Lebensspender und Heilquelle

Der Mensch kann etwa einen Monat ohne Nahrung leben, aber nur fünf bis sieben Tage ohne zu trinken. Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Jedoch auch äußerlich angewendet in Form von Bädern, Güssen oder Wickeln entfaltet das Lebenselixier seine wohltuende Wirkung.

„Alles ist aus dem Wasser entsprungen und alles wird durch Wasser erhalten.“ Treffender als es Johann Wolfgang von Goethe formulierte, lässt sich die Bedeutung des neben Feuer, Luft und Erde vierten Urelements nicht beschreiben. Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht. Wir trinken es, waschen uns damit, bewirtschaften unsere Felder und erzeugen Energie mit Wasser. Und nicht zuletzt hat der flüssige Grundstein des Lebens auch auf unsere Gesundheit wohltuenden Einfluss.

Der menschliche Körper besteht zu über 70 Prozent aus Wasser, das Gehirn sogar zu 85 bis 90 Prozent. Wasser ist Transport- und Lösungsmittel Nummer Eins in unserem Körper. Alle physiologischen Vorgänge erfordern Wasser, die Beförderung von Nährstoffen und Vitaminen an die richtigen Stellen ebenso wie der Abtransport von Gift- und Ausscheidungsstoffen. Wasser geht dem Körper täglich verloren und muss ersetzt werden. Wassermangel führt rasch zu Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leis­tungsfähigkeit und ist Ursache vieler Beschwerden und Schmerzen: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopf-, Bauch- und Gelenkschmerzen, Hus­ten, Verstopfung und Migräne können durch Dehydrierung entstehen. Die regelmäßige Zufuhr von Wasser ist also von großer Wichtigkeit. Ein Teil des Flüssigkeitsbedarfs wird durch die Nahrung gedeckt, zusätzlich soll man jedoch mindestens 2 Liter pro Tag trinken. Und zwar am besten gleich morgens, um den Flüssigkeitsverlust der Nacht auszugleichen, vor den Mahlzeiten um, die Verdauungssäfte zu neutralisieren, etwa 2,5 Stunden nach den Mahlzeiten, um die verdauten Speisen zum Darm zu transportieren, vor dem Sport, um das Schwitzen zu erleichtern und überhaupt immer dann, wenn der Durst sich meldet.

Äußerlich angewendet hat das Wasser auf Hygiene und Gesundheit einen sehr günstigen Einfluss. Es reinigt, weckt die Lebensgeister und wirkt gegen Beschwerden aller Art. Bereits im alten Rom und auch in Japan pflegte man eine Wasserkultur im Thermalbad zur Entspannung der Muskulatur, Anregung des Kreislaufs und Linderung von Beschwerden durch Mineralstoffe. Algen- und Meerwasserkuren waren in Griechenland und im alten China ein beliebtes Heilmittel. Gerade das Meer mit seiner Fülle an Mineralstoffen und Spurenelementen wie Magnesium, Strontium und Selen hat, über die Haut aufgenommen, eine große Heilkraft. Das Schwimmen im Meer entlas­tet zudem unsere Gelenke, stärkt das Immunsystem und befreit die Atemwege. Für den, der noch mehr Meer will: Auch bei Trinkkuren entfaltet Meerwasser seine heilsame Wirkung. Die natürliche Heilung durch Bäder, Güsse und Wickel wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Sebastian Kneipp zu einer Lehre formuliert. Der Pfarrer und Hydrotherapeut empfahl Wasserkuren und Wassertreten über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Als Speicher von Wärme und Kälte sind Kneipp’sche Güsse, Wickel und Bäder ein natürliches Heilmittel. Regelmäßige Kalt- und Warmwasser-Reize auf den menschlichen Körper haben laut Kneipp nachweislich heilende Wirkung. Stoffwechsel und Nervensystem profitieren von den Anwendungen. Das Wirkungsprinzip der Reizreaktion nutzt die natürlichen Reflexe des Körpers auf therapeutische Weise. Die Kneipp-Medizin versteht sich nicht als Gegensatz zur Wissenschaftsmedizin, sondern als Ergänzung.

Auch und gerade heute in unserer betriebsamen, ungeduldigen Zeit haben die Wasseranwendungen der Naturheilkunde wieder große Bedeutung. Sie können Herz-Kreislauf-Erkrankungen, orthopädische Erkrankungen oder Störungen des vegetativen Sys­tems lindern und den Organismus in Einklang bringen.

Wasser ist in allen Lebensformen enthalten und spielt für die Gesundheit eine wichtige Rolle. Egal ob wir es trinken, es hygienisch oder therapeutisch anwenden – Wasser ist unser kostbarstes Gut.

Edith Döhring
 

52 - Herbst 2012