Fotografische Porträts von Baselitz bis Warhol

Die Ausstellung „Künstler Komplex“ versammelt die vielfältigen Formen des fotografischen Künstler­bildnisses von 1917 bis 2000 und versucht ­dabei, dem Künstlermythos näherzukommen.

Künstlern oder Künstlerinnen persönlich nah zu sein, ist kaum möglich, es sei denn, man begegnet ihnen auf Ausstellungen, in ihren Ateliers oder ist mit ihnen befreundet. Die Fotografie ist ein Weg, einer bedeutenden Künstlerpersönlichkeit mehr oder weniger näher zu kommen. Um Denken und Handeln zu erspüren und die spezielle Aura zu erfassen, dazu braucht es den Fotokünstler, der mit seiner Kamera den Moment erfasst, der Werk und Persönlichkeit des Künstler als komplexes, einzigartiges Bild wiedergibt. Das zu zeigen, war wohl erklärte Absicht der Ausstellungsmacher im Museum für Fotografie, die diesen Anspruch mit dem Titel der Ausstellung „Künstler Komplex“ unmissverständlich zum Ausdruck bringen.

Die Schau umfasst 180 Künstlerporträts, die vorwiegend aus der Sammlung der Fotografin Angelika Platen stammen. Dabei stehen Arbeiten von berühmten Fotografen und Fotografinnen, wie Brassaï, Henri Cartier-Bresson, Arnold Newman oder Giséle Freund, mit Porträts von Henri Matisse, Alberto Giacometti und Pablo Picasso, neben denen von weniger bekannten, wie Helga Fietz, Hildegard Heise oder Jérôme Schlomoff, mit Aufnahmen von Georg Baselitz, Jean-Michel Basquiat, Max Beckmann und Ernst Wilhelm Nay.

Um die Komplexität der Künstlerpersönlichkeiten, ihre individuellen Facetten zu zeigen, ist die Ausstellung in „Persona“, „Kreativität“ und „Pygmalion“ dreigeteilt. Jeder Bereich offenbart einen Teil der Gesamtpersönlichkeit der Künstler und Künstlerinnen, der sich im entsprechenden Porträt widerspiegelt. So steht in „Persona“ das Ich, die Selbstdarstellung im Vordergrund: Die Künstlerinnen und Künstler posieren mit Pinsel, Palette oder Kamera, sind maskiert, kostümiert oder versuchen, auf ganz bestimmte Weise zu wirken.

Der Bereich „Kreativität“ zeigt die Künstlerpersönlichkeiten in ihrer schöpferischen Tätigkeit. Auf den Porträts sind die Akteure bei ihrer Arbeit im Atelier zu sehen, als Ort des Entstehens von Kunstwerken und der Auseinandersetzung mit den eigenen Fantasien und Vorstellungen. Aber auch Fotoexperimente, wie Spiegelungen oder verzerrte Aufnahmen, sind Ergebnisse eines kreativen Schaffensprozesses. Angelika Platen, selbst eine bedeutende Künstlerporträtistin, versuchte ihre Porträts stets in Verbindung mit dem Werk des Künstlers oder der Künstlerin zu inszenieren. Inwieweit dies immer dann im Bild sichtbar werde, müsse natürlich der Betrachter selbst herausfinden. So ist der Dialog zwischen Fotograf und Künstler im Allgemeinen ein weites Feld, macht aber auch deutlich, wie schwer Begriffe wie Kreativität und Schöpfertum mit der Fotografie zu fassen sind.

Schließlich zeigt der Bereich „Pygmalion“ die Künstler und Künstlerinnen zusammen mit ihren Werken, angelehnt an den Mythos des Bildhauers aus den „Metamorphosen“, der allegorisch für den Schaffensprozess steht. Hier gleichen die Porträts Sinnbildern für den Genius schlechthin, für die Künstlerinnen und Künstler als gottgleiche Schöpfer.

Künstlerporträts bewusst als verbindendes Gesamtkunstwerk von Kunst- und Fotografieschaffenden zu würdigen, unterliegt naturgemäß einer einseitigen Betrachtungsweise zugunsten des dargestellten Künstlers oder der Künstlerin.

Umso löblicher ist der Versuch des Museums für Fotografie, mit „Künstler Komplex“ eine Präsentationsform anzubieten, die über das Bild die Einzigartigkeit der dargestellten Künstlerpersönlichkeiten zeigt, gleichzeitig aber auch die Fotografie als Medium künstlerischen Ausdrucks wahrgenommen werden kann.

Reinhard Wahren  

 

Information
Ausstellung, Künstler Komplex
Fotografische Porträts von Baselitz bis Warhol. Sammlung Platen
Bis 7. Oktober 2018 im Museum für Fotografie
Jebensstraße 2, 10623 Berlin

 

75 – Sommer 2018
Kultur