Gold is jut!

Was es heißt, in Schönheit und Luxus zu leben, ­erfahren ehemalige obdach-  und wohnungslose ­Menschen in ihrem neuen Heim in Schöneweide.

Eine glänzende goldene Bordüre zieht sich durch das ganze Haus. 20 Männer wohnen hier, alkoholkrank und zuvor wohnungslos. Sie sollen es gut haben, so gut wie möglich. Gold, das ist für die Künstlerin Miriam Kilali ein Symbol, wenn nicht gar das Symbol für Reichtum. „Es soll alle hier im Haus erreichen“, sagt sie. „Reichtum, das meint ja auch inneren Reichtum, Respekt und Wertschätzung.“ Die­jenigen, die oft lange auf vieles verzichten mussten, sollen von Schönheit, sogar Luxus umgeben sein. Edle Stofftapeten und Kronleuchter als starke sichtbare Zeichen. 

Angefangen hatte alles Ende 2006 während einer Tagung der Bundes­arbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e.V.: Miriam Kilali stellte damals ihr Projekt „Reichtum 1 – das schönste Obdachlosenheim der Welt“ vor, das sie in Moskau realisiert hatte und das dort auf große Resonanz gestoßen war. Susanne Kahl-Passoth vom Diakonischen Werk wurde hell­hörig. „Sie hat mich dann angesprochen, ob so etwas nicht auch in Berlin möglich wäre“, erinnert sich Miriam Kilali. Gern ging die Künstlerin darauf ein, hatte sie doch selbst schon eine Fortführung ihrer Moskauer Arbeit an einem anderen Ort geplant. „Reichtum 2“ war geboren. Träger des Projekts ist die Gebewo, die ­gemeinnützige Gesellschaft zur Betreuung Wohnungsloser und sozial Schwacher mbH. Das leuchtend gelb gestrichene Haus liegt im Berliner Stadtteil Schöneweide, einem ehemaligen Industriebezirk, direkt an einer belebten Ausfallstraße.

Gerade an diesem Ort sollte laut Kilali das „schönste Obdachlosenheim der Welt“ entstehen. Zuerst einmal mussten aber die Bewohner gefragt werden, denn über ihre Köpfe hinweg konnte nichts entschieden werden. Eine Diskussion über die Kunst im Allgemeinen und das Projekt im Besonderen entspann sich. Nach anfänglicher Skepsis waren die Männer aufgeschlossen. „Natürlich ist der Geschmack in Berlin ein anderer als in Moskau, wo man kräftige Farben liebt“, fasst Miriam Kilali das Ergebnis der Vorbesprechungen zusammen. Entsprechend wurde das Konzept erstellt. Die Fußböden erhalten Holzparkett oder Laminat, im Entree terrakottafarbige Fliesen. Alle Zimmer werden im Sockelbereich mit italienischer Leder-Stofftapete und goldener Bordüre ausgekleidet sowie neu möbliert: schwarz, weiß und edel. Für die Beleuchtung hat die Künstlerin italienische Lüster bestellt. Wobei die Bewohner mit entscheiden dürfen, wie ihr künftiges Domizil gestaltet sein wird. Jeder von ihnen kann sich dar­über hinaus eine Originalfotografie der Künstlerin aussuchen.

Ein Jahr Bauzeit hatte man anfangs eingeplant. „Wir haben den Aufwand einfach falsch eingeschätzt“, resümiert Edeltraud Hörnschemeyer, die Leiterin der Einrichtung. Auch mussten erst genug Sponsorengelder eingeworben sein, insgesamt 140.000 Euro. Natürlich sei das auch für die Mitarbeiter eine Herausforderung gewesen, haben schließlich auch sie lange auf Schreibtisch und Ablage verzichten müssen. „Bei laufendem Betrieb eine solche Sache zu realisieren, ist zuweilen recht mühsam.“
Jetzt ist es fast geschafft. Der Be­wohner Wolfgang Binder ist stolz, gern zeigt er sein neues Zuhause. Die hellblaue Stofftapete, den kleinen biedermeierlich anmutenden Tisch und den weißen Sessel hatte er sich ausgesucht. Über dem Bett hängt ein großes Foto. Es zeigt einen Güterzug in Kalifornien, etwas verschwommen. Die vage Sehnsucht ­nach dem Abenteuer scheint noch da zu sein bei dem von Krankheit gezeichneten Mann.

„Gold is jut!“, meint auch der 60-­jährige Nachbar, der schon vier Jahre im Heim lebt. Er hat sich für die ­bordeauxfarbene Tapete entschieden. „Die gefiel mir am besten.“ Während des Umbaus habe er zeitweise nicht fernsehen können, das habe ihn gestört, sonst aber sei alles sehr schön. Einige Bewohner haben bei den Renovierungsarbeiten auch mitgeholfen, so Peter Sternberg, dessen Zimmer als erstes fertig geworden ist. Liebevoll pflegt er seine kleine Behausung. Auch er hat sich mit einem Kilali-Originalfoto von New York die weite Welt in sein Zimmer geholt. Heimleiterin Edeltraud Hörnschemeyer ist davon überzeugt, dass eine solche Umgebung zur Gesundung beitragen kann. Damit alles so schön bleibt, wie es jetzt ist, will sich die  Sozial­pädagogin bei Sponsoren um eine Anschluss­finanzierung kümmern. „Wenn sich der ganze Rummel ein wenig gelegt hat“, fügt sie lachend hinzu. Denn sie weiß, dass auch das schönste Obdach­losenheim einmal Risse bekommt, schließlich werde hier gelebt.

Karen Schröder

37 - Winter 2008
Stadt