Der moderne Dandy lässt grüßen

Männer im Winter. In Krisenzeiten reagiert der Verbraucher bewusster, achtet mehr noch als bisher auf das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Einkauf. Die Mode reagiert. Auf der Messe für Männermode, der Pitti Uomo in Florenz, zeigten die Trends für den kommenden Winter eine veränderte Auffassung: Das Erscheinungsbild des Mannes gleicht eher dem eines gutbürgerlichen Biedermannes denn dem eines ausgeflippten Jünglings. Die Mode ist weniger aggressiv und weniger jung und verzichtet auf offensichtliche Übertreibungen. Sie konzentriert sich auf wertvolle Stoffe, wie Seide, Cashmere, feine Wolle, Tweed, Glencheck, Flanell und Baumwollsatin sowie Samt und Cord. Alles in schneidergemäßer Verarbeitung. Der Anzug oder Sakko erscheint manchmal im Großvater-Look, so mit voluminösen Revers und geknöpfter Weste. Eine gewisse Rückbesinnung ist nicht zu leugnen. Da ist sogar vom modernen Dandy-Look die Rede oder einer Hommage an Oscar Wilde. Handwerkliche Perfektion, beste Qualitäten, perfekte Passform und höchster Tragekomfort sind unabdingbarer Anspruch. Andererseits sind gewollte „Brüche" zu verzeichnen, raffinierte Zusammenstellungen verschiedener Stoffe, Dessinierungen und Farben, ein Mix edler Qualitäten, clean mit angerauht großen Karo-Checks mit Kleinmustern oder aktuelle Beerentöne mit dem Traditions-Grau. Die aufgelockerte Anzugmode und die wieder mehr korrekte Sportswear gestatten dem Verbraucher viele Kombinationen. Bevorzugte Farben: Grau-Nuancen, wie Aluminium, Zink oder Stahl sowie Offiziersblau - und, ähnlich der Damenmode, warme Beerentöne. Häufig sieht man Karos, Tartan, Blackwatch, Vichykaros. Erwähnenswert: Freizeitmode wird luxuriös, Jeans auch in Schwarz oder Schlammfarben. Bei Sakkos und Jacketts gibt es abknöpfbare Westen, auch per Reißverschluss zu trennen, so dass Mann einmal korrekt, ein andermal lässig erscheint. Destrukturierte Sakkos können als mögliche Reaktion auf die prekäre Wirtschaftslage interpretiert werden, ohne Futter und Schultereinlage, super softig und super leicht. Sie heißen in Italien „neapolitanische Schulter". Viele Sakkos und Jacken haben sogenannte Tresortaschen, Innentaschen mit Reißverschlüssen, um Geld und Utensilien des Trägers vor Überfällen zu schützen. Auch gegen Zugriffe seitens Staat und Banken? Eine Art Krisenanzug?

Kurt Geisler

39 - Sommer 2009