Generation E

Noch nicht ganz verhallt ist „Generation Golf“: Der Titel des 2000 erschienenen Bestsellers von Florian Illies über die zwischen 1965 und 1975 geborene Generation, die im Buch als die erste Generation dargestellt wird, die weitgehend unpolitisch agiere und Mode- und Markenbewusstsein sowie Egoismus und Hedonismus zur Norm erhebe. Namens- und maßstabgebend war der Golf von Volkswagen, ein bis heute akzeptiertes und massentaugliches Qualitätsauto.

Was Wunder, wenn VW nun im Golf auch das Potenzial für die neue Generation E ausgemacht hat. So präsentierten die Wolfsburger auf dem diesjährigen Genfer Autosalon ihr neues Zukunftsauto mit eigener E-Auto-Architektur namens I.D. und bewährter Golf-Optik. Kernstück aller zukünftigen E-Modelle ist der modulare Elektrizitätsbaukasten MEB als neuer Standard. Diese Produktionsplattform für Elektroautos will VW angeblich auch anderen Autobauern zur Nutzung anbieten. 

Als erstes Modell der Generation E kommt im nächsten Jahr der VW ID.3 auf den Markt, die Produktion beginnt noch 2019, Bestellungen sind ab Mai möglich. Das kompakte Elektroauto ist eine völlige Neuentwicklung. Die Reichweiten aller zukünftigen Modelle der ID-Familie sollen zwischen 330 und 500 Kilometer betragen. Das Aufladen erfolgt über einen Typ 2-Ladeanschluss in vier bis sechs Stunden. An der Schnellladesäule geht es bedeutend schneller und dauert angeblich nur Minuten. Die Höchstgeschwindigkeiten gibt VW mit 160 bis 180 Kilometer pro Stunde an. Der ID.3 als erste Modellvariante soll so viel kosten wie ein vergleichbarer Golf. Bereits im ersten Produktionsjahr 2020 strebt VW einen Absatz von 100 000 Fahrzeugen an.

Ob die ID-Familie der große Wurf in Sachen Elektromobilität und das neue Kompaktauto zum „Golf der Generation E“ wird, bleibt abzuwarten. Massentaugliche Autos zu bauen, wie einst den Golf, ist angesichts des Umbruchs in der Automobilindustrie und der Veränderung derzeitigen Mobilitätsverhaltens ohnehin zum riskanten Geschäft geworden. 

Da geht man bei VW mit dem neuen VW Golf 8 zumindest erst einmal auf Nummer sicher. Zumal mit einer interessanten Geschäftsidee: nachträglich den Golf 8 aufrüsten zu können. Das heißt, bereits beim Kauf installierte Assistenzsysteme wie Verkehrszeichenerkennung, Staupilot oder Spurwechselassistent erst später und auf Wunsch freizuschalten. Die Vorteile sind beiderseits: Für die Kunden ein niedriger Kaufpreis mit der Möglichkeit, die Aufpreise für die Assistenzsysteme später aufbringen zu können, für VW reduzieren sich die Produktionskosten.

Im erklärten „Golf-Jahr“ präsentieren die Wolfsburger aber noch ein weiteres Highlight: das erste offene Golf-SUV, den VW T-Roc Cabrio, ein Fünftürer mit klassischem Stoffverdeck. Der T-Roc richtet sich vor allem an eine junge Käuferschicht, deshalb ist er auch individuell zu gestalten. Nicht nur etliche Assistenzsysteme stehen zur Auswahl, auch in puncto Farbgestaltung sind viele Kombinationen möglich.

 

Die schnellsten der Schnellen
E-Mobilität ist inzwischen in aller Munde. Auch auf dem diesjährigen Genfer Autosalon dominierten E-Modelle zuhauf. Sogar Plug-in-Hybride, eine Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, nehmen inzwischen wieder einen breiteren Raum ein. Beispielsweise war BMW mit vier neuen teilelektrifizierten Modellen vertreten. 


Zwei Millionen Euro kostet der Pininfarina Battista [Foto: Automobili Pininfarina]

 

Doch inzwischen macht die E-Mobilität auch vor den Supersportwagen nicht halt. Porsche will bis Ende des Jahres mit dem Porsche Taycan seinen ersten rein elektrisch angetriebenen Sportwagen in Zuffenhausen produzieren. Seine maximal mögliche Reichweite wird mit 500 Kilometern angegeben, was freilich bei geschwindigkeitsstarken Sportwagen kein Wert an sich ist. Der Porsche Taycan soll in 3,5 Sekunden von Null auf Tempo 100 beschleunigen. Für einen Elektroantrieb sensationell. Doch es geht offenbar noch schneller. Im nächsten Jahr wird der italienische Pininfarina Battista in Kleinserie gehen, ein Sportwagen der Superlative. Mit angekündigter Beschleunigung von weniger als zwei Sekunden von Null auf Tempo 100 und einer Spitzengeschwindigkeit von 400 Kilometer pro Stunde sorgte der Pininfarina Battista in Genf für Aufsehen, zumal die 120 kWh starke Batterie und 1 900 PS-starke Elektromotoren den Supersportler für die Formel E qualifizieren. Ansonsten wird er für zwei Millionen Euro ab nächstem Jahr angeboten.

