Bewegende Augenblicke und Freude pur

„Deutscher Filmpreis 2009" im Palais am Funkturm
Es gibt Momente der Wahrheit, die sich nicht inszenieren lassen. Sie kommen unvermutet und setzen auch bei sonst beherrschten Menschen überwältigende Emotionen frei. Einen solchen Moment gab es gleich zu Beginn der Verleihung des „Deutschen Filmpreises 2009". Da wurde ein Ausnahme-Künstler mit dem „Ehrenpreis für hervorragende Verdienste um den deutschen Film" ausgezeichnet: Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow, besser bekannt als Vicco von Bülow, noch besser bekannt als Loriot. Als der inzwischen 85-jährige preußische Gentleman (Regisseur, Schauspieler, Zeichner und Karikaturist, Drehbuchautor, Schriftsteller, Bühnen- und Kostümbildner in einer Person) die Bühne des Palais am Funkturm betrat, riss es das fachkundige Publikum förmlich von den Stühlen. Ein Beifallsorkan brach los für diesen noblen alten Herrn, dessen feinsinnigem Humor wir unter anderem die Filme „Ödipussi" und „Pappa ante Portas" verdanken, beides Höhepunkte deutscher Komödienproduktion und Kassenschlager dazu. Die Wogen aus Freude, Bewunderung und Rührung schlugen hoch. Die TV-Kameras fingen nasse Augen ein. Speziell bei Iris Berben und Kulturstaatsminister Bernd Neumann, aus dessen Füllhorn die Preisgelder kommen. Sehr berührend später auch das glückstrahlende Gesicht Ursula Werners, ausgezeichnet als beste Hauptdarstellerin für ihre mutige Leistung in dem Andreas Dresen-Film „Wolke 9" (über das Tabu-Thema Sex im Alter). Ulrich Tukur, als Titelheld in dem Großfilm „John Rabe" siegreich im Rennen um die „Goldene Lola" und für originelle Dankesreden bekannt, gab wieder einmal eine köstliche Kostprobe dieses seltenen Talents. Diesmal schilderte er seine Erfahrungen mit chinesischer Küche während der Außenaufnahmen in Shanghai so ausführlich, dass er zuletzt nur noch im Kniegang das im Bühnenboden versinkende Mikrophon erreichen konnte. Einen Preis als bester Verlierer hätte Constantin-Boss Bernd Eichinger verdient, dessen Großproduktion „Der Baader-Meinhof-Komplex" zwar für den „Oscar" wie auch für die „Lola" nominiert war, aber weder in Hollywood noch in Berlin zu den Gewinnern zählte. Es war „John Rabe", die wahre Geschichte eines lange verkannten deutschen Helden, der als bester Spielfilm mit 500.000 Euro prämiert wurde. Eichinger nahm die Niederlage mit unbewegter Pokermiene hin. Bester Regisseur wurde Andreas Dresen für „Wolke 9". Die Preise als beste Nebendarsteller gingen an die kesse Sophie Rois („Der Architekt") und den jubelnden Andreas Schmidt („Fleisch ist mein Gemüse"). Alles in allem ein kurzweiliger und vergnüglicher Abend, moderiert von der großartigen Barbara Schöneberger, die sympathischerweise auch Witze auf eigene Kosten machte. Sehenswert und talentiert wie sie ist, kann sie sich das freilich auch leisten. Was man sich hingegen nach mitteleuropäischen Gastgeberregeln überhaupt nicht leisten darf, muss hier leider auch noch gesagt werden: Man darf keine Gäste zu einer langen Gala einladen, wenn man sie anschließend nicht verköstigen kann oder will. Auch angesichts der Tatsache, dass die meisten Sponsoren im Zuge der weltweiten Finanzkrise offenbar die Taschen ihrer Spendierhosen zugenäht haben, müssten doch Mittel und Wege zu finden sein, um die Gäste nicht derart darben zu lassen, wie es an diesem ansonsten traumhaft schönen Vorsommerabend im Palais am Funkturm geschah. Zu hoffen ist, dass wenigstens für den Ehrenpreisträger Vicco von Bülow angemessen gesorgt wurde. Die jüngeren Gäste flüchteten schnell in die angesagten Restaurants der Stadt und verhalfen dadurch wenigstens Berlins Gastronomie für diesen Abend zu guten Einnahmen.

Gudrun Gloth

39 - Sommer 2009
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