Rolex, Gucci und Co.

Die Kunden strömen, der Umsatz stimmt, und die letzten Lücken werden geschlossen. Am Ku’damm florieren die Geschäfte für den Einzelhandel.

Es ist es noch gar nicht so lange her, dass Beobachter den Kurfürstendamm auf dem absteigenden Ast sahen. Nach der Wende entstand mit der Friedrichstraße eine starke Konkurrenz in Ostteil der Stadt, die vor allem Luxusmarken anzog. Vielen erschien der gute alte Kurfürstendamm als beliebig, langweilig und etwas verstaubt. Und als dann auch noch traditionsreiche Kaffeehäuser wie das Café Möhring dicht machten und mehrere Kinos aufgeben muss­ten, war das Wehklagen über den Niedergang der Prachtstraße groß.

Mittlerweile ist nichts einfacher, als Lobpreisungen über die Einkaufsmeile Kurfürstendamm einzuholen. Makler, deren Geschäft das Vermieten von Ladenlokalen ist, profitieren von der Wiederbelebung.

Ein schönes Kaffeehaus oder kleine Cafés gibt es dennoch nicht auf dem weltberühmten Boulevard, und von den Kinos haben nur das Cinema Paris und das Astor überlebt. Dafür aber boomt der Einzelhandel. Die Mieten für Ladenlokale gehören derzeit zu den höchsten in ganz Deutschland: In bester Lage kostet der Quadratmeter bis zu 270 Euro.

Vor allem zwei Gründe nennen Marktkenner für diese Renaissance: zum einen die allgemeine Wiederbesinnung auf die Stärken der City West, die derzeit auch dem Wohnungsbau zu einem Boom verhilft, zum anderen den Umstand, dass sich mehrere große Bauprojekte ihrer Vollendung nähern. Im Laufe des nächsten Jahres sollen beispielsweise die Baumaßnahmen am Bikini Berlin fertiggestellt sein, also dem ehemaligen Zoobogen gegenüber der Gedächtniskirche. Einer der Einzelhandelsmieter wird dann Andreas Murkudis sein, der ausgewählte Accessoires und Designobjekte anbietet und bereits mit seinem Concept Store in Mitte scharenweise hippe Hauptstadttouristen anlockt.

Als besonders wichtig gelten die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses Cumberland und die Erweiterung des angrenzenden Fünfziger-Jahre-Hochhauses, das unter dem Namen No° 195 Ku’damm vermarktet wird.

Mitte September feierte das Cumberland mit 300 Gästen Richtfest, darunter Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann. Die meisten der Wohnungskäufer kamen ebenfalls angereist, vor allem auch, um die fortschreitende Fertigstellung der Außenarbeiten an dem rund einhundertjährigen Prachtbau zu bewundern. Dank der ausgefeilten Logistik und des milden Winters 2011/2012 sei das Bauprojekt seiner ursprünglichen Zeitplanung derzeit sogar einige Wochen voraus, sodass die Wohnungen spätestens im Sommer 2013 an ihre Erwerber übergeben werden können, so die Investoren Dirk Germandi und Detlef Maruhn. Diese beiden Projekte schließen eine Lücke auf der südlichen Seite des Ku’­damms, die bisher dem Einzelhandel abträglich war. „Durch die Entwicklung hochwertiger Wohn- und Gewerbeeinheiten erlebt der Boulevard derzeit einen Revitalisierungsschub“, beobachtet Sebas­tian Klatt von der FREO, die das Projekt No° 195 Kudamm realisiert. „Viele Labels suchen hier repräsentative Verkaufsflächen.“ Klatt gewann nebst ­anderen die Modemarken Escada, Strenesse und Boggi Milano als Mieter. Noch in diesem Herbst will Karl-Heinz Müller, der Gründer der Modemesse Bread & Butter, einen zweiten Laden unter dem Namen 14 oz. (den ersten führt er am Hackeschen Markt) im Haus Cumberland eröffnen. Geplant ist auch ein großes Kaffeehaus – als willkommene Ergänzung zu den reichlich vorhandenen Coffee-to-go-Läden und Steakhouse-Filialen.

Letzter Schwachpunkt auf der südlichen Seite des Boulevards bleibt damit das in die Jahre gekommene Kudamm-Karree. Seit Jahren plant hier ein irischer Investor einen Umbau; ob und wann er diesen endlich in Angriff nehmen wird, ist indes offen. Dafür schließt sich auf der nördlichen Seite eine Lücke: Nach langem Leerstand wird nun die ehemalige Filmbühne Wien belebt – auf rund 4 000 Quadratmetern Verkaufsfläche will hier der erste Apple-Store Berlins seine Pforten öffnen.

Gleichzeitig gewinnen auch etablierte Adressen an Attraktivität: das weltberühmte KaDeWe am Wittenbergplatz ebenso wie das Europa-Center, das mit neuen Läden auch eine junge Zielgruppe ansprechen will. Auf eine jüngere Klientel setzt in letzter Zeit auch das Neue Kranzler Eck, für das sich das US-Konzept Urban Outfitters entschieden hat. „Insbesondere bei Einzelhändlern, die sich erstmals in der Hauptstadt ansiedeln, verzeichnen wir eine hohe Nachfrage“, sagt Lars Kirmse vom Center-Manager Argoneo.

Die Gegend am Tauentzien ist mittlerweile von frequenzstarken Modemarken geprägt. Entsprechend ist hier immer viel los – Bettler, Straßenmusiker und Hütchenspieler inbegriffen. Westlich der Joachimstaler Straße ändert sich das: „Der Branchen- und Mietermix präsentiert sich uneinheitlich, eine klare Lagengliederung gibt es nicht“, analysiert Andreas Malich im CBRE-Einzelhandelsreport. Ganz anders der Bereich zwischen Schlüterstraße und Olivaer Platz, den Malich zu den „etabliertesten Niveau- und Luxuslagen Deutschlands“ zählt. Es ist das Revier von Rolex und Gucci, von Giorgio Armani und Dolce & Gabbana. Doch es finden sich auch Anbieter, die es sonst in Deutschland selten oder gar nicht gibt – etwa der britische Luxus-Lederwarenanbieter Mulberry (Kurfürstendamm 184) und das Schweizer Dessous-Label Aubade (Kurfürstendamm 46). Eine ungewöhnliche Ansiedlung wurde außerdem im Juli neben dem Bahnhof Zoo gefeiert: Curry 36, die Currywurstbude vom Kreuzberger Mehringdamm, eröffnete am Hardenbergplatz ihren ersten Ableger.

Emil Schweizer

 

52 - Herbst 2012
Stadt