Vorbestellungen für seinen Hochgeschwindigkeits-Roadster nimmt der E-Autohersteller Tesla bereits in diesem Jahr an, die Produktion soll im nächsten Jahr beginnen. Als schnellstes Serienauto aller Zeiten angekündigt, ist das Basismodell gegenüber dem Pininfarina Battista mit 200 000 Dollar fast ein Schnäppchen. Zudem sind die Leistungsdaten bestechend: knapp über zwei Sekunden von Null auf Tempo 100, über 400 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit, Reichweite 1 000 Kilometer – eine 200-kWh-Batterie soll dafür ausreichend sein. Wenn derartige Supersportwagen die Leistungsfähigkeit des E-Antriebs deutlich machen und damit die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen befördern, scheint deren Sinnhaftigkeit nicht infrage gestellt.

 

Neue Luxus-Cabrios
Irgendwie erinnert der BMW Z4 Roadster immer an den „Dienstwagen“ von James Bond, alias Pierce Brosnan, im Film „Die Welt ist nicht genug“ aus dem Jahr 1999. Nur dass er damals die Bezeichnung Z8 trug und von dem zwischen 2000 und 2003 etwa 6 000 Exemplare gebaut wurden. An diesen Bekanntheitsgrad kann der neue Z4 freilich nicht anknüpfen, doch für die Roadster-Fans hat er zumindest wieder jenes Stoffdach, das sein Vorgänger vermissen lässt. Es öffnet und schließt bis Tempo 50 automatisch in zehn Sekunden. Das Fahrzeugkonzept des neuen BMW Z4 Roadster sei nun konsequent auf Agilität und Fahrdynamik ausgerichtet, heißt es bei BMW. Im Vergleich zum Vorgänger ist dem nur zuzustimmen und auch die 4,5 Sekunden von Null auf Tempo 100 sprechen für sich.


BMW Z4 Roadster steht für Comfort und Luxus [Foto: BMW AG]

 

Mindestens den doppelten Preis, nämlich um die 130 000 Euro, müssen Porsche-Fans für den neuen Porsche 911 Cabrio aufbringen, der in Genf Premiere hatte. Dafür können sie aber
auch mühelos die 300-Kilometer-pro-Stunde-Grenze erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 306 Kilometer pro Stunde angegeben. Möglich macht dies der Hinterradantrieb mit 450 PS. Das Verdeck öffnet und schließt bis Tempo 50 in 12 Sekunden. Nach knapp zwei Sekunden hätte man diese Geschwindigkeit schon erreicht, denn das Cabrio beschleunigt in nur 3,9 Sekunden von Null auf Tempo 100.

Auch McLaren überraschte in Genf mit einem offenen Sportwagen der Superlative. Für einen Preis von 280 000 Euro bekommt man den 720S Spider mit 720 PS, einer Beschleunigung von 2,9 Sekunden von Null auf Tempo 100, Höchstgeschwindigkeit bis 341 Kilometer pro Stunde, Kohlefaserstruktur, stark aerodynamisch geformtem Design, elektrisch angetriebenem Klappmechanismus, der das Verdeck in nur elf Sekunden bis Tempo 50 öffnet oder schließt. McLarens offener Super-Roadster 720S versteht sich als würdiger Konkurrent zum Ferrari 488 oder Lamborghini Huracán.

 

Flexibles Stromtanken
Ein ganzes Netz von Stromtankstellen aufzubauen, ist derzeit die größte Herausforderung, um die Elektromobilität voranzutreiben. 


Die mobile Schnellladesäule funktioniert nach dem Prinzip einer Powerbank [Abb.: Volkswagen Konzern Komponente]

 

Zwar ist die Zahl der zugelassenen Stromer vergleichsweise noch gering, der Jahresabsatz beträgt nicht mehr als 54 000, doch bis 2022 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein, so das erklärte Ziel der Bundesregierung. Allein der VW-Konzern will bis 2025 15 Millionen emissionsfreie Autos, das heißt 50 neue Modelle, produzieren. Eine entsprechende Ladeinfrastruktur, der Aus- und Aufbau von Ladesäulen, ist deshalb essenziell. Da kam die Ankündigung von VW, mobile Schnellladesäulen einzuführen, zur rechten Zeit. Unabhängig vom Stromnetz können sie auf öffentlichen Parkplätzen, Betriebsgeländen oder als temporär eingerichtete Ladepunkte bei Großveranstaltungen eingesetzt werden. Sie funktionieren nach dem Prinzip einer Powerbank. Die Ladekapazität einer Einheit liegt bei bis zu 360 Kilowattstunden. So können bis zu 15 Stromer aufgeladen werden. Dank Schnellladetechnologie dauert ein Ladevorgang durchschnittlich nur 17 Minuten. Unterschreitet die Kapazität der Powerbank 20 Prozent, wird die Ladesäule ausgetauscht. Wird sie hingegen fest mit dem Stromnetz verbunden, steht die Ladekapazität dauerhaft zur Verfügung. Die ersten mobilen Schnellladesäulen werden derzeit im Rahmen eines Pilotprojektes bereits am Heimatstandort der Volkswagen AG aufgestellt. Ab 2020 soll die Ladesäule auch in anderen Städten und Gemeinden zum Einsatz kommen.

 

78 - Frühjahr 2019