Mobil bleiben und Sport treiben mit künstlichem Hüftgelenk

Von Prof. Dr. med. Jörg Scholz, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, HELIOS Klinikum Emil von Behring in Berlin-Zehlendorf

Zu den weltweit erfolgreichsten Eingriffen zählt die operative Behandlung des Hüftgelenkes durch den Einsatz eines Kunstgelenkes. Nötig wird die Operation aufgrund der Verschleißkrankheit, der sogenannten Arthrose, die Schmerzen verursacht und Bewegungsabläufe sowie die Mobilität beeinträchtigt. In Deutschland werden pro Jahr etwa 250 000 solcher Gelenke eingesetzt.

Meilenstein in der Entwicklung der künstlichen Hüftgelenke sind die ­wissenschaftlichen Arbeiten von Sir Charnley Ende der 1960er Jahre. Seit dieser Zeit haben sich die Implantate weiterentwickelt, wobei jedoch nach wie vor der Knochenzement und der Kunststoff Polyäthylen als wesentliche und weitgehend unveränderte Bestand-­teile ihren berechtigten Platz haben.

Eine Weiterentwicklung ist die Verankerung der Systeme ohne Knochenzement. Dies ist jedoch nur bei Patienten mit guter Knochenqualität möglich, da der Knochen in die Oberfläche einwachsen muss.

Heute stehen keramische Kugelköpfe zur Verfügung, die mit dem Kunststoff Polyäthylen, aber auch mit einer keramischen Pfanneneinlage kombiniert werden können und nur wenig Verschleiß haben. Metall/Metall-Gleitpaarungen werden in letzter Zeit kritisch gesehen, da der unvermeidliche Abrieb in jedem Kunstgelenk zu einer deutlich erhöhten Konzentration von Metallionen im Blut führt.
Insgesamt hat die Entwicklung jedoch dazu beigetragen, dass sich die Le­bensdauer von Kunstgelenken deutlich erhöht, bis zu 20 Jahre erscheinen durchaus gerechtfertigt.

In Einzelfällen werden Kunstgelenke sogar noch länger beschwerdefrei getragen. Aufgrund schonender Operationsverfahren mit minimalinvasiven Techniken ist der Patient bereits frühzeitig, d.h. am ersten Tag nach der Operation, in der Lage, wieder aufzustehen und umherzulaufen. Er sollte nach Abschluss seiner Rehabilitationsphase – rund fünf Wochen nach dem Eingriff – seine alltägliche Mobilität in vollem Umfang wiedererlangt haben. Waren derartige operative Eingriffe in frü­heren Zeiten überwiegend älteren Patienten vorbehalten, so kommen heute mehr und mehr jüngere Patienten, die sich aufgrund ihres Verschleißes der Hüftgelenke und ihrer Schmerzen in der Sprechstunde vorstellen. Diese ­Patienten erwarten ein Operationsergebnis, das ihnen eine deutlich höhere Aktivität im Alltag, beispielsweise den Wiedereintritt ins Berufsleben oder sportliche Aktivitäten, ermöglicht.

Zu beachten ist, dass das Kunstgelenk unabhängig, welches eingesetzt wurde, auch einem Verschleißprozess, dem Abrieb, unterliegt. Dabei zeigt sich, dass das keramische Material mit 0,001 mm pro Jahr sehr wenig verschleißt. Jede Lasteinleitung ins Gelenk bedeutet jedoch eine Steigerung des Abriebs, wobei beim Joggen mit ­einer Geschwindigkeit von 7 Kilometern pro Stunde das 5,2-Fache des Körpergewichtes als Last auf das Hüftgelenk wirkt, das 8,7-Fache wird bei einem Stolperschritt erreicht. Für den Alltag bedeutet dies, dass sich ein hohes Körpergewicht sowie das Heben und Tragen von Lasten negativ auf die Haltbarkeit des Kunstgelenkes aus­wirken. Allerdings gibt es gelenk-
schonende Belastungen wie Fahrrad fahren. Hierbei wird die Lasteinwirkung durch das Körpergewicht auf die Hälfte reduziert.

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie hat Empfehlungen erarbeitet, die darauf hinweisen, dass die sportliche Betätigung sowohl für die Funktion des operierten Gelenkes als auch für den gesamten Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System empfehlenswert ist. Vorausgesetzt die Operation liegt drei Monate zurück und das Implantat zeigt im Röntgenbild einen regelrechten Sitz. Zusätzlich muss der muskuläre Aufbau weitgehend abgeschlossen sein. Zu den unbedenklichen Sportarten gehören hiernach die Bewegungen, die einen Stolperschritt ausschließen und vom Patienten gekonnt ausgeübt werden. Beispielsweise sind Golf und Tennis (vorzugsweise Doppel) sowie Skilanglauf erwähnt. Beim alpinen Skilauf ist eine gute Lauftechnik Voraussetzung. Nicht empfehlenswert sind hingegen sogenannte High-Impact-Sportarten wie Kampfsportarten, Basketball, Fußball, Handball, Squash oder bestimmte Übungen in der Leichtathletik und beim Geräteturnen. Das Leben mit einem künstlichen Hüftgelenk ermöglicht Patienten, weitgehend schmerzfrei in den Alltag zurückzukehren, Sport zu treiben und wieder an Lebensfreude zu gewinnen.

 

52 - Herbst 2012