Vom Antennenturm zum Wahrzeichen

Im Herbst 1923 verfolgten etwa 200 Hörer das erste offizielle deutsche Rundfunkprogramm, die legendäre „Funkstunde Berlin“, mehr Apparate gab es nicht. Nur drei Jahre später, am 3. September 1926, wird der Berliner Funkturm eingeweiht.

Neben Schallplatte und Film hatte sich der Rundfunk als neues Massenmedium etabliert. Man übertrug aus Opernhäusern und Konzertsälen, aus dem anfänglichen Sendespiel entwickelte sich das Hörspiel. Berühmte Autoren arbeiteten für den Rundfunk, standen selber vor dem Mikrofon, wie Alfred Kerr, Ernst Toller oder Walter Benjamin. Millionen saßen vor den Apparaten und lauschten Rundfunkvorträgen, Streitgesprächen, Ratgeberrunden und dramaturgischen Experimenten. Die Stahlfachwerkkonstruktion nach Entwürfen von Heinrich Straumer wurde rechtzeitig zur 3. Großen Deutschen Funkausstellung fertiggestellt. Mit seiner vergleichsweise geringen Höhe von 150 Metern – Kritiker sprachen von falscher Sparsamkeit – reichte der Funkturm schon 1932 als Sendemast nicht mehr aus. Längst war er Wahrzeichen und Publikumsliebling geworden. Energie ist das Zauberwort und elektrisiert die Gesellschaft. Zu Füßen des Funkturms sausen die Silberpfeile auf der Avus, und die vor kurzem noch mit dem Kremser gereisten Ausflügler, die schießt der Fahrstuhl gut 50 Meter in die Höhe, um dort zu speisen oder von imposanten 125 Metern aus den Weitblick zu genießen. Architekt Straumer sieht in seinem Bau ein Denkmal der wechselseitigen Beflügelung von Technik und Schönheit. „Der Raumkörper des Restaurants und auch des Aussichtsplateaus verlangte eine andere Form als die Konstruktion eines reinen Antennentunnels. Wenige durften sich eine Vorstellung davon machen, welch sorgfältige Arbeit die Zuführung von Wasser, Gas und Elektrizität in die luftige Höhe verursacht und wie anderseits die Kanäle, die vom Turm runterführen, wieder ein besonderes Problem darstellen.“

[Foto: Berlin vis-à-vis]

 

Der Funkturm verfügt über zwei bautechnische Besonderheiten: Einerseits kommt er mit einer sehr geringen Grundfläche von zwanzig mal zwanzig Metern aus, und zum anderen ist er wahrscheinlich weltweit der einzige Aussichtsturm, der auf Porzellan steht. In seiner ursprünglichen Funktion als selbststrahlender reiner Sendemast sollte somit ein Abfließen der Sendeenergie über die Erdung verhindert werden. Von der Aussichtsplattform blickten schon mehr als 17 Millionen Menschen auf Häusermeer und grünes Umland. Einen ganz eigenen Reiz verspricht das abendliche Panorama im Interieur des behutsam renovierten und den Originalplänen nachempfundenen Funkturm-Restaurants, einer außergewöhnlichen, geschichtsträchtigen Adresse hoch über den Dächern der Stadt.


Das Funkturm-Restaurant [Foto: Michael Haddenhorst]

Brit Hartmann

Informationen
Öffnungszeiten Funkturm-Restaurant:
Mi bis So von 11.30 bis 23.00 Uhr,
Dienstag ab 18.00 Uhr,
Montag Ruhetag

47 - Sommer 2011
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