Berlin-Macher Dieter Hallervorden

Wenn man Dieter Hallervorden gegenübersitzt und mit ihm redet, mag man kaum glauben, dass dieser Mann von den meisten Menschen in Deutschland auf Didi, den „Blödel-König“, reduziert wird. Doch ist es so. Und er weiß auch, dass er das Image als „Spaßmacher der Nation“ nur mühsam abstreifen kann.

Umso mehr freut er sich, wenn – wie zu seinem 75. Geburtstag im vergangenen Jahr – eine Berliner Tageszeitung schreibt: „Vor allem aber hat er sich mit dem Schlossparktheater in Steglitz, das er im September 2009 mit eigenem Geld wiedereröffnete, den späten Traum vom Theater erfüllt. Wer ihn da zum Beispiel als zynischen Premierminister in der Politfarce „König der Herzen“ aufblühen sah, kann erahnen, welche Charakterrollen ihm viele Jahre gefehlt haben. In diesem Sinne: weitermachen!“
Das tat gut. Wenngleich das mit dem „späten Traum vom Theater“ nicht ganz stimmt. Hallervorden selbst nennt es vielmehr „meine große Liebe zum Theater“, und die entflammte bereits ziemlich früh. Als Sohn eines Flugzeugingenieurs und einer Arzthelferin 1935 in Dessau geboren, nahm er nach dem Abitur 1953 zunächst das Studium der Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin auf. Doch als Freigeist, der er schon damals war, floh er 1958 nach West-Berlin, wo er an der Freien Universität neben Romanistik noch Publizistik und – genau – Theaterwissenschaften studierte. Der Kontakt zu einer Französisch sprechenden Studenten-Theatergruppe tat ein Übriges, um ihn auf Bühnenkurs zu bringen.
Nach einer erfolglosen Bewerbung an der Max-Reinhardt-Schauspielschule –man höre und staune: Ablehnung „mangels Talent“ – reüssierte Hallervorden an der Schauspielschule von Marlise Ludwig, kam zu Engagements in der „Tribüne“ und bei den „Vaganten“ und fand erste Anerkennung mit den „Wühlmäusen“, die er 1960 gründete und denen er bis heute als Direktor verbunden ist. In diesen frühen Tagen entwickelte er eine Vielseitigkeit, die von der breiten Masse allerdings nie richtig wahrgenommen wurde. Vielmehr waren es seine Ulk- und Blödelrollen, die auf Situationskomik setzten und damit beim Publikum ankamen. Den Didi spielte er, wie er sagt, „mit Leidenschaft – in der Hoffnung, dass die Leute das komisch finden“. Das taten sie. Die Folge waren Einschaltquoten, von denen die Chefs der Fernsehsender heute nur träumen können.
Mit denen, wie mit allen anderen selbst ernannten Autoritäten, legte sich Hallervorden immer wieder gerne an. Einen öffentlich-rechtlichen TV-Verantwortlichen bezeichnete er – trotz eindringlicher Ermahnung – in Auftritten immer wieder als „braune Hose“, den Chefredakteur eines Privatsenders nannte er „Arsch mit Ohren“, und was manche Politiker betraf, so meinte er, müsse man sie behandeln wie rohe Eier. Und wie behandelt man rohe Eier? „Man haut sie in die Pfanne“, so das überlieferte Zitat.
Einmal sogar sollte es über ein „in die Pfanne hauen“ hinausgehen. Mit einem Freund zusammen wollte Hallervorden den damaligen DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht erschießen. Das ging einer gemeinsamen Freundin denn doch zu weit, die die beiden von dem „Dumme-Jungs-Plan“ abbrachte. „Das war, wie Klein Moritz sich Politik vorstellt“, erinnert sich der 75-Jährige heute, da die wilden Zeiten für ihn vorbei sind, es Wichtigeres gibt, als „um die Häuser zu ziehen“, und er erkennt, „was ich alles versäumt habe.“
Das zielt vor allem auf die Intensität des Familienlebens des in zweiter Ehe verheirateten Vaters von drei Kindern ab. Sein jüngster Spross ist zwölf Jahre alt und damit quasi als „mein persönlicher Fitnesstrainer unterwegs“. Wie früher habe er auch heute noch sehr viel Lampenfieber. Da schaue er sich das Bild von seinem kleinen Sohn an und denke: „Es gibt Wichtigeres als zwei, drei Versprecher oder einen Texthänger.“ Das alles hört sich anders an als das, was man von Didi erwartet. Auch der Satz „Das ist nicht schlimm, wenn man 70 wird, schlimm ist nur, wenn man’s nicht wird“ spricht eine andere, viel feinsinnigere Sprache und zeichnet einen ganz anderen Hallervorden als den, den man über all die Jahre geglaubt hat zu kennen.
Da ist bei Hallervorden von Werten wie Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit die Rede, da erfährt man, dass er froh wäre, wenn er zwei Menschen als seine echten Freunde bezeichnen könnte, und da wird so etwas wie Demut spürbar, wenn er sagt, dass er überglücklich sei, dass ihm die Leute so lange die Treue gehalten hätten und ihn heute noch immer sehen wollten. „Offensichtlich muss man erst so alt werden, um all das zu begreifen“, sagt einer, der keine Homestories mehr von sich will und der nur noch in Talkshows geht, wenn er zum Thema auch wirklich etwas zu sagen hat.
Was das oben bereits erwähnte Schlossparktheater in Steglitz betrifft, so hat dessen Leiter nicht nur etwas zu sagen, sondern auch klare Vorstellungen. „Ich habe den Spielplan so gestaltet, dass ich weitestgehend hinter der Bühne arbeiten kann“, sagt er – und fügt augenzwinkernd hinzu: „Sonst sagen die Leute noch, ich hätte das Theater nur wiederbelebt, um selbst noch auf der Bühne stehen zu können.“ Das mag sagen oder glauben, wer will. Eine gefragte Adresse unter Kollegen ist Hallervorden mit seinem Theater allemal. Allein wer sich bei ihm im Schlossparktheater im vergangenen Februar so alles die Klinke in die Hand gegeben hat und dies im März noch tut, ist beachtlich: Robert Atzorn und Lisa Maria Potthoff, die „Achterbahn“ miteinander spielen, oder Brigitte
Grothum, Dagmar Biener, Jörg Pleva, Philipp Sonntag, Tilmann Günther, Harald Effenberg, Debora Weigert, Santiago Ziesmer, Steffen Laube, Thomas Kästner und Rolf Weise, die „Arsen und Spitzenhäubchen“ auf die Bühne bringen. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert gibt sich die Ehre und liest aus Briefen von Heinrich von Kleist. Für den April haben sich u.a. Stephan Sulke und Nicole Heesters angesagt, im Mai Tim Fischer und Rufus Beck. Das sind schon Namen. Da ist für jeden etwas dabei. Und vielleicht kommen, wie Hallervorden hofft, ja noch „zwei, drei Zuschauer mehr“ als in den vergangenen Wochen und Monaten, dann wird das Projekt Schlossparktheater ganz sicher ein Erfolg. Aber, als ob das nicht anspruchsvoll genug wäre, hat er noch einen großen Wunsch: Einen weiteren großen Spielfilm machen. Anfragen gibt es bereits. Das Einzige, was in diesem Zusammenhang nicht passieren darf, ist, dass die Dreharbeiten in den Ferien liegen. „Dann bin ich mit meinem Sohn in meinem Haus in Frankreich.“ Und da sind die Prioritäten klar. Hallervorden ist bei sich angekommen.

Detlef Untermann

 

46 - Frühjahr 2011