Renaissance des Westens

Mit der westlichen Innenstadt gehe es „steil nach oben“, sagt Stadtentwicklungssenator Michael Müller beim Bezirksbesuch. Ortskundige wissen schon lange, dass es sich rund um den Ku‘damm angenehm wohnt. Mittlerweile interessieren sich aber auch Menschen für den Bezirk, die noch vor kurzem die In-Viertel von Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain für das Nonplusultra hielten. Die Folge: Neu geschaffene Wohnungen in der City West finden reißenden Absatz.

„Das Cumberland ist ausverkauft“, konnte Dirk Germandi, einer der Investoren, nur sieben Monate nach Vertriebsstart melden. Dabei waren nicht weniger als 186 Wohnungen zu vermarkten – und die bewegten sich mit Preisen zwischen 4.500 und 7.500 Euro pro Quadratmeter in einem für Berliner Verhältnisse sehr teuren Segment. Doch die Aussicht, direkt am berühmten Boulevard zu wohnen, überzeugte offenbar Interessenten mit dem etwas dickeren Portemonnaie. „Die Nachfrage war so groß, dass wir das Cumberland drei Mal hätten verkaufen können“, freut sich Germandi. Zusammen mit seinen Geschäftspartnern Detlef Maruhn und Thomas Bscher – Letzterer ist für den Gebäude­teil mit Läden und Büros direkt am Ku‘damm zuständig – entschloss er sich, den riesigen Komplex zu revitalisieren, der sich vom Kurfürstendamm bis hin zur Lietzenburger Straße erstreckt. Dabei erkannte das Trio mit Blick auf die Innenhöfe, dass diesem Standort nicht ein Hotel oder ein Shopping-Center – wie es frühere Möchtegern-Investoren planten – angemessen ist, sondern schwerpunktmäßig Wohnnutzung. Dass Wohnungen in der City West begehrt sind, haben mittlerweile auch andere Marktbeobachter erkannt. „In fünf Jahren wird Charlottenburg wieder die attraktivste und auch teuerste Wohnlage in Berlin sein“, ist Maklerunternehmer Corvin Tolle überzeugt. Dabei profitiert der Wohnstandort nach Ansicht Tolles von den zahlreichen gewerblichen Bauprojekten: „Mit der Eröffnung des Waldorf Astoria, der Fertigstellung des Bikini-Hauses und der Neugestaltung des Tauentzien wird das Umfeld insgesamt deutlich attraktiver.“

Zu diesem Aufschwung trägt auch das Bauvorhaben direkt neben dem Haus Cumberland bei. Unter dem Projektnamen N° 195 Ku‘damm saniert das Unternehmen Freo ein denkmalgeschütztes Hochhaus und ergänzt es durch einen Neubau für weitere Läden und Büros. Obwohl die Bauarbeiten erst gegen Ende dieses Jahres abgeschlossen sein werden, sind die 15 200 Quadratmeter Einzelhandels- und Bürofläche nach Angaben des Investors bereits jetzt zum großen Teil vermietet – unter anderem an die stadtweit bekannte Edel-Currywurstbude Bier‘s Ku‘damm 195.

Während Freo auf den Bau von Wohnungen verzichtete, baut das Immobilienunternehmen Gädeke & Sons an der Emser-/Ecke Lietzenburger Straße ein ehemaliges Verwaltungsgebäude in ein Wohnhaus um. In dem auf den Namen Amisia getauften Baudenkmal entstehen 27 Wohnungen, die mit Preisen von bis zu 6.850 Euro pro Quadratmeter ebenfalls äußerst exklusiv sind. Trotzdem hatte das beauftragte Maklerunternehmen keine Probleme, Käufer zu finden. Nicht weniger erfolgreich war die Firma Artprojekt, die direkt daneben, an der Emser Straße 31, das Ludwigkirchpalais mit 17 Luxuswohnungen errichtet hat.

„Solche Neubauvorhaben sind dringend nötig“, findet André Adami, Wohnungsspezialist beim Analysehaus BulwienGesa. Im vergangenen Jahr nahm er den Wohnungsmarkt rund um den Ku‘damm unter die Lupe. Das zentrale Ergebnis: Während Charlottenburg-Wilmersdorf zunehmend als Top-Wohnlage wahrgenommen wird und deshalb auch die Nachfrage nach Wohnraum steigt, entstehen zu wenige neue Wohnungen. Deshalb besteht laut Adami die Gefahr, dass es im Jahr 2020 im Bezirk „einen akuten Wohnungsmangel“ geben wird.

Bereits jetzt äußert sich die Verknappung in steigenden Mieten. Laut dem Wohnmarktreport der GSW erhöhte sich im vergangenen Jahr die Miete der in Inseraten angebotenen Wohnungen im Postleitzahlbezirk 10629 (das sind die Straßenzüge direkt nördlich des Kurfürstendamms) um fast sieben Prozent. Mit einer Durchschnittsmiete von neun bis zehn Euro pro Quadratmeter werden hier so hohe Mieten verlangt wie in nur wenigen anderen Gegenden Berlins.

Besonders begehrt sind dabei großzügige Wohnungen in repräsentativen Gründerzeithäusern – doch die sind mangels Angebot nur selten zu mieten oder zu kaufen. Projektentwickler suchen deshalb nach Möglichkeiten, um Wohnungssuchenden eine qualitativ hochwertige Alternative zu bieten. Die Folge sind neue Wohnhäuser, beispielsweise in der Fasanenstraße 49­ (Fasanengärten), der Schillerstraße 7 und der Dahlmann-/Ecke Sybelstraße. Fast immer entstehen in diesen Neubauten Eigentumswohnungen. Eine Ausnahme stellen die Rosengärten dar. Dieses Großprojekt in der Württembergischen Straße, nur einen Steinwurf vom Ku‘damm entfernt, umfasst neben 144 Eigentums- auch 70 Mietwohnungen. Der Forderung nach preiswertem Mietwohnungsbau werden sie bei einer durchschnittlichen Kaltmiete von 13,10 Euro pro Quadratmeter allerdings nicht gerecht. Die Eigentumswohnungen kosten im Mittel 4.150 Euro pro Quadratmeter. Trotzdem waren zum Zeitpunkt des Richtfestes im April nach Angaben des Investors, der Bauwert Investment Group, nur noch ganz wenige Einheiten zu haben. „Die Kombination aus parkähnlichen Gartenanlagen und hochwertiger Ausstattung der Wohnungen“, begründet Bauwert-Gesellschafter Jürgen Leibfried den Vermarktungserfolg, „begeistern sowohl Berliner als auch Käufer aus Westdeutschland und dem gesamten europäischen Ausland.“ Diese international orientierte Klientel ist indes auf eine gute Verkehrsanbindung angewiesen. Und da fürchten manche, von der City West aus sei der neue Flughafen in Schönefeld schlecht zu erreichen. Doch diese Bedenken entkräftete Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg, unlängst auf einer Veranstaltung der AG City: „Jede Viertelstunde startet ein Airport-Express vom Terminalbahnhof zum Berliner Hauptbahnhof. Und zum Bahnhof Zoo muss man nicht einmal umsteigen.“

Emil Schweizer

 

51 - Sommer 2012