Fontane überall

Theodor Fontane (30.12.1819 – 20.9.1898) gilt als bedeutendster deutscher Vertreter des literarischen Realismus. Bis heute sind die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein wichtiges Werk für das Land Brandenburg. Im Fontanejahr bietet ein breites Veranstaltungsangebot verschiedene Einblicke in das facettenreiche Schaffen und Leben. 

Fast jeder noch so kleine Ort in Brandenburg kann Theodor Fontane dankbar sein, dass er bei seinen Wanderungen durch die Mark auch seinen Flecken streifte. Ein Zitat, wenn auch manchmal nicht ganz so löblich, vom Dichter ist immer drin. Ein unschlagbarer Autoritätsbeweis, will heißen, wir waren schon immer wichtig. Wie einst bei Goethe, der in Italien seine Bemerkungen zu den Örtlichkeiten hinterließ, auch wenn er sich meist über die schlechten Fahrwege ausließ. Die Idee zu seinen „Wanderungen“ kam Fontane in Schottland beim Besuch des Douglas-Schlosses am Loch Leven. Er soll sich an Schloss Rheinsberg erinnert gefühlt haben. In England lebte er gute fünf Jahre als Angestellter der Preußischen Regierung und seine Aufgabe war es, Lobbyarbeit für diese zu leisten, dass hieß, in Artikeln für deutsche und englische Zeitungen die preußische Außenpolitik gut verkaufen. Er nutzte diese Zeit zum Reisen und zu Studien der Natur. Seine Naturverbundenheit war bekanntlich schon sprichwörtlich und langweilt manchmal den heutigen Leser seiner Romane.

Einige Jahre, bevor er nach England ging, heiratete er Emilie. Fontanes Mutter beglückwünschte ihn zu seiner Wahl: „Du hast Glück gehabt, sie hat genau die Eigenschaften, die für dich passen.“ 48 Jahre war sie mit dem sechs Jahre älteren Fontane verheiratet. Sie fanden Wege, mit Geldsorgen, seinem Egoismus und ihren Stimmungen zu leben. Er gab gut dotierte Arbeitsstellen abrupt auf, ohne dies mit seiner „lieben guten Frau“, wie er sie in Briefen nannte, zu besprechen. Er zog ein freies Dasein „den Alltagskarrieren mit ihrem Zwang, ihrer Enge und wichtigtuerischen Langeweile“ vor, schrieb er. Aber sie konnte auch nett austeilen, sie schrieb ja seine Romane ins Reine. Sie verglich ein Werk mit einem Gemälde Menzels: „es wirkt erst wie ein Sammelsurium u. macht auf mich als Ganzes gar keinen Eindruck. Verzeih, auch darin Deiner Produktion etwas ähnlich. Aber die Details, die kostbaren, interessanten Details, ich konnte mich gar nicht losreißen ...; es erfüllt mich wie Ehrfurcht, vor diesem Fleiß“. Da wird er nicht schlecht geguckt haben, der Dichter.

Doch da sind wir schon beim alten Fontane. Er ist über 70, als sie ihm dies schreibt. Er ist Apotheker, Kriegsberichterstatter, Theaterkritiker mit festem Platz im Schauspielhaus, Parkettplatz Nr. 23, gewesen, hat Reiseliteratur verfasst und die ersten Romane geschrieben. Er zehrt in diesen, wie in all seinen Romanen, von den „Wanderungen durch die Mark“, von der Landschaft, den Stimmungen der Natur, von den Leuten, denen er begegnete. Sie finden sich überall wieder. Und er schwört Zeit seines Lebens auf gute Luft, da greift er auf seine Pharmazieausbildung und die Jahre in England zurück. „Dieser Luftwechsel, den die englischen Ärzte beständig verordnen, scheint mir unter allen Heilmitteln, die die Natur hat, das schönste und wirksamste“, schreibt er seinerzeit an Emilie. Luft und Bewegung seien die eigentlichen Sanitätsräte. Wie gut würde dieser Fontane in unsere heutige Zeit passen.

Aber auch dieser Mann hätte fast schon 1892, mit 72 Jahren, aufgegeben. Da erschien „Frau Jenny Treibel“ gerade als Vorabdruck in der „Deutschen Rundschau“. So wie fast alle seine Romane zunächst als Fortsetzungsgeschichte in der Zeitung gedruckt wurden. „Effi Briest“ und „Der Stechlin“ waren da noch nicht geschrieben. Fontane hatte einen Nervenzusammenbruch, dem heutigen Burnout nicht unähnlich. Der Familienarzt Dr. Delhaes hilft ihm auf ungewöhnliche Art und sagt ihm: „Sie sind gar nicht krank … Ihnen fehlt nur die gewohnte Arbeit! Und wenn Sie sagen: Ich habe eine Brett vor dem Kopf, mir ist die Puste ausgegangen, mit der Romanschreiberei ist es vorbei! Nun, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie wieder gesund werden wollen, dann schreiben Sie etwas anderes, zum Beispiel Ihre Lebenserinnerungen, fangen Sie gleich morgen mit der Kinderzeit an.“ Und Fontane hört auf seinen Arzt. 1894 erscheinen „Meine Kinderjahre“, später „Von Zwanzig bis Dreißig“. So hat ein kluger Arzt die Weltliteratur bereichert.

Martina Krüger

 

Information
Fontane wird zu seinem 200. Geburtstag in seiner Geburtsstadt Neuruppin mit Lesungen, Ausstellungen und Installationen geehrt.
31. Mai bis 10. Juni, Fontane-Festspiele 
Juli: „Was ihr wollt“ – Shakespeare und der Theaterkritiker Fontane
August: Synchrontheater in Netzeband mit „Ellernklipp“ – Novelle von Theodor Fontane, „Effi in der Unterwelt“, Open-Air-Theater
www.fontane-200. de

 

77 - Winter 2019