Alpenruhe, Adagio und Adrenalin

In Gstaad und dem Saanenland ist die Schweiz so, wie man sie sich schon immer vorgestellt hat. Und gleichzeitig kann man im Herzen des Berner Oberlands auch unerwartete Hochkultur, philosophische Entspannung - und Adrenalin - finden. Gstaad - das ist für viele gar nicht so einfach auszusprechen. K-Schtaad, so ungefähr klingt es bei den Einheimischen. Das Örtchen Gstaad mit 3400 Einwohnern liegt im Berner Oberland in der Schweiz. Das Besondere und besonders Schöne an Gstaad sind die nahen Berge und die einzigartige Atmosphäre, die von ihnen ausgeht. In Gstaad ist die Schweiz so, wie man sie sich immer vorgestellt hat. Es gibt von der Sonne gegerbte Holzchalets, urige Einheimische und weltläufige Besucher. Was es nicht gibt, ist Autoverkehr: Gstaad ist seit zehn Jahren autofrei. Der weltberühmte Geiger und Dirigent Yehudi Menuhin hat Gstaad schon in den fünfziger Jahren entdeckt und starb als dessen Ehrenbürger. Aber auch lebende Prominente kommen nach Gstaad, nicht nur zum Skifahren. So wohnt etwa der französische Schlager- und Popsänger Johnny Hallyday - in seiner Heimat noch immer ein Superstar - seit vielen Jahren hier, und Roger Moore wedelt im Winter die Pisten hinunter. Doch die Prominenten und der oberflächliche Glamour sind es nicht, die den Charakter des Ortes prägen. Gstaad ist bodenständig geblieben. Anders als etwa in St. Moritz legt hier niemand Wert darauf, den Steinreichen und Weltberühmten ständig über den Weg zu laufen. Hier soll man in der guten Luft auf mehr als 1000 Metern Höhe zu sich selbst und zur Ruhe kommen. So heißt der Wahlspruch von Gstaad denn auch „Come up - slow down". (Komm' hoch zu uns und komm' runter) Das Dörfchen Gstaad ist eingebettet in eine malerische Region mit dem Namen „Saanenland". Es hat seinen Namen von dem Flüsschen Saane, das sich durch die ganze Region zieht. Neben Gstaad gehören dazu auch Ortschaften wie Saanen, Schönried und Saanenmöser. Wer gerne einen größeren Bogen um den touristischen Betrieb macht, findet hier auch besonders preiswerte Unterkünfte. Gstaad und das Saanenland kann man im Sommer wie im Winter genießen. Im Winter finden Schnee- und Sportfans alles, was sie sich nur wünschen: Für Funsport ist genauso gesorgt wie für Wellnessangebote in zahlreichen Ausrichtungen. Im Sommer lockt neben den milden Nächten vor allem die Kultur. So findet etwa im Hochsommer jeweils das für Eingeweihte legendäre Yehudi-Menuhin-Festival statt. Zu Lebzeiten des Maestros hatte es nur aus einigen wenigen Konzerten bestanden. Inzwischen hat es sich zu umfangreichen Klassik-Festwochen ausgewachsen. Dass dabei seit jeher auf aggressive Werbung verzichtet wird, versteht sich von selbst. Diejenigen, die es wissen müssen, haben Gstaad als Reiseziel für klassischen Musikgenuss schon seit vielen Jahren auf der persönlichen Landkarte. In diesem Jahr werden unter anderem die weltberühmte Pianistin und Wolfsforscherin Hélène Grimaud, die argentinische Cellistin Sol Gabetta und die italienische Sopranistin Cecilia Bartoli in Gstaad gastieren. In dem speziellen Spannungsfeld aus bodenständiger Schweizer Gastlichkeit und internationaler Eleganz hat sich die Hotellerie in der Region gut entwickelt. Neben familiären Unterkünften in rustikaler Tradition gibt es auch genügend Luxus. Erstes Haus am Platz ist das Hotel Palace. Das schlossartige Anwesen thront hoch über Gstaad und bietet alle Annehmlichkeiten, die in Fünf-Sterne-Häusern üblich sind, sowie einen wunderschönen Blick dazu. Eine exklusive Kombination aus Tradition und Avantgarde hat das weit über die Region hinaus bekannte „Chlöschterli" berühmt gemacht - das Klösterchen. In einem der ältesten Gebäude des Ortes, einer ehemaligen Abtei, befindet sich nämlich eine der modernsten Inneneinrichtungen. Neben Alpenbistro mit Spitzenküche gibt es im Chlöschterli auch eine stylische Lounge und eine Disko auf internationalem Niveau - was sich allerdings auch preislich bemerkbar macht. Wem das Tanzen mit den Schönsten der Welt und das Ächzenlassen der Kreditkarte mit den Reichsten nicht genügt, der kann sich den endgültigen Adrenalinstoß im Bergrestaurant „Refuge l'espace" direkt am Les Diablerets-Gletscher holen. Das Refuge befindet sich auf 2900 Metern Höhe. Direkt vor der Terrasse fällt der Fels steil ab in eine Schlucht. Wer geradeaus schaut, sieht die weite Bergwelt. Ein Blick in die Tiefe empfiehlt sich nur bei guten Nerven. Für Besucher wiederum, die ihre intensivsten Erfahrungen lieber in Stille machen, gibt es einen besonderen Spazierweg. Posthum ehrte die Gemeinde ihren Ehrenbürger mit einem „Yehudi-Menuhin-Philosophenweg". Dieser verläuft zwischen der Kapelle in Gstaad und der Kirche in Saanen und kann in ungefähr einer Stunde bewältigt werden. Unterwegs begegnet man Tafeln mit Gedanken und Aphorismen des humanistischen Weltbürgers, eingebettet in die überwältigende Natur. So sind es bei aller Gemütlichkeit die Extreme, die den Reiz von Gstaad im Berner Oberland ausmachen: Hier trifft nicht nur modernster Lifestyle auf urige Schweizer Bodenständigkeit, sondern auch schönste Oberfläche auf geistige Tiefe. Trotz ihrer über 100-jährigen Tourismusgeschichte wird in der Destination Gstaad alpine Echtheit gelebt. So gibt es rund 150 Landwirtschaftsbetriebe, 80 noch betriebene Alpen und etwa 7000 Kühe. Die Häuser im Chalet-Baustil prägen die Dörfer der Region. Wälder, Wiesen, Bäche und Seen - umrahmt von einem herrlichen Bergpanorama - sorgen für eine beeindruckende Kulisse.

Inge Hummel

 

 

Kulinarischer Tipp: Die Chesery im Herzen Gstaads ist ein sehr gemütliches Chalet-Restaurant, geführt von dem vielfach ausgezeichneten Sternekoch Robert Speth. Hobbyköche können nach Saison und Angebot Zutaten vor Ort kaufen.

39 - Sommer 2009