. Dabei wollen wir jeglichen Wunsch erfüllen und trotzdem ihre Individualität unein­geschränkt wahren. Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz“, sagt Jürgen Gangl. Der 44-Jährige hat das einsti­ge Aushängeschild der hauptstädtischen Hotellerie nach umfangreicher Rekonstruktion im Herbst übernommen und soll es an alte Blütezeiten wieder heranführen. In den Verantwortungsbereich des Deutsch-Österreichers, der für die Event Hotelgruppe die Regional­direktion Berlin leitet, fallen zudem das Westin Grand Hotel und das Park Inn am Alexanderplatz. Dieses mit über 1012 Betten zweitgrößte Hotel Deutsch­lands hatte Gangl zuvor ebenfalls neu am Markt plaziert, nachdem es durch umfangreiches Aufpolieren vom einstigen DDR-Charme zu einer der Top-Adressen an der Spree werden konnte.

Dabei verkörpert der Chef selbst, der seinen Beruf von der Pieke auf zur Berufung gemacht hat, sein Credo mit aller Inbrunst. „Der erste Grundsatz, den man für eine Arbeit in der Hotelbranche mitbringen sollte: Man muss dienen wollen. Die Betonung liegt auf Wollen. Das ist nicht so dahergesagt. Der Gast soll fühlen, dass es Spaß macht, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Es soll ihm an nichts feh­len. Im Hotel ist er Gastgeber, nicht Manager. Dabei ist das Esplanade keineswegs eine Touristenunterkunft. Zu 30 Prozent etwa betreut er mit seinen rund 160 Mitarbeitern Gäste, die ausschließlich wegen der Sehens­würdig­keiten nach Berlin gekommen sind. Das sei relativ wenig, andere Häuser lägen da bei 50 Prozent und mehr. „Die Mischung macht das Geschehen interessant“, sagt er und verweist auf zahlreiche Geschäftsreisen­de, die das Esplanade für sich zur ersten Adresse erkoren haben. Deren Mundpropaganda, was den Ruf des Hotels betrifft, hält Jürgen Gangl für sehr wichtig. „Wir leben von unserem guten Ruf. Wenn es jemandem bei uns gefallen hat, dann wird er nicht nur das nächste und übernächste Mal bei uns absteigen. Er wird uns auch weiterempfehlen“, weiß er. Bei der Frage, ob er mit der Auslastung des Hauses zufrieden sei, lacht er: „Das ist wie überall in Berlin: Die Auslastung ist gut. Aber zufrieden bin ich nie. Zufriedenheit ist Stillstand“, strebt er mit seinen Mitarbeitern immer neue Höhen in der 500 Häuser umfassenden Hotel-Landschaft der Hauptstadt an.
Diese Mitarbeiter seien anfangs na­türlich skeptisch gewesen, als er Mitte September das Esplanade übernahm. „Wer ist das nicht, wenn ein neuer Chef kommt. Aber inzwischen sind wir ein richtig gutes Team geworden“, kann er schon nach wenigen Wochen sagen und hat von Beginn an großen Wert darauf gelegt, allen Angestellten Vertrauen zu geben. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist so groß, dass der Vater von drei Kindern manchmal mit der ganzen Familie zum Essen in das Haus am Landwehrkanal kommt.

Dass er in Berlin ein Haus der gehobenen Preiskategorie führt, spielt für Jürgen Gangl nicht die herausragende Rolle. „Man muss dem Gast immer das bieten, was er für sein Geld erwartet. Möglichst etwas mehr“, weiß der erfahrene Fachmann das Locken der Behaglichkeit ebenso ein­zusetzen wie die Art des Hotels, dass jeder Gast glaubt, ganz individuell betreut zu werden. So gehört es zum guten Ton im Esplanade, dass die Ankömmlinge aus der sogenannten VIP-Kategorie vom Chef persönlich begrüßt werden. „Dafür machen wir jeden Tag Besprechungen und Sitzung, um solche Sachen abzustimmen.“ Gangl erwartet aber auch von allen seinen Angestellten Eigeninitiative und Verantwortungs­bewusstsein. Wenn ein Prominenter unerwartet eintrifft, sagt man ihm von der Rezeption aus sofort Bescheid.

Seit fast einem Jahrzehnt ist der Weltmann Gangl mittlerweile in der deutschen Hauptstadt zu Hause, ist in unmittelbarer Nähe mit seiner Familie im Brandenburgischen heimisch geworden und findet Berlin immer noch extrem spannend. Doch, wie er immer wieder betont, abschalten kann er auch. Beispielsweise beim Golf. Dabei winkt er aber lachend ab zum alten Vorurteil, dass hier die meisten Geschäfte gemacht würden. „Vor 10, 15 Jahren hätte ich das sofort unterschrieben, dass beim Golf die Verträge mit der höchsten Kaufkraft ausgehandelt werden. Inzwischen ist das nicht mehr so, Golf ist ein richtiger Volkssport geworden.“ Dafür wäre das weitgehend noch unbekannte Polo ein­gesprungen. „Was glauben Sie, wer das spielt. Dieser Sport ist so teuer, dass sich hier die oberste Kategorie trifft. Und da geht es dann weniger um den Sieg als um wirtschaftliche Anbahnungen.“

Hans-Christian Moritz

 

37 - Winter 2008