Berlinale mit Wetterglück

Schneeberge und Eisglätte wie letztes Jahr blieben dem diesjährigen Berlinale-Wettbewerb erspart. Etwas Regen am Abend der glanzvollen Festspiel-Eröffnung, aber erst, als die Rote-Teppich-Gala der Stars bereits abgeschlossen war – mehr Wetterunbill gab es nicht. Die Eiseskälte kehrte erst nach der Bären-Verleihung am Ende des Festivals zurück.

Das Wetterglück trug natürlich dazu bei, dass der Potsdamer Platz mit dem Berlinale-Palast allabendlich mehr Schaulustige anlockte als je zuvor. Einheimische und Touristen strömten dort in hellen Scharen zusammen und schufen eine hochgestimmte Festspielatmosphäre, die man vermisste, seit die Berlinale vom Hochsommer in den tiefsten Winter verlegt wurde.
Der Löwenanteil der guten Atmosphäre, die sich von der Berlinale auf die ganze Stadt übertrug, ist Festivaldirektor Dieter Kosslick zu verdanken. Er, der jedes Jahr während der Berlinale sein privates Zuhause und seine Familie verlässt und ins Hotel Esplanade übersiedelt, um praktisch Tag und Nacht im Einsatz für das Gelingen des Festivals zu sein, war praktisch allgegenwärtig.
Er begrüßte die Gäste am Flughafen und am roten Teppich, schaute auf jedem Branchentreffen und jeder der unzähligen Parties wenigstens kurz vorbei, hielt witzige Reden und strahlte dabei so verlässlich gute Laune aus, dass er für seine Leistung als Sympathie-Träger und -Verbreiter ebenfalls einen Goldenen Bären verdient hätte.
Was die diesjährige Filmauswahl betrifft, bot sie freilich wenig Herausragendes. Sicher einer der Gründe: Das Angebot an sich war geringer, da weltweit weniger Filme gedreht worden sind. Eine Folge der internationalen Wirtschaftskrise. Furiose Großfilme wie der wunderbare Edel-Western „True Grit“ („Echter Schneid“) der Coen-Brüder, der als Eröffnungsfilm außer Konkurrenz lief, weil bei A-Festivals eben nur Filme im Wettbewerb konkurrieren dürfen, die nicht schon außerhalb ihres Herstellungslands gezeigt worden sind, fehlten gänzlich. „True Grit“, bereits für zehn Oscars nominiert, war eine filmische Offenbarung weil er zeigte, was Unterhaltungskunst ist: Kunst und Unterhaltung zugleich.
Die Preisträger der Berlinale 2011 waren:
Goldener Bär für den besten Film: „Nader und Simin, eine Trennung“ von Asghar Farhadi.
Silberner Bär/Großer Preis der Jury: „Das Turiner Pferd“ von Béla Tarr.
Silberner Bär für die beste Regie: 
Ulrich Köhler für „Schlafkrankheit“. Silberner Bär für die beste Darstellerin: für das Ensemble der Schauspielerinnen in Asghar Farhadis „Nader und Simin, eine Trennung“.
Silberner Bär für den besten Darsteller: für das Ensemble der Schauspieler in Farhadis „Nader und Simin, eine Trennung“.
Silberner Bär für das beste Drehbuch: Joshua Marston und Andamion Murataj für „The Forgiveness Of Blood“ von Joshua Marston.
Silberner Bär für eine herausragende künstlerische Leistung: Wojciech Staron für die Kamera und Barbara Enriquez für das Production Design in „EI Premio“ von Paula Markovitch.
Der Alfred-Bauer-Preis in Erinnerung an den Gründer des Festivals für einen Spielfilm, der neue Perspektiven der Filmkunst eröffnet: „Wer wenn nicht wir“ von Andres Veiel.

1. Reihe v.l.: Asghar Farhadi, Ulrich Köhler, Sareh Bayat und Sarina Farhadi
2. Reihe v.l.: Peyman Moadi, Ali Asghar Shabazi und Babak Karimi, Joshua Marston und Andamion Murata
3. Reihe v.l.: Wojciech Staron, Barbara Enriquez und Béla Tarr [Fotos: Nobel-Press]


Zu wünschen wäre, dass bei der nächs
ten Berlinale auch Filmbeiträge aus Deutschland zu sehen sind, deren Inhalt keine Nabelschau aus unbewältigter Vergangenheit (Nazi-Zeit und RAF) ist und die nicht bleischwer und verkopft daherkommen, sondern davon erzählen, dass wir trotz allem manchmal Glück gehabt haben in unserer Geschichte und das Dasein genießen können.

Gudrun Gloth
 

46 - Frühjahr 2011