Der Baumpate

Anlässlich seines 81. Geburtstages feiert das Museum für Naturkunde Ben Wagin, das Berliner Original, den bekannten Künstler und Baumpaten, mit einer außergewöhnlichen Ausstellung

Manche Künstler malen Bilder, andere modellieren Skulpturen oder spezialisieren sich auf Videoinstallationen, und wieder andere – sie sind zugegeben in der Minderheit – pflanzen Bäume. Ben Wagin ist so einer. Klein von Wuchs ist der 81-Jährige, um so größer im Durchsetzen seiner Ideen. Mitte der 50er Jahre war er im damaligen West-Berlin angekommen. Hier gab es für ihn eine Mission: „Und wenn wir mal endlich lernen, auch in der Stadt die Sprache der Blätter an den Bäumen zu lesen, bekommen wir noch ein ganz anderes Alphabet.“ Im gleichen Atemzug spricht er von der menschlichen und der pflanzlichen Bevölkerung einer Stadt. Um die Vermehrung der letzteren hat er sich verdient gemacht. Ben Wagin vermittelt immer wieder zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. In seiner grünen Gärtnerschürze, mit der Gießkanne in der Hand. Ein Baum hat es ihm besonders angetan: der Ginkgo biloba: „Er ist auf mich zugekommen, und irgendwann ich auch auf ihn.“ Gerade wegen des ungeheuren Alters dieses Baumes, 250 Millionen Jahre, sei er von ihm fasziniert. Fast jede Berlinerin und jeder Berliner kam schon in Berührung mit dem Werk Ben Wagins. Auch ohne es zu wissen. Er hat seine Spuren hinterlassen in der Stadt. Da ist der Weltenbaum am S-Bahnhof Savignyplatz, da sind das Parlament der Bäume am Schiffbauerdamm, die Stieleiche an der Britischen Botschaft, die Schwarzkiefer an der Nationalgalerie. Manche werden sich noch an das farbige Schiff erinnern, das 1995 Unter den Linden ankerte, mit Bäumen bepflanzt. Ganz in der Nähe der Humboldt-Universität und der Staatsoper wollte es uns Kulturmenschen ins Gedächtnis rufen, wie sehr wir alle das Wasser zum Leben brauchen. Später zog das Wasserfahrzeug weiter in die Lausitz, in die Tagebaugegend von Gräbendorf. Was nun unterscheidet den pflanzenden Künstler von anderen Naturfreunden? Für Ben Wagin sind Bäume Teile von Zeicheninszenierungen. Er setzt die Pflanzungen in Beziehung zum kulturellen Umfeld des jeweiligen Ortes, macht sie zu Gesamtkunstwerken und gibt ihnen etwas Symbolhaftes. Ben Wagin steckt an in seiner Art, und er lässt nicht locker. Mit der Gießkanne steht er da und sammelt Geld für seine Projekte. Sucht Baumpaten, wo immer er sie finden kann. Ben Wagin ist auch ein Sprachkünstler. Er kreiert Wortspiele und sucht die Literaturgeschichte ab nach Zeugen für sein Verständnis von der Natur des Menschen. Von Jean Paul stammt der legendäre Satz: „Ja, Berlin ist eine Sandwüste, aber wo sonst gäbe es Oasen.“ Dieses Zitat könnte als Motto über der aktuellen Ausstellung Ben Wagins „Natur-Staub-Kunde“ im Berliner Naturkundemuseum stehen. Sie würdigt das Lebenswerk dieses besonderen Künstlers.
Karen Schröder

Informationen
Museum für Naturkunde
Invalidenstraße 43, 10115 Berlin
www.naturkundemuseum-berlin.de

47 - Sommer 2011
Kultur