Berlin-Macher Klaus von der Heyde

Eine der ältesten und ehrwürdigsten Wirtschaftsinstitutionen Deutschlands ist der 1879 gegründete Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI). Da nimmt es auch nicht Wunder, dass die Amtszeiten der Präsidenten zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg ein Jahrzehnt allemal überdauert haben. Das war bei Jakob Dichter so, bei Heinz Mohr und bei Hans Strathus. Und so wird es auch bei Klaus von der Heyde sein, den der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einmal den „Grandseigneur der Berliner Wirtschaft“ genannt hat. Denn wenn die Ära von der Heyde mit der Mitgliederversammlung Ende September 2011 zu Ende gegangen ist, sind es immerhin über zwölf Jahre, die er Gesicht und Stimme dieser traditionsreichen Einrichtung war.
Dabei wirkt der heute 70-Jährige keinesfalls alt. Wenn auch ein wenig ergraut, strahlt von der Heyde einen jungen- wie jugendhaften Charme aus, der zu dem Elan passt, mit dem er den Verein in den letzten Jahren – gemeinsam mit Geschäftsführer Udo Marin – entwickelt hat. „Als ich mein Amt als Präsident angetreten habe, waren wir knapp über 800 Mitglieder“, erinnert er sich und weist darauf hin, dass der VBKI von über 3000 Mitgliedern vor dem Zweiten Weltkrieg auf 600 nach dem Krieg geschrumpft sei. Mittlerweile liegt die Zahl wieder bei rund 1400 – mit weiter stark steigender Tendenz. Hier habe sich ausgezahlt, dass der Verein vor fünf Jahren neben der persönlichen Mitgliedschaft auch Firmenmitgliedschaften zugelassen habe, von denen es inzwischen 140 gebe.
Aber nicht nur auf das Mitgliederwachstum ist von der Heyde stolz: „Uns ist es gleichzeitig auch gelungen, den Verein stark zu verjüngen.“ Das Durchschnittsalter liege derzeit bei rund 50 Jahren und garantiere damit ein aktives und engagiertes Vereinsleben. Das kann sich in der Tat sehen lassen. Neben den zahlreichen Veranstaltungen wie Podiumsdiskus-sionen, Politik-Frühstücken oder Firmenbesuchen, mit denen sich der VBKI in die Diskussionen in der Stadt thematisch einbringt und einen nicht unbeträchtlichen Einfluss ausübt, fühlt er sich dem Gemeinwohl verpflichtet, was sich in einer Vielzahl von sozialen Projekten ausdrückt.
„Der gemeinnützige Verein ist finanziell so gut aufgestellt, dass wir jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag für unsere Projekte bereitstellen können“, bilanziert der gebürtige Berliner, der sich freut, etwas für die Stadt tun zu können. Das Leuchtturmprojekt des VBKI in Sachen bürgerschaftlichem Engagement ist ohne Zweifel das „Bürgernetzwerk Bildung“, das 2005 ins Leben gerufen wurde und nunmehr über 180 Berliner Schulen und 92 Kindergärten unterstützt. 2000 Lesepaten kommen monatlich mit über 30 000 Kindern in Kontakt und tragen mit ihrem ehrenamtlichen Engagement dazu bei, dass sich die Leistungen der Kinder verbessern.
Die Idee dazu stammt von der ehemaligen Berliner Schulsenatorin Sybille Volkholz, die das Netzwerk leitet und dafür in diesem Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. „Der Erfolg hat ja angeblich viele Väter. Das stimmt nicht. Dieser hat eine Mutter. Frau Volkholz ist und bleibt der unermüdliche Motor und Treiber des Projektes“, so seinerzeit von der Heyde.
Wenn es nach seinem Willen ginge, würde er Berlin zur Hauptstadt des Ehrenamtes entwickeln. „Jeder, der kann, sollte auch etwas tun“ lautet sein Credo. Er selbst wird sich im nächsten Jahr ebenfalls als Lesepate einteilen lassen und sich als ganz normales Mitglied persönlich der Förderung gerade benachteiligter Kinder widmen. Als Vater zweier – inzwischen erwachsener und studierter – Töchter weiß er, wie wichtig der direkte persönliche Kontakt ist.
Für von der Heyde ist das Engagement des VBKI sichtbarer Ausdruck der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmern. „Ein Unternehmen muss Gewinn machen, sonst gäbe es das Unternehmen nicht. Aber Gewinne machen allein reicht nicht. Ein Unternehmen trägt Verantwortung für die Gesellschaft, in der es wirkt. Die Gesellschaft muss das Wirken des Unternehmers als ihr langfristig zuträglich empfinden. Das tut sie, wenn das Unternehmen gesellschaftliche Anliegen, Belange der Umwelt mit berücksichtigt. Und das ist auch gut für das Unternehmen, denn es kann keinen Erfolg gegen die Gesellschaft erzielen. Unternehmen verhalten sich ethisch – wenigstens die meisten – nicht nur, weil das dem Menschenbild und dem persönlichen Ethos der handelnden Personen entspricht, sondern weil es im Überlebensinteresse des Unternehmens vernünftig ist“, hat er in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ einmal ausgeführt.
Da kommt es nicht von ungefähr, dass von der Heydes VBKI im letzten Jahr Schlagzeilen mit einem Thema gemacht hat, das so gar nicht in unsere Zeit zu passen scheint, aber wichtiger denn je ist: der ehrbare Kaufmann. Seit Jahren gibt es den „Arbeitskreis Wirtschaft und Ethik“, der weiß: Eine Wirtschaftsordnung, die keine Akzeptanz mehr genießt, schafft sich selber ab. Und so wurden dort Leitsätze ehrbaren Wirtschaftshandelns formuliert, die auf der Website des VBKI nachzu-lesen sind. Da finden sich dann Sätze wie: Ehrbare Kaufleute richten ihr Handeln an Tugenden aus, die lang-fristiges Vertrauen schaffen. Oder: Ehrbare Kaufleute unterstützen das Gemeinwohl in der Gesellschaft. Da versteht man, wenn der Rechtsanwalt und ehemalige Bankenvorstand vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise nur den Kopf schüttelt und
feststellt: „Die Banker haben nichts gelernt.“
Mehr Freude hat von der Heyde da an den Mitgliedern des VBKI: „Wir haben in der Breite Menschen, die daran interessiert sind, an Themen mitzuarbeiten, die für die Stadt von Belang sind.“ Blickt man in das Mitgliederverzeichnis des VBKI, finden sich zahlreiche Namen bekannter Berliner Unternehmerpersönlichkeiten: „Wir bieten die Diskussionsbasis, und sie leisten den Dienst an der Sache.“ Das soll auch so bleiben. Mehr noch: Von der Heyde hofft, dass Berlin auch in wirtschaftlicher Hinsicht stärker wahrgenommen wird und sich beispielsweise der renommierte VBKI-Ball noch mehr zu einem Treffpunkt der ganzen deutschen Wirtschaft entwickelt. Und vielleicht schafft es ja der Nachfolger, und der Verein wird wieder der, der er vor dem Krieg schon einmal war: ein gefragter Ratgeber der Regierung. Schaden würde es sicher nicht.

Detlef Untermann

48 - Herbst 2011