Stimmung verdreifacht

Die Eisbären Berlin sind zum vierten Mal Deutscher Eishockey-Meister. Selbst die Konkurrenz betrachtet das als Erfolg des Systems. Und dabei hat der Ost-Berliner Club die ganze Hauptstadt erobert. „Der vierte Titel innerhalb von fünf Jahren für die Berliner ist kein Zufall. Das ist ein Sieg des Systems", sagt Bundestrainer Uwe Krupp. Für den Wahl-Amerikaner, der eigens für die Vorbereitung und großen Turniere wie die gerade zu Ende gegangene Weltmeisterschaft aus Übersee nach Europa kommt, verkörpern die Eisbären die ideale Basis seiner Auswahl. „Hier wird auf deutsche Talente gesetzt, die ich für die Nationalmannschaft dringend brauche", so Krupp. Mit einem tiefgreifenden Nachwuchskonzept haben die Berliner den früher etablierten Clubs den Rang abgelaufen. „Ich habe zwölf Jahre warten müssen, um mit dem Verein überhaupt oben zu stehen. Mittlerweile sind wir eine anerkannte Größe in Deutschland", sagt Sven Felski. Der Ur-Berliner Publikumsliebling erinnert sich noch genau an die Häme der Konkurrenz, als die Eisbären „auch mangels finanzieller Spannweite" vorwiegend auf den eigenen Nachwuchs zu setzen begannen. „Das hat den Vorteil, dass wir keine satten Profis haben. Alle unsere Spieler sind extrem erfolgshungrig", lobt der Stürmer der Nationalmannschaft seine leistungsorientierten jugendlichen Mitstreiter. So jung und so deutsch wie die Eisbären war nie ein anderer Deutscher Meister in dieser Sportart. Der Club sucht nicht im Turbogang den Erfolg, um dann wie viele seiner Vorgänger aus Mangel an Finanzen sehr schnell wieder in der Versenkung zu verschwinden. Statt zu jeder Saison den halben Kader gegen alternde Profis aus Übersee auszutauschen, was bei anderen Vereinen an der Tagesordnung ist, setzt man in Hohenschönhausen auf Kontinuität und Geduld. „Dadurch sind wir eine sehr gut eingespielte Mannschaft mit einer großen Tugend: unserer Charakterstärke", versichert Felski. Trotz traditioneller Schlachtrufe ist der Verein längst über die Grenzen Hohenschönhausens hinausgewachsen. „Bei uns kommen jetzt etwa 40 Prozent der Zuschauer aus dem Westen. Wir sind ein Berliner Club geworden", urteilt Manager Peter-John Lee. Sogar eingefleischte Maskottchen des einstigen Eisbären-Hassgegners Preußen Berlin finden den Weg über die nicht mehr existierende Sektorengrenze und haben eine Dauerkarte für die O2 Arena. Damit hat sich der von vielen Seiten mit Skepsis betrachtete Umzug vom windigen Wellblechpalast am Sportforum in die Riesenschüssel am Ostbahnhof schon nach der ersten Saison gelohnt. „Kriegt ihr das mit der Stimmung in der neuen Halle denn auch wirklich hin?", hatte sich Milliardär Philip Anschutz aus den USA bei Billy Flynn besorgt erkundigt, als sein Geschäftsführer erwiderte: „Wir verdreifachen die Stimmung." In der Tat haben die Eisbären ihr Publikum, das nicht einmal die 4500 Plätze im Wellblechpalast zu jedem Heimspiel gefüllt hatte, verdreifacht. 14_000 kamen jeweils auf die Ränge, fast eine halbe Million Menschen verfolgte die 32 Meisterschafts-Heimspiele des nun viermaligen Titelträgers. Im Sinne der Fans wurde die preiswerteste Eintrittskarte aus dem alten „Welli" in ihrer Kategorie übernommen, und auch die Stehplätze wurden in entsprechender Zahl berücksichtigt. Nach jeder Demonstration, bei der die Fans gegen zu hohe Bierpreise in der Arena oder gegen die totale Kommerzialisierung ihrer Sportart auf die Barrikaden zogen, setzte man sich zusammen und fand eine Lösung. „Wir haben alle Skeptiker überzeugt", sagt Flynn.

Hans-Christian Moritz

39 - Sommer 2009
Sport