Wovon werden wir getrieben?

Musikalische und andere Verwehungen bei „Rheingold“ in der Neuköllner Oper

Die gesamte Opernwelt – und wahrscheinlich nicht nur sie – arbeitet und denkt auf Wagners 200. Geburtstag hin, der im Jahr 2013 begangen wird. Die Neuköllner Oper tut dies auch, nur sie ist einen Tick schneller – und wie immer einen Tick anders. Am 18. August ist dort die Uraufführung von „Rheingold Feuerland“ geplant. „Wagner“, sagt Bernhard Glocksin, Autor des Stücks und künstlerischer Leiter der Neuköllner Oper, „hat mit dem ‚Ring’ eine Beschreibung des Börsenwesens geliefert. Wagners nachvollziehbare Figuren agieren international. Grenzen fallen weg, doch Strukturen bleiben.“ Es gehe doch bei Wagner um die Frage: Wovon werden wir getrieben? Es ist die Gier, die Menschen zu Höchstleistungen treibt. Um wieder in die Wagner’sche Mythenwelt zu tauchen: Was tun die Götter und Halbgötter, Riesen nicht alles, um an das Gold der Rheintöchter zu kommen. Sie schließen Verträge, lügen und betrügen, entfalten krankhaften Ehrgeiz. So tauchte Bernhard Glocksin tief in die gedankliche Welt Wagners hinein, um die heutigen Mythen und Verquickungen an die Oberfläche zu holen. Er ließ sich dabei von spektakulären Menschen und Ereignissen inspirieren. George Soros, Spekulant, Philosoph, Querdenker und Wohltäter, ist eine der heute weltweit agierenden Persönlichkeiten, die Glocksin besonders beeindruckte. Vielleicht sind da auch Bill Gates oder Larry Page (Google) zu nennen, die Milliarden verdienen und auch Wohltäter sind. Diese Typen kulminieren in einer Art Wotan. Soros’ Gegenspielerin ist eine aufstrebende Journalistin aus Lateinamerika, die über Kapitalismus und Gier schreiben soll. Und sie konfrontiert den Wohltäter-Spekulanten mit ihrer eigenen Geschichte, den Wasserkriegen in Bolivien. Anfang 2000 kam es zu heftigen Kämpfen, weil das Wasser in privater Hand war. Dann wird es da noch die Figuren eines Roma-Jungen geben, der für die Mafia arbeitet, eine ins Mythische driftende schwarze Frau, die an Erda erinnern mag. Auch dass die Kräfte des Kapitals Griechenland für bankrott erklärten, inspirierte Glocksin, seine Variante des „Rheingolds“ zu erzählen, die in der Neuköllner Oper zwischen New York, Neapel und Bombay spielen wird. Simon Stockhausen, der Komponist der Oper, greift auf Wagner zurück, allerdings elektronisch modifiziert. Glocksin spricht von „Musik-Verwehungen“. Wie immer man die Story der Neuköllner Oper als Zuschauer für sich auf die Wagner-Figuren Wotan, Freia, Fricka, Erda oder Alberich übersetzt – ungewöhnlich interessant wird es auf jeden Fall.
Martina Krüger

Information
Uraufführung 18.8.2011,
weitere Spieltermine: 20., 21., 25. bis 28.8.2011
Im September: 1. bis 4., 8. bis 11., 15. bis 18. und 22. bis 25.

47 - Sommer 2011
Kultur