60 Jahre Deutscher Filmpreis

Da treibt es den härtesten Männern Tränen in die Augen. Beispielsweise Constantin-Boss Bernd Eichinger, dem Übervater der deutschen Filmproduzenten, der jetzt mit dem Ehrenpreis zur Würdigung seines Lebenswerkes ausgezeichnet wurde.
Da zieht es den selbstbewusstesten jungen Frauen den Boden unter den Füßen weg. Zu besichtigen bei Sibel Kekilli, die zuerst ihre Schuhe von sich warf, dann barfuß auf die Bühne sprang und dort – vom Ansturm ihrer Gefühle überwältigt – zu Boden sank, weil sie als beste Hauptdarstellerin (in „Die Fremde“) eine Lola erhielt.Burghart Klaußner wiederum, als bester männlicher Hauptdarsteller (in „Das weiße Band“) ausgezeichnet, brach vor dem Mikrophon sogar in Gesang aus mit einem Loblied auf die Lola. So glücklich war er.
Die Lola weckt eben Emotionen, und in diesem Jahr, in dem der Deutsche Filmpreis zum 60. Mal verliehen wurde, gingen die Wogen besonders hoch. Die Verleihung fand erstmals nicht wie sonst im Palais am Funkturm statt, sondern im Friedrichstadtpalast. Nicht gerade der geeignetste Ort für diese Veranstaltung, denn das Promigedränge auf der After-Show-Party war beängstigend. Vor dem Palais am Funkturm hatte vor allem das Publikum, von dem das Kino ja lebt, eine Chance, den Aufmarsch der Stars aus der Nähe mitzuerleben. Vor dem Friedrichstadtpalast gab es diese Möglichkeit nicht. Da verdeckten die Medienleute die Sicht auf Stars und Sternchen, die genau wie Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Seite von Staatsminister Bernd Neumann durch eine Art Laufstall ins Gebäude eilen mussten. So wurde eine tolle Chance zur Selbstdarstellung der Filmbranche und eine große Attraktion für Berlin einfach verschenkt.
Auch Barbara Schöneberger, die bewährt witzige, derzeit hochschwangere Moderatorin des Festakts, verlor an diesem Abend ihre Zielgruppe etwas aus den Augen. Bei ihr war fast mehr von den Leiden und Freuden der Schwangerschaft die Rede als vom Film. Ein solcher Lapsus kann einer Naturwissenschaftlerin wie der Bundeskanzlerin nicht unterlaufen. Als Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Gala die mit 500.000 Euro dotierte Lola in Gold für den besten Spielfilm an Michael Hanekes Drama „Das weiße Band“ verlieh, brachte sie in ihrer Preisrede die Sachlage trocken auf den Punkt mit dem Satz: „Wir danken an dieser Stelle auch nochmal den Steuerzahlern.“
Zum Glanz der Veranstaltung trugen nicht nur die beiden neuen Präsidenten der Filmakademie – die die Preise verleiht und die Gala veranstaltet – bei: Iris Berben und Bruno Ganz. Größte Aufmerksamkeit wurde dem Ausnahmeschauspieler und diesjährigen OSCAR-Preisträger Christoph Waltz zuteil, der nun leider mehr interessante Angebote aus Hollywood als aus Deutschland erhält.
Gudrun Gloth

43 - Sommer 2010
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