Aufsteigende Kraniche und kräuselnde Wellen

Die Havelländische Malerkolonie am Schwielowsee erhält europaweite Anerkennung.

Wer hätte das vor noch zehn Jahren gedacht? Nun spielt Ferch (Landkreis Potsdam-Mittelmark) endgültig in einer Liga mit Worpswede und Ahrenshoop, aufgenommen in die Europäische Vereinigung der Künstlerkolonien. Eine Tatsache, die auch touristisch nicht hoch genug einzuschätzen ist, zumal die meisten der Malerhäuser noch existieren und für Interessenten lohnenswerte Ziele sind. Auf einem Künstlerpfad kann man sie erkunden.

Links: Arthur Borghard: „Bauerngehöft am Kornfeld“, 1910; Rechts: Karl Hagemeister: „Auffliegender Fischreiher“, 1888 [Abb.: Katalog]


Den Anfang haben Ende des 19. Jahrhunderts die beiden Malerfreunde Carl Schuch (1846–1903) und Karl Hagemeister (1848–1933) gemacht. Gerade Hagemeister, der in Werder als Sohn eines Obstbauern geboren wurde, gilt heute als Spiritus Rector der Havelländischen Malerkolonie.
Er war es, der als erster durch sein Wirken die Gegend kunstwürdig machte. Er malte die Havelseen mit ihren Seerosen, den kräuselnden Wellen und auffliegenden Fischreihern. Dabei ging es ihm darum, das Wesentliche hinter den Dingen sichtbar zu machen, um das Organische als Prinzip. Überliefert ist sein Qualitätsurteil: „Det wächst“. Durch seinen Freund Karl Hagemeister lernte der aus einer wohlhabenden Familie stammende Wiener Maler Carl Schuch 1878 das Havelland als Sujet schätzen. Hier gab es noch das ursprüngliche Leben der Bauern und Fischer. Anders als Hagemeister ging es Schuch in seinen Werken vor allem um die Verbindung von Natur und Architektur. Schilfgedeckte Häuschen, Holzstapel und runde Backöfen wurden zu seinen Bildinhalten.
Das Leben und Wirken der beiden so ungleichen Malerfreunde bildete gleichsam die Wurzel des Havelländischen Künstlerkreises. Ihnen sollten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zahlreiche andere Malerinnen und Maler folgen. Sie kamen als Sommerfrischler und Gäste. Einige blieben für immer. Ein auch in Künstlerkreisen äußerst beliebtes Wirtshaus, das auch heute noch exis-tiert, befand sich in Baumgartenbrück, an der Havelenge zwischen Templiner See und Schwielowsee. Ein Austausch zwischen den einzelnen Künstlern fand auf freundschaftlicher Ebene immer wieder statt, so viel ist belegt. Feste Organisationsformen beziehungsweise ein Manifest, wie man sie aus anderen Künstlerkolonien kennt, gab es im Havelland nicht. Dennoch verließen viele der beteilig-ten Maler immer wieder auch die brandenburgische Provinz, um sich in Berlin und auf Reisen in die großen Kunstzentren wie München und Paris Anregungen zu holen. Als Mitglieder der Berliner Secession hatten viele von ihnen, darunter neben Karl Hagemeister Emil Pottner (1872–1942), Julie Wolfthorn (1864–1944), Theo von Brockhusen (1882–1919) und Magnus Zeller (1888–1972), Anteil an der impressionistischen Stilbildung.
Wenngleich auch Orte wie Caputh, Petzow und Geltow bei den Künstlern beliebt waren, so wurde doch Ferch, am südlichen Ende des Schwielowsees gelegen, zum eigentlichen Zentrum der Havelländischen Malerkolonie. Hier lebten einige der Künstler teils in enger Nachbarschaft, was einen regen Austausch zur Folge hatte.
Allein im Fercher Ortsteil Neue Scheune ließen sich Hans-Otto Gehrke (1898–1988), Arthur Borghard (1880–1958), Hermann Tischler (1866–1932) und Carl Goebel (1866–1936) nieder. Während sich einige nur kleine reetgedeckte Häuschen leis-ten konnten, haben sich andere große villenartige Gebäude errichtet.
Carl Goebel etwa, der aus einer wohlhabenden Mainzer Unternehmerfamilie stammte, baute in Ferch das dreistöckige „Haus am See“, das er auch als Pension und Malschule betrieb. Im heute hier betriebenen Ausflugslokal samt Biergarten und Dampferanlegestelle herrscht die Saison über Hochbetrieb.

Blick auf den Schwielowsee in [©TMB-Fotoarchiv/Bernd Kroeger]


Einen ganz anderen Charakter hat das verwunschene Grundstück von Hans-Otto Gehrke. Eva Foerster, die Frau des Staudengärtners Karl Foerster, hatte es einmal als „Zaubergarten“ bezeichnet. Noch heute ist das Häuschen mit dem arg verwunschenen Efeugarten und der Brücke über den Uferweg in Ferch zu bewundern.
Seit 2002 widmet sich der Förder-verein Havelländische Malerkolonie diesem besonderen künstlerischen Erbe. Er betreibt in einem alten reetgedeckten Kossätenhaus in Ferch ein Museum, das die Geschichte der Künstlerkolonie dokumentiert und wechselnde Ausstellungen organisiert. Der Förderverein ist auch Herausgeber eines kürzlich erschienenen Buches über die Künstlerkolonie.

Karen Schröder

Information
Museum der Havelländischen Malerkolonie,
Beelitzer Str. 1 | Ecke Dorfstraße,
14548 Schwielowsee / OT Ferch
 

48 - Herbst 2011