Neues Leben

Dank eines visionären Investors hat das legendäre Funkhaus in der Nalepastraße eine vielversprechende Zukunft. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble soll langfristig ein Zentrum für Kultur, Medien und Erlebnisgastronomie werden.

Mit dem Bau des Funkhauses auf einem 135000 Quadratmeter großen Gelände direkt an der Spree wurde die Nalepastraße, im Berliner Bezirk Köpenick gelegen, einst zum Synonym für den Rundfunk der DDR. Es war der sozialistische Gegenentwurf zum „Haus des Rundfunks“ in der Charlottenburger Masurenallee. Der Berliner Rundfunk und der Deutschlandsender waren die ersten Programme nach der Grundsteinlegung 1951 in einem der modernsten Funkhäuser Europas.

Im Dezember 1991 endete die Geschichte des Deutschen Demokratischen Rundfunks. Danach stand das Funkhaus weitgehend leer, nur das Studiogebäude mit dem in der Branche berühmten Großen Sendsaal 1 sowie kleine Aufnahme-, Hörspiel- und Musikstudios wurden von verschiedenen Mietern weiterbetrieben. Bis 2006 änderten sich mehrmals die Besitzverhältnisse, begleitet von undurchsichtigem Finanzpoker, dubiosen Investoren und Spekulanten, was nicht eben zum Erhalt des außergewöhnlichen Gebäudeensembles beitrug.

Im Herbst 2006 erwarb schließlich Albert Ben-David mit seiner Keshet Geschäftsführungs GmbH & Co. Rundfunk-Zentrum Berlin KG das Kernareal des Geländes mit den baukünstlerisch interessanten Gebäuden aus den fünfziger Jahren. Ihre historische Ästhetik und einmalige Geschichte waren für den neuen Investor nicht nur faszinierend, sie ließen auch Pläne für ein visionäres, ehrgeiziges Entwicklungskonzept reifen.

Der Komplex aus Verwaltungs-, Redaktions- und Studiogebäuden steht wegen seiner Architektur und technischen Einrichtungen unter Denkmalschutz. Die Gesamtgestaltung trägt die sehr eigenwillige Handschrift des Architekten Franz Ehrlich, dessen 100. Geburtstag im Dezember vergangenen Jahres begangen wurde. Ausgebildet von berühmten Bauhaus-Lehrern, schuf Ehrlich mit dem Funkhaus Berlin zwischen 1951 und 1956 ein beeindruckendes Zeugnis der klassischen Moderne. Er verzichtete im Außenbereich bewusst auf repräsentative Zufahrten und Eingänge, in den Gebäuden allerdings eröffnen sich großzügige Foyers mit Freitreppen und Eingangshallen. Er untergliederte das Funkhaus in vier funktional getrennte Gebäudeteile, die durch brückenartige, säulengetragene Übergänge miteinander verbunden sind. Im monumental wirkenden Hauptgebäude mit Turmhaus waren die Büros für die Redakteure, die Verwaltung und Aufnahmestudios untergebracht, im Studiogebäude befinden sich bis heute Aufnahme- und Hörspielstudios und der wegen seiner großartigen Klangqualität berühmte Große Sendesaal 1, den inzwischen zahlreiche Dirigenten und Musiker schätzen gelernt haben. Alle Studios haben separate Fundamente, sind durch Hallräume und Dehnungsfugen voneinander getrennt und gänzlich umbaut, so dass Aufnahmen frei von äußeren Geräuscheinflüssen möglich sind. Hier im Studiogebäude spielten Musiker wie A-ha, Sting, die Black Eyed Peas und Nena ihre Alben ein, Daniel Barenboim und Kent Nagano nahmen Sinfonien und Opern auf, und Major-Labels wie Universal, Sony und EMI nutzen die Studios regelmäßig für ihre Musikproduktionen. Insofern sprächen die hervorragenden Aufnahmebedingungen allein schon für einen attraktiven Musik- und Tonaufnahmestandort, wären da nicht die anderen Gebäude, allen voran das 150 Meter lange Hauptgebäude, die ein entsprechendes Nutzungskonzept fordern, um das gesamte Architekturdenkmal zu erhalten. 

So ist nach den derzeitigen Vorstellungen des Investors zunächst geplant, die bestehenden Nutzungen zu intensivieren und neue Mieter, die eine kreativ-kulturelle Atmosphäre und Aufbruchsstimmung schätzen, zu gewinnen: Musikagenten, Tourmanager, Artist & Repertoire-Manager, Musikverleger, Ton- und Lichttechniker, Sounddesigner, Fotografen, Grafiker, Veranstaltungsmanager sowie Webdesigner, Programmierer, Internet-Agenturen u.a.m. Dabei sei es durchaus möglich, die Räume den Wünschen und Anforderungen der neuen Nutzer anzupassen oder gar völlig neue Studios einzurichten, beispielsweise für Fernsehproduktionen. Gleichzeitig aber soll das Gelände Schritt für Schritt nach dem Prinzip der „kleinen Stadt“ entwickelt werden und auch für andere Gewerbemieter offen sein, zumal die Gebäude und Räumlichkeiten mit einer Mietfläche von immerhin etwa 45000 Quadratmetern ganz unterschiedlich nutzbar sind.

Zahlreiche potentielle Mieter vorausgesetzt, gehen die derzeitigen Planungen und Vorstellungen noch einen großen Schritt weiter: Das Funkhaus-Areal soll schließlich ein Zentrum für Medien, Kultur und Entertainment mit umfangreichem Gastronomieangebot werden. Im Jahr 2009 aber bereits mit fast 300000 Gästen zu rechnen, wie unlängst verlautete, ist freilich Spekulation. Zu hoffen ist aber allemal, dass der Investor einen langen Atem hat.

Reinhard Wahren

 

34 - Frühjahr 2008
Stadt