Aus den Sternen gestürzt...

Gut Zeesen, 25 km südöstlich von Berlin gelegen, ist ein vergessener Ort mit großer Vergangenheit und ungewisser Zukunft.

Zeesen ist ein poetischer Ort. Hier wächst Stille neben leuchtend gelber Goldrute. Hohe alte Bäume sind mit dem Wind im Gespräch. Und das alte verfallene Gutshaus verbirgt seinen einstigen Glanz mit einer gewissen Würde, so wie eine verlassene Geliebte ihren Schmerz über das entschwundene Glück.

Carl Zuckmayer, der in den zwanziger Jahren mit seinem „Hauptmann von Köpenick” Berühmtheit erlangte, feierte hier in illustrer Runde seinen ersten großen literarischen Erfolg. „Wer dieses Haus betritt, spür gute Geister schweben! Merk wie die Zeit hier schritt! Merk wie die Steine leben!“, dichtete Zuckmayer als Haus­segen für Gut Zeesen. Ein anderer Dichter, nämlich Klabund, schrieb wenig später sogar eine „Ode an Zeesen”, in der das ganze Glück seiner Sommerferien­tage zu spüren ist. Mit Carola Neher, Brechts berühmter Polly aus der „Dreigroschenoper”, war er für mehrere Wochen Gast des kunstsinnigen Bankiers Ernst Goldschmidt, der das Gut Zeesen 1925 erwarb.
Klabund, der 1928 in Davos an Lungen­tuberkulose starb, erlebte in Zeesen ein letztes kurzes Glück. „Aus den Sternen gestürzt...”, so hat er es in seiner Ode genannt. Und eigentümlicherweise erscheint dieses Zeesen wie eine Metapher für das flüchtige Glück schlecht­hin. Denn keiner, der an diesem Ort glücklich war, konnte diesen erstrebenswerten Zustand für längere Zeit festhalten. Der wohl berühmteste unter all den Glück­­lich-Unglück­lichen ist Gustaf Gründgens. Mephisto und Hamlet, geliebt und gehasst, eben ein Theater­genie voller Widersprüche.

Gründgens‘ Zeit in Zeesen begann 1934, auf der Höhe seines Ruhms. Da­mit verbunden bleibt die gewalt­sa­me Vertreibung der jüdischen Fa­milie Goldschmidt, der ihr Grundstück erst 1998 nach jahrelangem Rechts­streit zurückübertragen wurde.
Intrigen und böse Verstrickungen führen uns zurück bis in das Jahr 1697. Damals verlor Freiherr von Danckel­mann, einst einer der mächtigsten ­Minister unter Kurfürst Friedrich III., seinen Besitz in Zeesen. Missgunst und Neid brachten ihn zu Fall. Und statt des idyllischen Blicks über Park und See musste er sein Schloss gegen kalte und dunkle Mauern der Festungshaft eintauschen. Nichts ist beständiger als der Wechsel, lernt man in Zeesen. Und die „guten Geister”, die Zuckmayer be­schwor, sind wohl nicht immer pünktlich parat.

Einstmals zum Königreich Böhmen gehörend, begann die „Branden­burger Ära” von Dorf Zeesen und seinem Rittergut im 15. Jahrhundert. Die Schenken von Landsberg, die im nahegelegenen Teupitz residierten, erwarben zu dieser Zeit den Besitz. Mitte des 17. Jahrhunderts zwangen sie Schulden zum Verkauf. In der Folge wechselten dann die adligen Besitzer mit stetiger Regelmäßigkeit. Einmal gab es Zeesen sogar als Weihnachtsgeschenk. Und Schloss Wusterhausen noch gleich mit dazu. Der Beschenkte, später als „Soldatenkönig” bekannt, war der damals zehnjährige Friedrich Wilhelm. Ihm verdankt die Herrschaft Wusterhausen dann auch den neuen Namen: Königs Wusterhausen.

Sein heutiges Aussehen erhielt das Gutshaus mit dem eleganten Mansarddach in der ersten Hälfte des 19. Jahr­hunderts. Die drei schönen ­Dachgauben schauten wie er­wartungs­volle und neugierige Augen auf die Daherkommenden. Früher einmal. Heute können nur noch alte Post­karten vom einstigen Charme des Hauses erzählen. Trotzdem, Haus und Gutsanlage, wenn auch in einen tiefen Dorn­röschenschlaf versunken, gibt es noch. Der heutige Eigen­tümer, der wie eine Art Gralshüter über diesen poetischen Ort wacht, möchte, dass hier eine außergewöhnliche Idee E­inzug hält. Zeesen wäre das nur zu wünschen.

Ditte von Arnim

37 - Winter 2008