Kaffee am See

Der Sommer in Charlottenburg ist gerettet: Am Lietzensee gibt es wieder ein Café. Anfang Juni hat das neue Lokal am historischen Ort eröffnet. In Charlottenburg wurden in diesem Frühling nicht nur die Tage länger, sondern auch einige Gesichter: Wenn Anwohner des Lietzensees ihr Feierabendbier im „Spatzencafé" an der nördlichen Spitze des Sees trinken wollten und zuerst vor verschlossenen Türen und später vor einer Baustelle standen. Das wird sich nun ändern. Anfang Juni hat am alten Ort das neue „Bootshaus am Lietzensee" aufgemacht. Nun kann man wieder am Wasser sitzen und den schönen Stadtsee genießen. Mitsamt der Schwäne, die durch die Trauerweiden gleiten, und dem Sonnenuntergang hinter dem Fernsehturm, der durch die uralten Bäume des Lietzenseeparks blitzt. An dieser Stelle des Ufers stand seit 1924 ein Bootshaus, wo die Stadt Ruderboote verlieh. Das Gebäude hatte der erste amtierende Berliner „Gartendirektor" Erwin Barth entworfen. Der Lietzensee ist ein toter Arm der Spree, die umgebenden Bäume gehörten einst zum Grunewald. Im 19. Jahrhundert wurde daraus ein Park in adeligem Privatbesitz, von dem Teile immer öffentlich zugänglich waren. 1910 kaufte ihn die Stadt Charlottenburg und begann vornehme Wohnungen in grüner Umgebung zu bauen. Nach dem Ersten Weltkrieg gestaltete Erwin Barth das Gelände zum ersten Landschaftspark Berlins um. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts versachlichte man ihn schließlich zu einem praktischen Naherholungsgebiet inklusive Kinderspielplätzen und Liegewiesen. Das alte Bootshaus am nördlichen Ende wurde 1973 durch einen Brandanschlag zerstört. An seine Stelle kam ein provisorischer Schuppen. Zwar war die kulinarische Auswahl, die die Pächter anboten, bescheiden. Aber der schöne Blick über den See reichte aus, dass das Café zu einem festen Bestandteil des Kiezlebens wurde. Als das Bezirksamt es 2006 wegen baulicher Mängel schließen wollte, wurden so viele Unterschriften gesammelt, dass der Betrieb um ein Jahr verlängert werden konnte. Im Herbst 2007 war aber endgültig Schluss. Das Spatzencafé wurde abgerissen, und der Bezirk als Besitzer schrieb die Bewirtschaftung des Grundstücks neu aus. Es folgten Rangeleien von verschmähten Interessenten vor Gericht, bis der neue Pächter schließlich alle Bauauflagen erfüllt, alle historischen Pflastersteine beschafft, im Boden festgeklopft und genehmigt bekommen hat, bis der Bootssteg neu und wesentlich größer als zuvor aufgebaut werden konnte. Anfang Juni schließlich haben die Betreiber eines italienischen Restaurants in der Nachbarschaft das Café unter dem Namen „Bootshaus am Lietzensee" neu eröffnet. Nun kann man wieder an diesem charmanten Platz, nur wenige Ecken von der Wilmersdorfer Straße entfernt, am Wasser sitzen und das Charlottenburger Leben genießen. Der Sommer kann kommen - auch am Lietzensee.

Inge Hummel

 

 

Informationen
Viel Interessantes zu Geschichte und Gegenwart des Lietzenseeparks erzählt die Autorin Irene Fritsch in ihrem Büchlein „Leben am Lietzensee" (Textpunkt Verlag).

39 - Sommer 2009
Stadt